Die ersten hochkarätigen Crossläufe der Saison 2015 werfen ihre Schatten voraus. Über Pforzheim, Darmstadt oder Tilburg in den Niederlanden soll der Weg zu den Cross-Europameisterschaften in Toulon (Frankreich; 13. Dezember) führen. Wir haben uns für Sie umgehört, welche Athleten sich dieses Jahr im Gelände blicken lassen.
Richard Ringer (LC VfB Friedrichshafen) sorgte im Vorjahr mit Rang vier im stark besetzten Rennen von Tilburg (Niederlande) für das beste Cross-Resultat der deutschen Aktiven. Damals hatte er auf die Cross-EM in Samokov (Bulgarien) verzichtet. In diesem Jahr hat er die kontinentalen Titelkämpfe fest im Blick. Mit dem Rückenwind einer starken Sommer-Saison will der 26-Jährige im Gelände ganz vorne mitmischen. Sein bisher bestes Cross-EM-Ergebnis: Platz vier 2011 in der U23. Jetzt lockt sogar das Treppchen – jedenfalls hat sich der EM-Vierte über 5.000 Meter viel vorgenommen.
„Wir haben eine volle Cross-Saison geplant“, bestätigt auch sein Trainer Eckhard Sperlich. Dessen Sohn Martin Sperlich, der in diesem Jahr auf den Strecken von 1.500 bis 5.000 Meter den Sprung in die deutschen Top Drei schaffte, wird seinen Trainingspartner begleiten. „Richard läuft gerne im Gelände – Martin nicht so sehr“, verrät der Coach. „Aber in diesen sauren Apfel muss Martin beißen, dafür steht im nächsten Jahr auch der ein oder andere Hallen-Wettkampf auf dem Programm.“
Florian Orth liebäugelt mit der Cross-EM
Die Sperlich-Trainingsgruppe will in Tilburg (22. November) die EM-Qualifikation angehen – laut Nominierungsrichtlinien muss dafür ein Top Acht-Platz in einem international hochwertigen Crosslauf her. Dasselbe Rennen hat auch der Braunschweiger Karsten Meier ins Visier genommen. Gut möglich, dass ein weiterer deutscher Topathlet an der Startlinie stehen wird: Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg), eigentlich auf der Mittelstrecke zuhause, hat sich auch auf den längeren Strecken stark verbessert. Er liebäugelt sogar mit der Cross-EM, die finale Entscheidung für die Cross-Saison ist allerdings noch nicht gefallen.
Der Angriff auf die Qualifikation für Toulon wäre ein beachtliches Unterfangen, hat der frischgebackene Zahnarzt doch gerade erst in der elterlichen Praxis in Vollzeit seine Assistenz-Zeit begonnen. Dafür ging’s zurück aus Süddeutschland in die hessische Heimat bei Kassel. Seine Freundin Maren Kock (LG Telis Finanz Regensburg) hatte eine Cross-Saison im Hinterkopf, wird den Schwerpunkt nun aber doch schon ganz auf die Vorbereitung der Olympia-Saison 2016 legen.
Martin Grau: Kenia statt Frankreich
Hindernisläufer Martin Grau weilt zum Zeitpunkt der Cross-EM bereits im Trainingslager in Kenia. Möglicherweise steht zur Formüberprüfung am 15. November ein Start beim Olympia-Alm Crosslauf in München auf dem Programm. Sein Zwillingsbruder Bastian Grau (beide LSC Höchstadt/Aisch), dem er eine „sehr gute Form“ bescheinigt, präsentierte sich bereits am Samstag in Ingolstadt, folgen könnte ein Start in Darmstadt.
Simret Restle-Apel hatte sich eigentlich auf den Frankfurt Marathon vorbereitet, dann aber nach Streitigkeiten um ihre Aufnahme in das Elite-Feld aufgrund ihrer verbüßten Doping-Sperre den Start abgesagt. Die Form dürfte also da sein für Crossläufe – was sie zuletzt mit einem guten 10-Kilometer-Rennen am Hockenheimring unter Beweis stellte. Sabrina Mockenhaupt (LG Sieg), die gerne auch mal im Gelände in Aktion tritt, konzentriert sich dagegen ganz auf den Marathon in Valencia (Spanien; 15 November). Corinna Harrer (LG Telis Finanz Regensburg) muss nach ihrer schweren Achillessehnen-Verletzung noch auf Auftritte im Gelände verzichten.
Maya Rehberg vor sechster Cross-EM
U23-Athletin Maya Rehberg (SG TSV Kronshagen/Kieler TB) hat seit 2010 keine Cross-EM verpasst – und das soll sich auch 2015 nicht ändern. Die Hindernis-Spezialistin will sich in Tilburg einem internationalen Feld stellen und ist zufrieden mit ihrer bisherigen Vorbereitung: „Bis jetzt sieht alles gut aus!“, sagt sie. Gefordert ist in der U23 eine internationale Top-Zwölf-Platzierung oder Rang eins bis vier in Pforzheim (14. November) oder Darmstadt (22. November).
Ob sich eine schlagkräftige U23-Mannschaft um sie herum versammeln kann, wird sich daher auch in den nationalen Rennen herauskristallisieren. Im Vergleich zum Vorjahr wird sich in dieser Altersklasse einiges tun: Drei der fünf Cross-EM-Starterinnen von 2014 sind der U23-Altersklasse entwachsen, mit Isabell Teegen (SC Rönnau 74) weilt eine vierte zurzeit in Australien. Aus der U20 rückt keine der Athletinnen hoch, die in Samokov dabei waren.
Zum Aushängeschild der männlichen U23 könnte in diesem Winter Hendrik Pfeiffer (TV Wattenscheid 01) werden. Der neue deutsche Rekordhalter im Halbmarathon plant mit einem Start beim Cross in Darmstadt. Auch in dieser Altersklasse will der DLV ein Team nach Toulon schicken, weitere Kandidaten sind unter anderem die Hindernisläufer Konstantin Wedel (LAC Quelle Fürth) und Philipp Reinhardt (SV Einheit 1875 Worbis) sowie der gebürtige Äthiopier Amanal Petros (TSVE 1890 Bielefeld), der 2015 die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hat. Wedel startete am Samstag in Ingolstadt in die Saison, Reinhardt und Petros geben ihre Visitenkarte in Pforzheim ab.
Starke U20-Teams
Die besten Aussichten auf internationale Top-Ergebnisse haben auch in diesem Winter wieder die U20-Läufer, allen voran die Athletinnen der Altersklassen 96 und 97. Das fünfköpfige Bronze-Team von Samokov könnte geschlossen den nächsten Angriff aufs EM-Podium angehen. Angeführt wird es von der zweifachen U20-EM-Siegerin Alina Reh (TSV Erbach), U20-Berglauf-Europameisterin Sarah Kistner (MTV Kronberg) und der deutschen U20-Rekordlerin über 3.000 Meter Konstanze Klosterhalfen (TSV Bayer 04 Leverkusen).
In der männlichen U20 hat sich der Vize-Europameister über 10.000 Meter Fabian Gering (TV Wattenscheid 01) gegen die Cross-EM entschieden. In den Startlöchern stehen dagegen Patrick Karl (TV Ochsenfurt), der von der U20-EM in Eskilstuna (Schweden) Silber über 3.000 Meter mit nach Hause brachte, sowie Kidane Tewolde (SCC Hanau-Rodenbach), U20-EM-Teilnehmer über 10.000 Meter. Welche Namen noch hinzu kommen? Das ist in kaum einem Wettbewerb schwerer zu prognostizieren als im Cross, wo in den U20- und U23-Altersklassen über Stock und Stein stets so mancher Außenseiter seine Chance auf einen Start im Nationaltrikot nutzt. Es wird spannend!