| EM Berlin 2018

Top-Leistungen und 60.500 Zuschauer unterstreichen Stellenwert der Leichtathletik

Bei der Abschluss-Pressekonferenz des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) zu den Europameisterschaften in Berlin ging es am Sonntag neben der Würdigung der vier DLV-Medaillengewinner des Vorabends auch um die gesellschaftliche Bedeutung der Sportart. „Die Leichtathletik hat durch die Heim-EM für die nächsten Jahre den Schub bekommen, den wir uns erhofft haben“, sagte DLV-Präsident Jürgen Kessing, der sich zum Ziel gesetzt hat, der Sportart wieder ihren Stellenwert früherer Jahre zurückzugeben.
Pamela Ruprecht

„Es war gestern Abend nicht nur ein Sommermärchen für die deutsche Leichtathletik, sondern die Leichtathletik insgesamt“, sagte Jürgen Kessing über die beeindruckende Fan-Kulisse mit 60.500 Zuschauern im Berliner Olympiastadion. Auch die TV-Quoten und Markt-Anteile der Fernseh-Übertragungen würden das große Interesse an der Sportart wiederspiegeln. „Man hat dieses Gänsehaut-Feeling bekommen und würde gerne noch mehr sehen. Bessere Werbung für unseren Sport hätte man sich nicht wünschen können.“ Es liefen am Samstagabend als Höhepunkt drei Finals mit deutscher Beteiligung parallel, in denen die DLV-Athleten vier Medaillen gewannen.

Im Hochsprung der Männer meisterte Mateusz Przybylko wie im Rausch jede Höhe bis einschließlich 2,35 Meter im ersten Versuch. Das bescherte dem Leverkusener den Sieg. Nach der eingestellten Bestleistung nahm er sogar noch einmal den deutschen Rekord (2,38 m) in Angriff, danach war aber die Luft raus, er hatte bei den Sprüngen zuvor nach eigener Aussage „100 bis 200 Prozent“ gegeben. „Ich kann es noch gar nicht fassen, dass ich Europameister bin“, sagte der 26-Jährige. Bei einer Heim-EM die Goldmedaille holen, das ist das Beste, was man machen kann. Ich gehöre jetzt auch zu Namen wie Carlo Thränhardt.“ In Zukunft will sich Przybylko zwischen Höhen von 2,30 und 2,35 Meter stabilisieren und auch auf Weltebene und bei Diamond League-Meetings vorne mitmischen.

„Es hat sich angefühlt, wie in einem Hexenkessel“

Zeitgleich holte Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) an der Weitsprung-Anlage Gold. Dabei bewies die U23-Europameisterin von 2015 unglaubliche Nervenstärke. Die ersten zwei Versuche hätten nicht für den Endkampf der besten Acht gereicht, sie musste im dritten Durchgang also abliefern. Und das tat die 24-Jährige. Sie flog auf die spätere Siegesweite von 6,75 Meter. „Dieser Druck war genau das, was ich gebraucht habe“, erzählt die Deutsche Meisterin. „Mit der Weite bin ich nicht so ganz zufrieden, aber es geht bei einer Meisterschaft um den Titel.“

Im dritten Finale zeigten die Diskuswerferinnen eine starke Team-Leistung: Nadine Müller (SV Halle) gewann mit 63,00 Metern Silber, Shanice Craft (MTG Mannheim; 62,46 m) Bronze und die jüngste im Bunde Claudine Vita (SC Neubrandenburg; 61,25 m) wurde starke Vierte. „Ich hatte so Bock vor diesem Publikum zu werfen. Es war auch beim Hoch- und Weitsprung Alarm, es hat sich angefühlt wie ein Hexenkessel“, sagte die neue Vize-Europameisterin und WM-Dritte von 2015. „Nach zwei schwierigen Jahren, in denen es in Rio und London nicht so funktionierte, ist die Silbermedaille mit Saisonbestleistung nun umso schöner.“ Heim-Vorteil hatte Craft, die nach Berlin gezogen ist und seit letzten Herbst in der Diskus-Gruppe von Marko Badura trainiert.

Beste Werbung für die Sportart

Trotz der Erfolge noch kein finales Fazit wollte der Leitende Direktor Sport Idriss Gonschinska ziehen und verwies auf den noch anstehenden letzten EM-Abend. Mit 17 Medaillen konnten die deutschen Leichtathleten schon jetzt eine Medaille mehr als bei der „kleinen EM“ 2016 im Jahr der Olympischen Spiele gewinnen. „Wir haben auch schon deutlich mehr Nationenpunkte sprich Top Acht-Platzierungen als 2016. Unser Konzept des früheren Nominierungstermins hat vielen Athleten gut getan“, sagte Gonschinska. Man wollte die Chance der für Trainer und Athleten besonderen Heim-EM nutzen, um für die Leichtathletik in ihrer Vielfalt zu werben.

Wenn auch nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel im Stadion zu Besuch war, so doch andere hochrangige Politiker. Außenminister Heiko Maas war mit seiner Familie im Stadion und genoss die Wettkämpfe. Schirmherr der Leichtathletik-EM ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Leichtathletik hielt auch Paralympicssieger Heinrich Popow, an den Kessing symbolisch den Staffelstab übergab. Vom 20. bis 26. August findet im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark die Para-EM der Leichtathleten statt. „Der DLV hat die Werte des Sports, wie den Glauben an sich selbst, extrem gut dargestellt, dafür bin ich dankbar. Wir werden auch versuchen unser Bestes zu geben“, meinte der Sprinter und Weitspringer.

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