Wettbewerb inklusiv
Der BJS-Wettbewerb für Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung
Kinder und Jugendliche mit Behinderung sollen genauso an Bundesjugendspielen teilnehmen können, wie Kinder und Jugendliche ohne Behinderung. Dies stellt viele Lehrkräfte, aus nachvollziehbaren Gründen, jedoch immer wieder vor große Herausforderungen.
In der Wettkampfform sind die normierten Disziplinen durch Umrechnungsfaktoren relativ einfach miteinander vergleichbar zu machen. In der Wettbewerbsform erscheint dies zunächst ungleich schwerer. Bei genauerem Hinsehen bietet die Wettbewerbsform aber deutlich mehr Möglichkeiten.
Alle Informationen zur Teilhabe behinderter Kinder und Jugendlicher an den Bundesjugendspielen in der Wettkampfform sind ausführlich im Handbuch für die Bundesjugendspiele in Kapitel 3 zu finden. Zudem gibt es Tipps im Übungskarten-Set, welches digital zur Verfügung steht, und in der "Wettkampfbroschüre Kinderleichtathletik inklusiv".
Im Folgenden wird dargestellt, wie Grundschulkinder mit einer Behinderung an den Bundesjugendspielen in der Wettbewerbsform in der Sportart Leichtathletik teilhaben können.
Anders als der Wettkampf ist der Wettbewerb nicht normiert. Das hat unter anderem den Vorteil, dass die einzelnen Übungen auf die örtlichen Gegebenheiten, die zur Verfügung stehenden Materialien und den Leistungsstand der Kinder angepasst werden können. Herausfordernd ist jedoch eine gemeinsame Wertung von Kindern mit und ohne Behinderung.
Zunächst einmal muss es das oberste Ziel sein, dass die Freude an der Teilnahme und der Spaß an der Bewegung aller Kinder im Vordergrund steht.
Auswahl der Übungen
Ein Vorteil bei der vielfältigen Auswahlmöglichkeit von Übungen besteht neben der Anpassung an Gegebenheiten und Material auch darin, dass die Übungen nach der Art der individuellen Behinderung der Schüler:innen der Klasse bzw. deren motorischer Fähigkeiten ausgewählt werden können. In der Broschüre „Wettkampfsystem Kinderleichtathletik inklusiv“ finden sich zu jeder Kinderleichtathletik-Disziplingruppe Ideen, wie diese für Kinder mit Behinderung angepasst und umgesetzt werden können und welche Besonderheiten bei der jeweiligen Art der Behinderung berücksichtig werden sollten. Nachfolgend stellen wir exemplarisch einige Beispiele vor.
Beispiele für sehbehinderte Kinder:
- Generell muss bei sehbehinderten Kindern berücksichtigt werden, dass potentielle „Stolperstellen“ beseitigt bzw. besprochen werden. Hindernisse und Ziel- bzw. Zonenbereiche sollten zudem farblich deutlich kenntlich gemacht werden.
- Im Bewegungsfeld „schnell laufen“ kann das Kind beispielsweise mit einem Partner an der Hand laufen.
- Im Bewegungsfeld „weit / hoch springen“ sollte berücksichtigt werden, dass sehbehinderte Kinder häufig Probleme mit dem Gleichgewicht haben. Absprungzonen etc. sollen sehr deutlich gekennzeichnet sein.
- Im Bewegungsfeld „weit werfen / stoßen“ kann der Stoß oder der Schlagwurf aus dem Stand absolviert werden. Der „Wurf in ein ‚Fenster‘“ scheint dagegen weniger geeignet. Die Wurfrichtung kann dem Kind aber auch mithilfe eines Geräuschs verdeutlicht werden, z. B. mit einer Glocke oder einer Triangel.
- Im Bewegungsfeld „ausdauernd laufen“ ist darauf zu achten, dass die Strecke deutlich für die Kinder erkennbar ist. Auch hier kann das Kind mit einem Partner gemeinsam laufen.
Beispiele für hörbehinderte Kinder:
- Viele hörbehinderte Kinder haben Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht. Daher ist bei allen Übungen darauf zu achten, dass unter Umständen Matten vorsorglich, z.B. neben einen Absprungbereich gelegt werden.
- Im Bewegungsfeld „schnell laufen“ kann ein optisches Startsignal eingesetzt werden. Beim Hindernissprint sollte darauf geachtet werden, dass die Hindernisse möglichst breit aufgestellt werden, damit die Kinder nicht aus dem Gleichgewicht kommen.
- Im Bewegungsfeld „weit / hoch springen“ können für das Startzeichen, aber auch für das Wartezeichen Flaggen in unterschiedlichen Farben eingesetzt werden.
- Im Bewegungsfeld „weit werfen / stoßen“ sollte besonders auf das schrittweise Üben der Wurf- bzw. Stoßtechnik geachtet werden, um Gleichgewichtsproblemen vorzubeugen.
- Im Bewegungsfeld „ausdauernd laufen“ sollten ebenso optische Startsignale, wie Lampen oder Flaggen eingesetzt werden.
Beispiele für geistig behinderte Kinder:
- Im Bewegungsfeld „schnell laufen“ ist darauf zu achten, dass die Bahn deutlich wahrnehmbar ist. Der Streckenverlauf kann mit Bildern gekennzeichnet werden.
- Im Bewegungsfeld „weit / hoch springen“ sollte der Ablauf der Übung genau und kleinschrittig erklärt werden. Auch hier kann die Bewegungsausführung mit Bildern visualisiert und von anderen Kindern demonstriert werden. Gerade dem vorherigen Ausprobieren der Wettbewerbsaufgabe kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, damit die Kinder die Aufgabe richtig einschätzen können.
- Im Bewegungsfeld „weit werfen / stoßen“ kann bei koordinativen Problemen direkt die Wurfauslage eingenommen und ohne Anlauf geworfen werden.
- Im Bewegungsfeld „ausdauernd laufen“ können neben Bildern, welche den Streckenverlauf kennzeichnen, auch Pfeile (z.B. mit Klebeband) auf dem Boden angebracht werden. Die Belastung ist immer an die individuelle Leistungsfähigkeit des Kindes anzupassen, gegebenenfalls muss die Streckenlänge verkürzt werden.
Beispiele für körperlich/motorisch behinderte Kinder:
- Sollte ein Kind z.B. im Rollstuhl sitzen und daher keine Sprungdisziplin ausführen können, könnte es möglicherweise eine zusätzliche Wurf-/Stoßübung absolvieren
- Im Bewegungsfeld „schnell laufen“ können die Kinder z.B. beim Wendesprint eine kürzere Teilstrecke laufen. Hindernisse können als Slalom umlaufen oder ganz weggelassen werden.
- Im Bewegungsfeld „weit / hoch springen“ können z.B. Höhen an die individuelle Leistungsfähigkeit angepasst, der Anlauf verkürzt und/oder die Zielzonen angepasst werden.
- Im Bewegungsfeld „weit werfen / stoßen“ bietet ein Wurf oder ein Stoß aus dem Stand ebenfalls die Möglichkeit einer Teilhabe. Je nach Leistungsvermögen könnte das gehbehinderte Kind auch einen Wurf in ein „Fenster“ absolvieren, optional könnte für dieses Kind die Abwurflinie näher zum „Fenster“ gelegt werden.
- Im Bewegungsfeld „ausdauernd laufen“ können die Streckenlängen beispielsweise verkürzt werden.
Durch die vielfältigeren Möglichkeiten des Wettbewerbs haben Lehrkräfte nun mehr Möglichkeiten, dass behinderte Kinder überhaupt an den Bundesjugendspielen teilhaben können.
Möglichkeiten der Leistungsermittlung
Die Ermittlung der individuellen Leistung im Vergleich zum Klassenverband kann ohne Umrechnungsfaktoren nur basierend auf den Erfahrungen der Lehrkräfte und den bisherigen Leistungen der Kinder im laufenden Schuljahr ermittelt werden. Grundlage kann die Entwicklung der Leistung im Verlauf des Schuljahres oder die Erfahrungen der Lehrkräfte bei der Notenvergabe der behinderten Kinder sein. Diese Methode bietet aber auch die Möglichkeit, die Kinder des Klassenverbandes mit einzubeziehen.
Nachfolgend sind einige Beispiele aufgelistet, wie eine Leistungsermittlung erfolgen könnte:
- Die Lehrkraft kann die Einordnung der behinderten Kinder in die Rangfolge der nicht-behinderten Kinder gemeinsam mit der gesamten Klasse besprechen.
- Je nach Grad der Behinderung könnte auch eine oder mehrere besonders schwierige Übungen für das Kind „doppelt“ gewertet werden, z. B.
- beim Sprint wird die Zeit halbiert
- beim Sprung in die Zone wird verdoppelt oder das Kind erhält einen oder mehrere Versuche zusätzlich
- beim Schlagwurf wird die erreichte Zone verdoppelt
- beim Transportlauf erhält das Kind pro Station zwei Gegenstände
- Abhängig vom jeweiligen Behinderungsgrad, ist es eventuell gar nicht notwendig die Leistungen der Kinder mit Behinderung gesondert zu ermitteln.
- Sollte eine Aufgabe gar nicht möglich sein, könnte eine der anderen bewältigten Aufgaben mit ihrem jeweiligen Ergebnis nochmals gewertet werden und damit als Ersatz für die nicht mögliche Aufgabe genutzt werden.
Unter dem Strich bietet die Wettbewerbsform der Bundesjugendspiele viele unterschiedliche Möglichkeiten, behinderte Kinder zu integrieren und die Bundesjugendspiele als ein gemeinsames Bewegungsfest aller Kinder erlebbar zu machen.