Zwei Weltklasse-Zehnkämpfe am vierten Advent-Wochenende gab's wahrscheinlich noch nie in der Leichtathletik-Geschichte. Während Weltrekordler Kevin Mayer auf La Réunion mit 8.552 Punkten die Olympia-Norm klar übertraf, ging in Australien mit Ashley Moloney ein neuer Zehnkampf-Stern auf. Der 20-Jährige steigerte den Kontinentalrekord auf 8.492 Zähler und legte mit 4.613 Punkten den zwölftbesten ersten Tag im Zehnkampf überhaupt hin.
Im ersten komplett absolvierten Zehnkampf seit seinem Weltrekord im September 2018 hat sich Kevin Mayer stark zurückgemeldet. Der Franzose sammelte am Freitag und Samstag beim World Combined Challenge Meeting auf La Réunion 8.552 Punkte. Die vom 28-Jährigen als Ziel ausgegebene Olympianorm für Tokio von 8.350 Zählern übertraf er damit problemlos. Besser als Kevin Mayer war in diesem Jahr weltweit kein Zehnkämpfer. Nur für eine Woche durfte sich Felipe Dos Santos (Brasilien; 8,364 Punkte) über Platz eins der Weltjahresbestenliste freuen. Allerdings wurden 2020 aufgrund der Corona-Pandemie nur sehr wenige Mehrkämpfe ausgetragen.
„Ticket für Tokio“, schrieb der Weltrekordler nach seiner erfüllten Norm aus Instagram. Zwar war die Punktzahl für den Franzosen nur eine Pflichtaufgabe, diese musste er allerdings erfüllen. Denn aufgrund der Corona-Pandemie könnten die Startgelegenheiten im kommenden Jahr sehr begrenzt sein. Eine Verletzung zur falschen Zeit könnte selbst dem Weltrekordler einen Strich durch die „olympische Rechnung“ machen.
Kevin Mayer brilliert mit 13,54 Sekunden im Hürdensprint
Im französischen Übersee-Département im Indischen Ozean östlich von Madagaskar zeigte Kevin Mayer eine solide Leistung auf hohem Niveau. Mit der Kugel (16,20 m) und über 110 Meter Hürden (13,54 sec) war er besser als bei seinem Weltrekord-Zehnkampf mit 9.126 Punkten vor 21 Monaten in Talence. Im Hürdensprint steigerte der Weltmeister von 2017 seine Bestzeit sogar um eine Hundertstel. Im Vergleich zu den anderen Zehnkämpfern im Lauf wirkte Kevin Mayer wie ein Hürdenspezialist, nicht wie ein Mehrkämpfer. So elegant nahm er die zehn Hindernisse. Am ersten Tag sammelte Kevin Mayer 4.350 Zähler. Neben 16,20 Meter mit der Kugel gingen 10,68 Sekunden über 100 Meter, 7,40 Meter im Weitsprung, 1,97 Meter im Hochsprung und 48,87 Sekunden bei den abschließenden 400 Metern in die Wertung ein.
Einen Dämpfer musste Kevin Mayer im Stabhochsprung hinnehmen. Der 5,60-Meter-Springer kam am Samstag nicht über 4,65 Meter hinaus. Dass selbst ein Weltrekordler in einer solch anspruchsvollen Disziplin Wettkampfpraxis benötigt, beweist auch seine Einstiegshöhe von 4,35 Metern. Besser lief es im Diskuswurf mit 50,32 Metern. Mit starken 67,66 Metern im Speerwurf und ruhigen 4:47,74 Minuten über 1.500 Meter sammelte Kevin Mayer am Ende 8.552 Zähler. Nur bei seinem Weltrekord, bei Olympia-Silber 2016 in Rio (8.834 Punkte) und dem WM-Sieg 2017 in London (8.768 Punkte) war er besser.
Mit neuer Frisur zu den 1.500 Metern
„Ich bin ein bisschen eingerostet. Aber es fühlt sich gut an, aus dem Trott herauszukommen“, sagte Kevin Mayer nach seinem Erfolg auf La Réunion. Den abschließenden 1.500-Meter-Lauf absolvierte er übrigens wie einige andere Zehnkämpfer mit frisch rasierter Glatze. Die Aktion war eine Hommage an Gaël Quérin. Der 33-jährige Franzose beendete am Samstag seine Karriere und ließ es sich – wie so oft zuvor – nicht nehmen, die 1.500 Meter in 4:21,03 Minuten für sich zu entscheiden. Der EM-Fünfte von 2012, den viele deutsche Leichtathletik-Fans von seinen Auftritten beim Erdgas Mehrkampf-Meeting in Ratingen kennen, sammelte im Ziel seiner Karriere als Achter 7.423 Punkte.
Hinter Weltrekordler Kevin Mayer kam kein weiterer Zehnkämpfer in die Nähe der Olympianorm. Die zwei weiteren Podest-Plätze gingen an die Esten Taavi Tsernjavski (8.030 Punkte) und Risto Lillemets (7.993 Punkte). Knapp dahinter folgten die beiden Franzosen Axel Hubert (7.980 Punkte) und Makenson Gletty (7.978 Punkte). Kevin Mayer hatte sich über mehrere Wochen bei sommerlichen Temperaturen auf La Réunion auf den Zehnkampf vorbereitet.
4.613 Punkte am ersten Tag der Grundstein für Ashley Moloneys Kontinentalrekord
Sein Ziel von Olympia-Gold bei den Olympischen Spielen kommenden Sommer in Tokio hat Kevin Mayer mit seiner Vorstellung am Wochenende untermauert. Allerdings ist fast zeitgleich ein neuer Konkurrent auf der Bildfläche aufgetaucht. Der australische U20-Weltmeister Ashley Moloney (Foto in der Bildergalerie) sammelte bei den Regional-Meisterschaften von Queensland in Brisbane 8.492 Punkte und steigerte damit den 22 Jahre alten Kontinentalrekord Ozeaniens von Jagan Hames um zwei Punkte.
Den Grundstein für die Steigerung seiner Bestleistung um 302 Punkte legte der 20-Jährige am Samstag mit überragenden 4.613 Punkten am ersten Tag. 10,36 Sekunden über 100 Meter, 7,67 Meter im Weitsprung, 13,62 Meter mit der Kugel, 2,11 Meter im Hochsprung und pfeilschnelle 45,82 Sekunden über 400 Meter gingen in die Wertung ein. Nur zwei Athleten waren im Rahmen eines Zehnkampfs schneller: die Olympiasieger Ashton Eaton (45,00 sec) und Bill Toomey (beide USA; 45,68 sec). Gleichzeitig war es der zwölftbeste erste Tag der Zehnkampf-Geschichte.
Cedric Dubler steigert sich auf 8.362 Punkte
Zum Vergleich: Kevin Mayer kam bei seinem Weltrekord in Talence am ersten Tag auf 50 Zähler weniger als Ashley Moloney. Dafür legte der Franzose den besten zweiten Tag der Zehnkampf-Geschichte mit 4.563 Punkten nach. Der einzige Zehnkämpfer der in den Disziplinen sechs bis zehn ebenfalls die 4.500-Punkte-Marke übertreffen konnte, ist der amtierende Weltmeister Niklas Kaul (USC Mainz; 4.527 Punkte) bei seinem Gold-Zehnkampf in Doha.
Am Sonntag ließ Ashley Moloney in Brisbane Bestleistungen im Hürdensprint (14,17 sec), Diskuswurf (43,93 m) und Speerwurf (57,77 m) folgen. Als Zweiter steigerte sich Olympia-Starter Cedric Dubler (Australien) um mehr als 100 Zähler auf 8.362 Punkte und übertraf damit ebenfalls die Olympia-Norm.
Evelis Aguilar setzt sich auf La Réunion durch
Für die Siebenkämpferinnen war auf La Réunion die Olympianorm von 6.420 Punkten deutlich außer Reichweite. Der Sieg ging mit 6.055 Punkten an Evelis Aguilar (Kolumbien). Sie setzte sich vor Mari Klaup (Estland; 6.014 Punkte) und der ehemaligen U20-Weltmeisterin Sarah Lagger (Österreich; 6.010 Punkte). Als Vierte kam Moskau-Weltmeisterin Hanna Kasyanova (Ukraine) auf 5.782 Punkte.
Sarah Lagger zog nach Platz drei auf La Réunion ein positives Fazit: „Ich bin richtig happy mit dem Mehrkampf. 6.000 Punkte im Dezember und der dritte Platz: Was will ich mehr. Es war richtig, richtig cool, aber natürlich ärgert's mich, dass ich nur vier Punkte hinter der Zweiten und auch nur 45 Punkte hinter der Ersten bin. Es sind wichtige Punkte für die Olympia-Quali und wir wissen jetzt, wo ich stehe“.
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