| Interview

Yemisi Ogunleye: „Erster Versuch – direkt Vollgas“

© Christoph Keil
Knaller-Auftakt von Yemisi Ogunleye: Die Mannheimerin hat beim 15. Nordhäuser Kugelstoßmeeting Astrid Kumbernuss als Meetingrekordhalterin abgelöst. Die alte Marke hielt 21 Jahre, ehe die 25-Jährige die 4-Kilo-Kugel am Sonntag auf 19,57 Meter feuerte. Mit dieser Leistung untermauerte sie ihre Ambitionen für einen Start bei der Hallen-WM in Glasgow und bestätigte auch die Olympia-Norm. Im Interview spricht sie über ihren glänzenden Auftakt und innere Ruhe.
Sandra Arm

Yemisi Ogunleye, herzlichen Glückwunsch zu einem mehr als erfolgreichen Auftakt in die Hallensaison. Ihren Sieg haben Sie sich versüßt mit neuer Bestleistung und Meetingrekord. Sind Sie sich dessen bewusst, dass Sie gerade auch die zweimalige Weltmeisterin Chase Jackson besiegt haben?

Yemisi Ogunleye:
Ehrlicherweise muss ich sagen, darüber habe ich bis jetzt nicht nachgedacht. Ich bin nicht nach Nordhausen gekommen und habe gesagt, ich will die Doppel-Weltmeisterin schlagen. Vielmehr ging es für mich darum, in den ersten Wettkampf der Saison mit Spaß und Freude zu gehen, und mit einer Ruhe das abzurufen, was ich zum aktuellen Stand einfach kann. Unerheblich ob ich 18 oder 19 Meter stoße. Aber die 19,57 Meter waren auch für mich schon eine Überraschung, die mich unglaublich gefreut haben.

Gab es keine konkrete Zielstellung für den ersten Wettkampf des Jahres?

Yemisi Ogunleye:
Mein Ziel Nummer 1 war Spaß zu haben. Ich wusste, in Nordhausen ist Stimmung – so wie die Ränge da sind. Ich mag es total, wenn die Leute so begeistert sind. Vor allem vom Kugelstoßen. Die Halle war richtig gut gefüllt. Es hat mich elektrisiert, wie die Zuschauer auf die Athleten eingegangen sind. Es hat Spannung erzeugt. Die Nationalhymne wurde gespielt. Das war einfach umwerfend. Ich bin den Wettkampf reingegangen, erster Versuch – der mich irgendwie an meine Qualifikation von der WM in Budapest erinnert hat, zu lernen einfach direkt Vollgas zu geben. Manchmal zögert man im ersten Versuch. Gebündelt waren in diesem ersten Stoß einfach die Vorfreude auf dieses Jahr wie auch das Gottvertrauen, was ich in meinem Herzen habe. Ich sage mir, mit Gott ist einfach alles möglich. Dass es in diesem Moment passiert ist, war eine große Freude für mich.

Haben Sie schon beim Verlassen der Kugel aus Ihrer Hand gemerkt, das kann jetzt richtig weit gehen?

Yemisi Ogunleye:
Ehrlicherweise war ich ein bisschen überrascht. Ich habe meine Trainerin Iris Manke-Reimers und Techniktrainer Arthur Hoppe auf die Bildschirmanzeige schauen sehen, während ich selbst mit dem Rücken dazu stand. Ich wusste nur, das war jetzt ein neuer Meetingrekord, aber 19,57 Meter, das war schon eine kleine Überraschung, weil man es von meiner Position aus nicht annähernd gesehen hat. Es hat mich sehr berührt, im ersten Stoß zu performen.

Die alte Marke hatte bis zu Ihrem Stoß Astrid Kumbernuss inne, aufgestellt hatte sie den Meetingrekord 2003. Sie haben quasi eine Uralt-Marke verbessert.

Yemisi Ogunleye:
Ich bin in die Halle reingekommen, als sie gerade das Schild an die Matten vom Meetingekord aufgestellt haben. Ich dachte mir, die 19,28 Meter sind schon ziemlich weit. Ich habe mich dann eingestoßen und gemerkt, ich fühle mich gut und mein Körper fühlt sich gut an – das ist bei mir immer so eine Sache. In dem Moment habe ich zu mir gesagt: Komm, setz alles auf den ersten Versuch. Nimm die Vorfreude, die du jetzt in deinem ersten Wettkampf hast, einfach mit und steck das alles in den ersten, zweiten, dritten Versuch. Es war einfach auch mein Ziel, das Niveau zu halten und die Weite nochmals zu stoßen bzw. eventuell noch darüber hinaus.

Sie konnten sich zwar nicht mehr steigern, aber mit Stößen auf 19,04 und 19,40 Meter das hohe Niveau weiter halten, was Sie sicherlich ebenfalls zum Auftakt überrascht hat?

Yemisi Ogunleye:
Wir Athleten haben im Winter eine richtig harte Aufbausaison gehabt, aber man ist trotzdem ein bisschen müde. Und dann in solch einen Wettkampf reinzugehen, wo man sich nicht den allzu großen Druck macht... Wir sind in Deutschland, können einen Wettkampf machen und es sind Leute da, die einfach Bock haben, uns zu unterstützen: Das mitzunehmen, empfinde ich als richtig wertvoll. Daher auch mein Dank an die Familie Hütcher für die fantastische Organisation dieses Kugelstoß-Meetings. Es war einfach nur spitze.

Sie haben sicherlich nichts dagegen, wenn es so weitergeht?

Yemisi Ogunleye:
Jetzt kann es richtig losgehen. (lacht) Nein, wir tun gut daran, den Ball flach zu halten und die Weite zu stabilisieren. Mir war es einfach so wichtig, in einem Feld mit einer Weltmeisterin die Nerven zu behalten. Das ist für einen selbst auch immer etwas Neues. Gerade durch das vergangene Jahr entstehen neue Erwartungen auch von außen. Ich bin einfach in den Wettkampf gegangen, bei dem ich auf mich selbst geschaut und mich auf mich selbst fokussiert habe.

Sie haben mit ihrer Spitzenweite nochmals sämtliche Normen wie für Glasgow (Hallen-WM), Rom (EM) und Paris (Olympische Spiele) übertroffen. Für Ihren ersten internationalen Höhepunkt des Jahres sind Sie schon auf einem sehr guten Weg.

Yemisi Ogunleye:
Ja, auf diesem Weg gilt es gesund zu bleiben und das Niveau beizubehalten. Da lege ich das volle Vertrauen in meine Trainerin und meinen Techniktrainer, dass sie mich da so einstellen, dass ich bis dahin an meinem Peak bin. Wir nehmen die Hallensaison mit, aber der Fokus liegt auf dem Sommer.

Während andere Athleten ihre Prioritäten mehr in Richtung Olympia-Sommer richten, nehmen Sie die Hallensaison mit der Hallen-WM mit. Was spricht für Glasgow?

Yemisi Ogunleye:
Ich muss einfach die Erfahrung sammeln, um auf internationalem Parkett die Nerven zu behalten und performen zu können. Das übt man nur, wenn man einfach unter den Besten steht und stößt – und nicht, wenn man zu Hause bleibt und weiter trainiert. Ich stelle mich der internationale Konkurrenz. Daher finde ich es wichtig, solche Wettkämpfe zu machen.

Mit den erfüllten Normen können Sie sicherlich auch ein Stück weit befreiter in Richtung Sommer mit den genannten Höhepunkten blicken, oder?

Yemisi Ogunleye:
Als ich mich in der Vorbereitung befand, habe ich schon eine gewisse Nervosität bemerkt. Jetzt geht es los, bekomme ich es wirklich auf die Kugel. Natürlich gibt es Einheiten, da läuft es besser, bei anderen wieder nicht. Dann gab es irgendwann mal so ein Moment, in dem ich unzufrieden war mit dem Training. Irgendwann habe ich mich gefangen und mir gesagt: Yemisi, du hast im vergangenen Jahr schon die Norm abgehakt, warum machst du dir so einen Stress? Das gibt einem unheimlich viel, wenn man weiß, man hat diesen Druck einfach nicht.

Nach dem Wettkampf kam die US-Amerikanerin Chase Jackson zu Ihnen. Haben Sie Nummern ausgetauscht?

Yemisi Ogunleye:
Nein. Ich glaube, ihr Mann hat meinen ersten Stoß gefilmt und durch die sozialen Medien möchte man auch Videos haben und das hat sie mir geschickt. Es war jetzt auch nicht der erste Wettkampf, wo ich gegen sie angetreten bin. Sie ist eine lebhafte Person, hat viel drauf und kann noch deutlich weiter stoßen. Es war einfach die Freude, mit so wunderbaren Frauen zu stoßen, die Spaß daran haben, und großartige Persönlichkeiten sind. Das sind sie alle durch die Reihe und das macht so einen Wettkampf auch lebhaft.

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