| Paralympics

Yannis Fischer: "Ich habe so Bock auf meinen Wettkampf"

© Förderverein Para-Leichtathletik / Tom Weller
Am 30. August starten in Paris die Leichtathletik-Wettbewerbe der Paralympics. Einer von Deutschlands bekanntesten Athleten: Kugelstoßer Yannis Fischer. Obwohl er als Ex-Weltmeister anreist, gelang ihm die Qualifikation nur in letzter Minute. Sein größtes Ziel nach schwierigen Monaten: alles geben und Spaß haben.
DBS / Nico Feißt

Als Yannis Fischer am 11. Juli 2023 in Paris (Frankreich) erstmals Kugelstoß-Weltmeister in der Startklasse F40 wurde, konnte man sich die Frage stellen, wer den kleinwüchsigen Singener in den kommenden Jahren stoppen sollte. Antwort: sein Rücken. Vor einem Jahr jubelte Fischer über WM-Gold und war mit 11,43 Metern nur 17 Zentimeter unter dem Weltrekord geblieben – mit 21 Jahren. Keine zwölf Monate später sah alles ganz anders aus: Der Athlet vom VfB Stuttgart war heilfroh, dass er überhaupt noch für die Paralympics in Paris nominiert wurde.

Der Grund allen Übels: der Rücken. Oder die Bandscheibe. Oder doch etwas anderes. „Offiziell ist es eine Spinalkanalstenose, aber so richtig weiß man nicht, woran es liegt“, sagt Fischer, der 2021 mit 19 Jahren auf Anhieb EM-Bronze bei seinem internationalen Debüt gewonnen hatte und wenig später seine Paralympics-Premiere feierte: „Es fiel mir teilweise schwer, mich ins Bett zu legen oder hinzusetzen, weil alles weh tat. Der Alltag ist jetzt auch das größte Problem, im Training fällt es mir leichter.“

Ab Ende Juli 2023 wurden die Beschwerden schlimmer, der Informatik-Student an der Hochschule für Technik in Stuttgart pausierte. Gegen Jahresende fing er leicht mit Ausfallschritten ohne Gewicht an, „selbst das fiel mir schwer.“ Mit leichten Übungen fand er mit seinem Trainer Peter Salzer zurück, erst im März 2024 hatte er wieder eine 4-Kilo-Kugel in der Hand, um eine Sechs-Viertel-Drehung zu machen. Acht Monate ohne die eigentliche Bewegung, die am Ende essentiell ist im Wettkampf. „Das ist schon heftig, wenn man sich das überlegt“, sagt Fischer nachdenklich: „Und das große Problem ist immer noch nicht gelöst. Ich habe immer noch Schmerzen. Nach den Paralympics muss ich ein paar Ärzte abklappern und nach Lösungen suchen. Ich hoffe, dass es endlich weggeht.“

Nominierung auf den letzten Drücker

Dementsprechend durchwachsen lief die Wettkampfsaison für Yannis Fischer, wobei die 10,64 Meter zum Saisoneinstieg Ende April in Marrakesch (Marokko) für die Umstände gar nicht übel waren. Anfang Mai steigerte sich Fischer sogar auf 10,89 Meter in Rechberghausen. Bei der verschobenen WM im japanischen Kobe durfte Fischer, der auch Stuttgarts Sportler des Jahres 2023 wurde, dann die deutsche Fahne bei der Eröffnungsfeier tragen. Im Wettkampf blieb ihm nur Rang vier – weil zu den Schmerzen noch eine heftige Erkältung und Regen dazu kam. Doch Trainer Peter Salzer hatte schon damals gesagt, dass es eigentlich ein Wunder war, dass Fischer überhaupt in Kobe antreten könne, um seinen WM-Titel zu verteidigen. Und das Highlight Paralympics wartete schließlich noch.

In den weiteren Wettkämpfen konnte Fischer die geforderte nationale Norm von 11,03 Metern nicht mehr erfüllen. Weil Deutschland bei den Männern nur sehr begrenzte Startplätze hatte und auch andere nah an die Norm herangekommen waren, wackelte der Platz des Weltmeisters plötzlich bedrohlich. „Die Phase war schwierig und aufregend für mich. Obwohl ich 2023 Weltmeister war, war nicht sicher, ob ich mitgenommen werde.“ Eine Zitterpartie. Fischer: „Als es dann bekanntgegeben wurde, war ich einfach erleichtert und habe mich gefreut.“

Im Regenfall ein zweites Paar Wurfschuhe

Fischer erfuhr davon, als er beim Training beim Warmmachen war. Trainingskollege Niko Kappel kam an dem Tag später, Trainer Peter Salzer war auf dem Weg zu einem Wettkampf. Dass er die Freude zunächst mit niemandem teilen konnte, war zweitrangig: „Ich habe mich viel mehr gefreut als über die Tokio-Nominierung. Damals war ich noch nicht so gut – ich wäre entweder dabei gewesen oder eben nicht, es wäre nicht so schlimm gewesen. Aber dieses Mal wollte ich als Ex-Weltmeister schon gerne dabei sein.“

Bei den Olympischen Spielen schaute der Kugelstoßer in seiner Disziplin genau hin, nicht nur, weil die deutsche Kugelstoßerin Alina Kenzel (VfB Stuttgart) auch mit ihm in Stuttgart trainiert. „Sorgen macht mir der Ring. Es hat bei Männern und Frauen teilweise geregnet, da sind viele ausgerutscht – vor allem die Dreher. Die Angleiter hatten weniger Probleme“, sagt Fischer, der auch Drehstoßer ist und mit Niko Kappel zusammen direkt handelte: „Wir haben ein zweites Paar Wurfschuhe mit Gummi besohlen lassen, damit wir mehr Grip haben.“

Plan für den 1. September: „Alles geben und Spaß haben“

Am 27. August reist Fischer aus dem Pre-Camp im heimischen Stuttgart nach Paris an und hofft dann, am 1. September einen guten Wettkampf machen zu können. Und vor allem: dass der Rücken hält. „Ich will alles geben, Spaß haben und wenn die Faktoren stimmen, kommt am Ende auch ein gutes Ergebnis raus. Ich habe so Bock auf meinen Wettkampf, das steht an oberster Stelle. Danach kann ich das Dorf und die Stimmung genießen.“

Egal, wie der Wettkampf ausgeht – auch als Ex-Weltmeister kann das Dabeisein erstmal ein großer Erfolg sein. „Egal, wie es ausgeht, ich versuche, in allen Fällen glücklich zu sein. Mein Leben dreht sich nur um den Sport, was auch nicht so schlecht ist. Und am Tag nach meinem Wettkampf, am 2. September, werde ich so oder so morgens wieder im Stadion sein und Niko bei seinem Wettkampf anfeuern.“ Yannis Fischer – Individualsportler und Teamplayer zugleich.

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