| DM Ulm

Richard Ringer will für positive Schlagzeilen sorgen

Die deutschen Läufer sind im Aufwind. Ein Beweis dafür ist auch die Leistung von Langstreckler Richard Ringer. Der Team-Europameister ist das Paradebeispiel, wie ein Läufer mit Beharrlichkeit, Geduld und sogar einer dosierten Portion Schwimmen an die Spitze kommen kann. Eine Spitze, die er gerne auch am kommenden Wochenende bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm für sich behaupten und Titel-Abonnent Arne Gabius zu gern vom Thron stoßen würde.
Alexandra Neuhaus

Es ist eine Genugtuung für Richard Ringer. „Bei Wettkämpfen kommen Kinder und wollen Autogramme. Auf der Arbeit fragen die Kollegen, wann sie mich wieder im Fernsehen sehen können und im Wald applaudieren mir fremde Leute zu, wenn ich an ihnen vorbeilaufe“, sagt der 25-Jährige vom VfL LC Friedrichshafen. Noch vor wenigen Wochen hätten eben diese Leute ihm „schneller, schneller“ hinterher gerufen. Inzwischen haben sie offenbar bemerkt, dass hier die absolute deutsche Spitze seine morgendlichen Runden durch den Wald dreht und „schneller, schneller“ so gut wie kein anderer Deutscher ist.

Es hat sich viel getan, seit dem Triumph der deutschen Mannschaft Ende Juni in Braunschweig. „Die neue Aufmerksamkeit tut uns Läufern gut“, sagt Richard Ringer, auch wenn erhoffte Sponsorenverträge für ihn bislang ausblieben. Drei Siege, zwei zweite Plätze in Braunschweig – diese neue Aufmerksamkeit haben sich die deutschen Läufer auch hart erarbeitet.

So wie etwa Richard Ringer. Morgens um acht beginnt sein Tag. Nach zwei Trainingseinheiten und einem Nachmittag im Büro von Rolls-Royce Power Systems, wo er als Controller arbeitete, fällt er spätabends ins Bett. Seit Jahren ordnet er alles andere dem Laufen unter. „Ich werde gefragt, was ich verpasse, weil ich so viel in den Leistungssport investiere. Dann frage ich zurück, was ich verpassen würde ohne den Leistungssport: Die Reisen, die Events, die Eindrücke sind Erlebnisse, die ich nicht vergessen werde.“

Behutsamer Aufbau

Eindrücke wie sein Sieg über 3.000 Meter bei der Team-EM („Das war unbeschreiblich“), sein siebter Platz und damit die beste je von einem deutschen Läufer erreichte Platzierung im vergangenen Winter bei der Cross-EM und seine Bronzemedaille bei der Universiade im letzten Sommer – es sind diese frischen Erinnerungen, die jede Entbehrung rechtfertigen.

In den Jahren vor seinem Durchbruch im Jahr 2013 musste sich Richard Ringer allerdings in Geduld üben. Seit elf Jahren trainiert er nun bei Eckard Sperlich in Friedrichhafen. „Ein super Trainer, der einen genauen Plan im Kopf hat“, sagt Ringer. Ein Plan, der deutlich weiter geht als bloß eine Saison. „Meinem Trainer war es immer wichtig, dass wir langfristig denken. Dass wir nicht nur in der Jugend erfolgreich und vorne sind, sondern dann, wenn es drauf ankommt.“

Schwimmen als Trainingseinheit

Zu diesem behutsamen Aufbau, von dem auch Eckhard Sperlichs Sohn Martin, U23-EM-Teilnehmer über 1.500 Meter aus dem vergangen Jahr, profitiert, gehört auch jede Menge Abwechslung im Training. „In diesem Jahr haben wir in der Vorbereitung viel semispezifisch trainiert.“ Semispezifisch – darunter fällt in der der Sperlich-Philosophie auch Klettern, Rudern oder eben Schwimmen. Kein Aqua-Joggen, sondern tatsächlich klassisches Schwimmen.

„Wir haben in Verletzungsphasen festgestellt, dass unsere Ausdauer-Werte durch das Schwimmen dennoch stabil geblieben sind“, sagt Richard Ringer. Auch vor der Cross-EM, wo er lange Zeit aufgrund von Kahnbein-Problemen nur wenig laufen konnte, kam ihm dieses Alternativtraining zugute. „Jetzt nutze ich es ein bis zwei Mal in der Woche zur Regeneration.“

34 Läufer im DM-Finale über 5.000 Meter

Der behutsame, langsame Aufbau war es aber auch, für den er neben Geduld auch in den vergangenen Jahren ein dickes Fell brauchte. Im Kollektiv mit den deutschen Läufern musste auch Ringer einiges an Kritik einstecken. Denn die großen, nach außen sichtbaren Erfolge blieben aus. Während die Läufer und auch Richard Ringer immer wieder betonten, mehr zu können, antwortet die Öffentlichkeit mehr oder weniger verklausuliert, mit einem „dann zeigt es auch“. Eine Aufforderung, der Lauf-Deutschland jetzt mit aller Macht nachgekommen ist. In Klasse und Masse.

Zwei Läufer haben die Norm für die EM in Zürich (Schweiz; 12. bis 17. August) über 5.000 Meter; 34 Läufer starten am Wochenende bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm. Eine Zahl, die wohl einmalig in der Geschichte dieses DM-Finals ist.

Kampfansage an Arne Gabius

„Wir wussten immer, wir haben es drauf“, sagt Richard Ringer. Dieses Wir-Gefühl ist es auch, dass die Läufer trotz aller sportbedingter Rivalität verbindet. „Dadurch, dass wir als Ganzes so kritisiert wurden, freuen wir uns jetzt auch über jeden Erfolg des Einzelnen und sehen es als Team-Erfolg an“, sagt Richard Ringer. So sehr man an der Startlinie Konkurrent sei, so sehr begeistere er sich, wenn er zu Hause Artikel lese oder in Ergebnislisten schaue und schon wieder neue Bestzeiten seiner Kollegen finde.

Da wundert es kaum, dass er Arne Gabius (LG Stadtwerke Tübingen), mit dem er sich bei der Team-EM ein Zimmer teilte, auch den achten deutschen Meistertitel über 5.000 Meter mehr als gönnen würde. Damit würde Gabius in Ulm den Rekord von Harald Norpoth, dem Silbermedaillen-Gewinner der Olympischen Spiele 1964, einstellen.

Auf der anderen Seite: „Ich wäre auch gerne derjenige, der Arnes Abo auf den deutschen Meistertitel beendet“, sagt Ringer. „Beides wäre doch eine Schlagzeile, oder?“ Stimmt, und genau das ist es, was die deutschen Läufer im Allgemeinen und auch Richard Ringer im Speziellen auch in Zukunft machen wollen: Schlagzeilen schreiben.

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