39 Jahre lang hielt Helsinki-Weltmeister Patriz Ilg den Meisterschaftsrekord über 3.000 Meter Hindernis. Bis Samstagnachmittag, dann stürmte Frederik Ruppert in Braunschweig in 8:16,98 Minuten zur neuen DM-Bestmarke. Dabei hatte der Tübinger vor den Meisterschaften mit einem nicht auffindbaren Wassergraben-Balken zu kämpfen. Erst ein Olympiasieger sorgte mit einem Baumarkt-Besuch für Abhilfe.
Der finale Feinschliff für die Deutschen Meisterschaften in Braunschweig begann für Frederik Ruppert Anfang der Woche in einem Tübinger Baumarkt. Dort erwarb Dieter Baumann einige stabile Kanthölzer. Sie waren entscheidender Teil eines Selbstbausatzes für ein Hindernis, das kurz darauf in Tübingen zum Einsatz kam. Trainerin Isabelle Baumann, Bundestrainerin und Ehefrau von Barcelona-Olympiasieger Dieter Baumann, ließ ihren Schützling Frederik Ruppert von der LAV Stadtwerke Tübingen im heimischen Stadion noch einmal Wassergrabenüberquerungen üben.
Natürlich verfügt die dortige Anlage über einen Wassergraben. „Doch der Balken war weg, nicht mehr zu finden. Darum haben wir selbst ein Hindernis gebaut und den Wassergraben simuliert“, verriet Frederik Ruppert. Denn genau diese Überquerungen hatten seiner Trainerin bei der EM in Rom vor zwei Wochen nicht so gut gefallen. „Da habe ich jedes Mal einen Meter verloren“, erklärte Frederik Ruppert.
Schneller als Patriz Ilg vor 39 Jahren
Das ungewöhnliche Training mit der Landung auf dem Rasen statt im Wasser sollte Früchte tragen. Mit 8:16,98 Minuten lief Frederik Ruppert am Samstagnachmittag so schnell die 3.000 Meter Hindernis wie kein anderer bei Deutschen Meisterschaften vor ihm. Den 39 Jahre alten Meisterschaftsrekord des ersten Hindernis-Weltmeisters Patriz Ilg steigerte er gleich um dreieinhalb Sekunden. Zudem machte der 27-Jährige dank der starken Zeit und wichtiger Bonuspunkte den Olympia-Startplatz über das World Ranking praktisch perfekt.
Dass das Rennen trotz der Sommerhitze im Eintracht-Stadion nicht langsam werden würde, zeigte sich schon zu Beginn. Auf dem ersten Kilometer sorgte Brian Weisheit – einer des Quartetts vom LSC Höchstadt/Aisch – mit 2:52 Minuten für ein zügiges Tempo. Schon nach dem zweiten Kilometer – zurückgelegt in 2:50 Minuten – lag Frederik Ruppert in Führung. Und dann drehte der ehemalige U23-Europameister richtig auf. Den finalen Kilometer absolvierte er in unter 2:35 Minuten. Um die Pace einzuordnen: Das ist deutlich schneller als das Durchschnittstempo von Lamecha Girma (Äthiopien) bei seinem Weltrekord von 7:52,11 Minuten vergangenes Jahr in Paris.
2023 von Infekt ausgebremst
„Die US-Trials haben mich inspiriert. Auch in Eugene wurde der letzte Kilometer extrem schnell gelaufen“, so Frederik Ruppert. Mit seiner starken Vorstellung unterstrich der Tübinger seine aktuelle Ausnahmeform. Schon bei der EM in Rom hatte er mit Platz vier geglänzt. Dabei verpasste er die Medaillen knapp hinter dem EM-Dritten Karl Bebendorf (Dresdner SC) und blieb nur acht Hundertstel über der direkten Norm für die Olympischen Spiele für Paris (8:15,00 min). „Das war natürlich eine gleich zweifache negative Erfahrung. Aber ich habe mich davon nicht unterkriegen lassen“, so Frederik Ruppert.
Der starke Auftritt bei den Deutschen Meisterschaften war ein weiterer Beleg, dass Frederik Ruppert sein „Seuchenjahr 2023“ überstanden hat. Dort machte ihm sein Körper einen Strich durch schnelle Zeiten. „Ich hatte mit den Nachwirkungen eines Infekts über Monate zu tun“, blickte der Tübinger auf seine Leidenszeit zurück. Nach den Deutschen Meisterschaften in Kassel und einem enttäuschenden sechsten Platz in 8:40,88 Minuten brach Frederik Ruppert seine Saison ab. Um gesund zu werden und sich langfristig auf die Olympiasaison vorzubereiten.
Mit Kumpel Karl Bebendorf nach Paris
Er profitiert mittlerweile von der starken Trainingsgruppe in Tübingen. „Maximilian Thorwirth ist ein toller Trainingspartner. Generell hat das Training ein sehr hohes Niveau“, so der Deutsche Meister, der in Braunschweig seinen ersten Titel vor Velten Schneider (VfL Sindelfingen; 8:26,79 min) und Niklas Buchholz (LSC Höchstadt/Aisch; 8:32,36 min) gewann. Nun geht’s für ihn noch einmal für zweieinhalb Wochen in die Höhe von St. Moritz, um sich auf Paris vorzubereiten.
Mit Karl Bebendorf wird ein zweiter deutscher Hindernisläufer bei den Olympischen Spielen dabei sein. Der EM-Dritte von Rom entschied sich in Braunschweig für den Start über 800 Meter und qualifizierte sich am Samstagabend für das Finale. Beide sind befreundet, laufen aber nicht gern gegeneinander. „Da will natürlich jeder der Bessere sein. Wir geben dann beide 110 Prozent“, so Frederik Ruppert.
Im Olympia-Finale von Paris aufeinanderzutreffen – dagegen hätte das deutsche Duo dann aber sicherlich nichts einzuwenden. „Wenn ich bei den Olympischen Spiele starte, will ich natürlich auch ins Finale kommen“, so Frederik Ruppert. Bis dahin wird er noch einige Wassergrabenüberquerungen trainieren. Nicht nur mit dem Tübinger „Baumarkt-Hindernis“, sondern demnächst auch mit einem eigenen Hindernis zu Hause. „Das bestelle ich aber als fertiges Hindernis“, so der EM-Vierte. Damit bleibt Dieter Baumann ein weiterer Baumarkt-Besuch erspart.