Es bleibt dabei: Wer Normen oder Top-Zeiten braucht, der kommt an der Sparkassen-Gala in Regensburg nicht vorbei. Insgesamt neun Mal erfüllten deutsche Athletinnen und Athleten am Sonntag im Uni-Stadion, das für seine schnelle Bahn und die perfekten Rahmenbedingungen bekannt ist, den geforderten Richtwert für die Heim-EM in Berlin (6. bis 12. August). Trotz wechselhafter Winde setzen einmal mehr die Sprinter die Akzente.
Zwei Mal Gegenwind und dennoch zwei Top-Läufe: Tatjana Pinto (LC Paderborn) ist in bestechender Form. 11,11 Sekunden im Vorlauf (-0,1 m/sec) und 11,14 Sekunden im Finale (-0,4 m/sec), das die 26-Jährige vor der Britin Imani-Lara Lansiquot (11,24 sec) und Rebekka Haase (LV 90 Erzgebirge; 11,39 sec) gewann, lassen für die kommenden Wochen Einiges erwarten.
"Ich bin zufrieden", meinte Tatjana Pinto lächelnd zur zweitbesten Zeit ihrer Karriere und der drittbesten in Europa in diesem Jahr. "Im Vergleich zur Vorwoche in Weinheim war das technisch schon erheblich besser." Ohne der endgültigen Nominierung des DLV vorgreifen zu wollen, steht die EM in Berlin schon fest bei ihr im Wettkampfplan. "Dort will ich meine Top-Leistung bringen. Wir haben auch mit der Staffel große Ziele", kündigte sie an. Um dann noch mit dem charmantesten Siegerlächeln zu prognostizieren: "Es wird schnell werden..."
42,24 Sekunden für die deutsche Sprintstaffel
Was sie fast vier Stunden später mit dem deutschen 4x100-Meter-Quartett mit Rebekka Haase, Keshia Kwadwo (TV Wattenscheid 01) – die im 100-Meter-Vorlauf in 11,35 Sekunden EM-Norm gerannt war – und Gina Lückenkemper (TSV Bayer 04 Leverkusen) bereits eindrucksvoll unter Beweis stellte. Mit 42,24 Sekunden und durchaus noch ausbaufähigen Wechseln stürmten die Frauen zu einer neuen europäischen Jahresbestleistung und der schnellsten Zeit der Welt einer Nationalstaffel. Ebenfalls stark: die zweite DLV-Staffel (Lisa-Marie Kwayie, Alexandra Burghardt, Jessica-Bianca Wessolly und Katrin Fehm) kam dahinter auf 43,22 Sekunden.
Jessica-Bianca Wessolly (MTG Mannheim) zeigte schließlich noch über 200 Meter, das mit ihr in diesem Jahr zu rechnen ist: 23,14 Sekunden bedeuteten auch für sie die EM-Norm in dieser Disziplin. Katrin Fehm (diesmal 23,33 Sekunden) war diese schon vor einer Woche in Weinheim gelaufen. Dahinter landete ihre ein Jahr jüngere Kollegin aus der U20-Weltrekord-Staffel Sophia Junk (LG Rhein-Wied; 23,49 sec).
"Nach den 120 Metern in der Staffel habe ich gespürt, dass meine Beine müde waren. Diese fehlende Spritzigkeit lag aber nicht an der Form, sondern an der harten Trainingswoche", erklärte Gina Lückenkemper ihren Verzicht auf dieses Rennen. "Es standen vor Regensburg nämlich noch einige intensive Einheiten an."
Michael Pohl überrascht als schnellster Deutscher
Lucas Jakubczyk (SCC Berlin) oder Julian Reus (LAC Erfurt)? Knapp daneben. Michael Pohl (Sprintteam Wetzlar)! Dass der 29-Jährige Regensburg als aktuell schnellster Mann Deutschlands verlassen würde, damit hatten allenfalls Insider gerechnet. Obwohl sich Pohl nach dem Vorlauf (10,52 sec) nur für das B-Finale qualifizieren konnte, blieben die Uhren dort für ihn bei 10,22 Sekunden stehen. EM-Norm!
Im Vorlauf hatte Jakubczyk bereits 10,24 Sekunden vorgelegt und die Norm aus Jena bestätigt, im A-Finale wurde der Berliner Zweiter (10,28 sec), hauchdünn hinter dem Briten Richard Kilty (10,26 sec). Grund zur Freude gab es auch für den Österreicher Markus Fuchs, der mit 10,35 Sekunden die EM-Norm seines Landesverbandes erfüllte. Julian Reus verzichtete nach 10,47 Sekunden im Vorlauf auf das Finale, um sich für die Staffel und den 200-Meter-Lauf zu schonen.
Franziska Hofmann hauchdünn vor Ricarda Lobe
Eine ganz enge Kiste auf hohem Niveau war das 100-Meter-Hürden-Finale der Frauen, bei dem es erneut zwei EM-Normen zu feiern gab. Franziska Hofmann (LAC Erdgas Chemnitz) und Ricarda Lobe (MTG Mannheim) warfen sich fast gemeinsam über den Zielstrich und landeten mit 13,00 beziehungsweise 13,01 Sekunden nur knapp oberhalb des Zwölfer-Bereiches.
Abermals steigern konnte sich in seinem erklärten Lieblingsstadion in Regensburg Hochspringer Tobias Potye (LG Stadtwerke München). Nachdem er erst am Mittwoch in seinem Heimatort Aschheim die EM-Norm von 2,26 Meter übersprungen hatte, konnte sich der frühere U20-Europameistern nun erneut um einen Zentimeter auf 2,27 Meter steigern, und das gleich im ersten Versuch. Danach ließ er 2,30 Meter auflegen, wobei vor allem der letzte Sprung überaus vielversprechend aussah.
"Jetzt weiß ich, wie sich das anfühlt, so hoch zu springen", sagte Tobias Potye. "Ich mache das nach dem Salami-Prinzip. Immer ein bisschen mehr." Natürlich sei die EM in Berlin ein enormer Motivationsschub für ihn, weshalb er auch einige Faktoren im Training umgestellt habe. Neben seinem regulären Trainerteam Manfred Knopp und Sebastian Kneifel kümmert sich nun mit Max Mühlbauer auch ein ausgewiesener Fachmann für das Krafttraining am Olympiastützpunkt München um die Explosivität des derzeit zweitbesten deutschen Hochspringers. Die 2,27 Meter bedeuten gleichzeitig auch die Verbesserung des 25 Jahre alten bayerischen Rekordes von Toni Riepl (2,26 Meter).
Christoph Kessler steigert sich deutlich
Die nächste EM-Norm gab es über 800 Meter, wo Christoph Kessler (LG Region Karlsruhe) in einem Soloritt von der Spitze weg mit 1:46,11 Minuten ein deutliches Signal Richtung Berlin setzte. Etwas abgeschlagen kamen der Südafrikaner Henko Uys (1:47,56 min) und der Deutsche Meister Benedikt Huber (LG Telis Finanz Regensburg) über den Zielstrich, der nach einem <link news:63397>"Aufgalopp" am Samstag bei seinem "Heimspiel" seine Jahresbestmarke immerhin auf 1:47,71 Minuten steigern konnte.
Auf der Stadionrunde warf in einem rein bayerischen Duell der Deutsche Vizemeister Patrick Schneider (LAC Quelle Fürth) seinem Kontrahenten und Deutschen Meister Johannes Trefz (LG Stadtwerke München) den Fehdehandschuh hin. Der Mittelfranke Schneider sah auf der Zielgeraden über 400 Meter lange wieder Sieger aus, bis der Oberbayer Trefz (46,37 sec) auf den letzten Metern seine ganze Routine ausspielte und noch an Schneider (46,47 sec) vorbeizog.
Tränenreicher Abschied von Corinna Harrer, auch Maren Kock sagt "Adé"
Bei den Frauen kam Nadine Gonska (MTG Mannheim) auf 52,60 Sekunden, Corinna Schwab (TV 1861 Amberg) schaffte als Zweite mit 53,31 Sekunden erneut die Norm für die U20-WM in Tampere (Finnland; 10. bis 15. Juli). Am späten Morgen hatte die 4x400 Meter-Staffel der weiblichen U20 bereits ohne die starke Bayerin mit 3:35,08 Minuten für ein Ausrufezeichen gesorgt. Über 400 Meter Hürden jubelte Sylvia Schulz aus Leverkusen in 58,74 Sekunden über eine deutliche Bestzeit und die U20-WM-Norm.
Auch bei der Altersklasse U18 gab es zwei internationale Normen. Beauty Somuah (ASV Köln; 11,85 sec) und Svenja Pfetsch (SC Vöhringen; 11,89 sec) dürfen sich über 100 Meter Hoffnung auf die Kontinentaltitelkämpfe ihrer Altersklasse in Györ (Ungarn; 5. bis 8. Juli) machen.
Einen tränenreichen Abschied gab es vor großer Kulisse für die mehrfachen Deutschen Meisterinnen Corinna Harrer und Maren Orth, ehemals Kock. Die große Regensburger Leichtathletik-Familie und zahlreiche Zuschauer verabschiedeten die beiden Spitzenathletinnen nach ihrem Rücktritt vom Leistungssport in das "reguläre Leben". Ein ausführliches Interview mit Corinna Harrer gibt es in Kürze auf leichtathletik.de.
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