| Interview

Tom Gröschel: „Ich wollte erhobenen Hauptes die Bühne verlassen“

© Gladys Chai von der Laage
Nach 16 Jahren im Leistungssport hat sich Tom Gröschel am Sonntag von der Leichtathletik-Bühne verabschiedet. Im Interview spricht der Rostocker über seine emotionalsten Karriere-Momente und darüber, warum sich mit dem Berlin-Marathon für ihn ein besonderer Kreis schließt. Zudem gibt er Einblicke in seine Zukunftspläne – und verrät, warum er vorerst weiterhin täglich trainieren wird.
Nicolas Walter

Tom Gröschel, in einem Interview haben Sie kürzlich gesagt, dass der EM-Marathon 2018 in Berlin der emotionalste Moment Ihrer Karriere war. Jetzt haben Sie in der Hauptstadt Ihr letztes Rennen bestritten. Schließt sich für Sie damit ein Kreis?

Tom Gröschel:
2018 war mein erstes Jahr als Marathon-Läufer, direkt bin ich Deutscher Meister und dann in Berlin bester Deutscher bei den Europameisterschaften geworden. Das war super krass. Wahrscheinlich kann man wirklich sagen, dass sich der Kreis hier jetzt schließt. Auch weil es geographisch zu meiner Heimat einer der nächsten Marathons ist, es ist generell der größte in Deutschland und für mich sicherlich auch der schönste. Es waren heute so viele Freunde an der Strecke, so viele Menschen, die ich kenne. Ich habe es einfach genossen.

Am Ende stehen beim Abschied 2:12:59 Stunden in der Ergebnisliste. Wie zufrieden sind Sie damit?

Tom Gröschel:
Brutal zufrieden. Viele Dinge sind in den letzten Wochen in meinem Leben passiert. Wir haben ein Kind bekommen, sind umgezogen, haben ein Haus gekauft – es waren viele emotionale Momente. In diesem ganzen Trubel habe ich schließlich mein Karriereende angekündigt. Den ein oder anderen Kilometer habe ich dann beim Training weggelassen, aber der Körper – das hat sich heute gezeigt – scheint nicht alles verlernt zu haben. Es lief gut und dafür bin ich sehr dankbar.

Konnten Sie es denn mit dem Wissen, dass es Ihr letztes Rennen sein wird, etwas entspannter als sonst angehen?

Tom Gröschel:
Das sagt sich immer so leicht. Aber am Ende bin ich Leistungssportler und will dann auch erhobenen Hauptes die Bühne verlassen. Deswegen habe ich bis zum Schluss um jeden Zentimeter gekämpft. Auf dem letzten Kilometer konnte ich punktgenau die Zeit unter 2:13 Stunden absichern. Ich konnte hintenraus schon immer ganz gut mobilisieren.

Sie kämpfen mit den Tränen. Das zeigt, wie wahnsinnig emotional dieser Abschied für Sie zu sein scheint…

Tom Gröschel:
Absolut, das erlebt man nicht alle Tage.

16 Jahre Leistungssport liegen hinter Ihnen. Die EM in Berlin haben Sie für sich als besonders emotional beschrieben, was war denn die schwerste Zeit?

Tom Gröschel:
Sicherlich meine Verletzung 2019. Ich wurde an der Achillessehne operiert und habe danach alles gegeben, um wieder zurückzukommen und mich für die Olympischen Spiele 2020 zu qualifizieren. Dann kam Corona und das ganze System hatte sich gewandelt, sodass ich keine Chance mehr auf die Qualifikation hatte. Das war ein ziemlicher Tiefpunkt. Und natürlich auch der Moment im vergangenen Jahr, als ich für die WM in Budapest qualifiziert war, dann aber zwei Wochen vorher verletzungsbedingt absagen musste. Das tat sehr weh. Gerade weil ich wusste, dass die deutsche Konkurrenz immer stärker wird und mir klar war, so eine WM-Chance kein zweites Mal zu bekommen. Deswegen ist dann im vergangenen Herbst der Gedanke gereift, noch ein letztes Mal einen Marathon durchzubringen und danach die Karriere zu beenden. 

Lassen Sie uns nach vorne blicken. Wie wird es für Sie weitergehen?

Tom Gröschel:
Ich habe 2008 mit Leistungssport angefangen, das Herz hat sich über diese lange Zeit angepasst und muss jetzt wieder langsam zurückgefahren werden. Ich arbeite bei der Landespolizei in Mecklenburg-Vorpommern und bin froh, dort in der Sportfördergruppe den Rückbauprozess absolvieren zu können. Wie dieser Prozess genau aussehen wird, steht noch nicht ganz fest, aber auf jeden Fall mit weniger Arbeitszeit und entsprechender Zeit fürs Training. Ich habe zuletzt bis zu zwölf Mal die Woche trainiert und hatte von Montag bis Sonntag keinen freien Tag. Der Körper kann nicht auf null oder hobbymäßiges zwei Mal die Woche joggen runtergefahren werden. Das würde dem Herz nicht guttun. Das heißt, ich muss mindestens das nächste Jahr einmal am Tag trainieren und es dann unter ärztlicher Betreuung Stück für Stück auslaufen lassen. Beruflich will ich mich innerhalb der Polizei noch ein bisschen ausprobieren und schauen, in welcher Position ich mich dort langfristig sehe.

Weiterhin besteht der Alltag für Sie also aus viel Training. Freuen Sie sich denn, die Einheiten immerhin lockerer und in reduziertem Umfang angehen zu können?

Tom Gröschel:
Ja klar. Seit Januar habe ich nur noch zuhause in Deutschland trainiert und keine Trainingslager mehr absolviert. Mit eigener Familie wird die Organisation des Trainings immer schwieriger und sich dann auch noch jeden Tag in Norddeutschland bei Schietwetter vor die Tür zu bewegen, bedarf einer großen Menge Motivation. Ich glaube, ich bin Stück für Stück ein bisschen dieser Herausforderung entwachsen. Deshalb ist es jetzt genau der richtige Moment zu sagen, dass es das war.

Könnten Sie sich vorstellen, zukünftig in anderer Art und Weise der Leichtathletik erhalten zu bleiben?

Tom Gröschel:
Auf jeden Fall. Ich habe über den Verband beispielsweise schon die A-Trainer-Lizenz machen dürfen. Und klar, wenn man so lange im Leistungssport steckt, dann kann man das Kapitel auch nicht einfach so zu machen. Ich weiß noch nicht, in welcher Position oder in welchem Rahmen ich weitermachen werde. Im nächsten Jahr steht erstmal die Familie im Vordergrund und dann wird sich zeigen, in welcher Form ich dem Sport ein bisschen was zurückgeben kann.

Foto: Tom Gröschel (TC Fiko Rostock) bei seinem letzten internationalen Einsatz, der WM 2022 in Eugene, Oregon (USA). 

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