Zehnkämpfer Amadeus Gräber ist „Jugend-Leichtathlet des Jahres“ 2023. Der 18-Jährige krönte sich bei der U20-EM in Jerusalem mit einer Top-Punktzahl zum Sieger. Im „Mehrkampfzentrum Nauen“ hat er ein perfektes Umfeld gefunden, das ihn nun auch auf seinem Weg zur U20-WM im Sommer begleiten wird.
Wenn Amadeus Gräber (SV Leonardo-da-Vinci Nauen) an seinen Gold-Zehnkampf von Jerusalem (Israel) zurückdenkt, kommt ihm ein ganz bestimmtes Ereignis in den Sinn. „Als Erstes fällt mir die Zeit im Siegerehrungsraum ein, wo ich mit Andrin und Matthias darüber geredet habe, was wir auf dem Podest zusammen machen könnten. Wir haben uns dann einen Edding von einem Offiziellen genommen und ‚LA 28‘ auf unsere Arme geschrieben.“
Ein Verweis auf die Olympischen Spiele 2028 – ein Fernziel für das junge Trio, das bei der U20-EM beeindruckte. Mit 8.009 Punkten knackte Andrin Huber den Schweizer U20-Rekord des heutigen EM-Zweiten Simon Ehammer. 8.052 Zähler führten den Österreicher Matthias Lasch auf den Silberrang. Und für Amadeus Gräber wurden mit acht regulären und einer windunterstützten Bestmarke 8.209 Punkte notiert. Kein Athlet hat je im ersten U20-Jahr eine höhere Punktzahl erreicht.
Neben der Goldmedaille ist dem Zehnkämpfer, der im Februar 19 Jahre alt wird, ein freundschaftlicher Kontakt zu seinem Schweizer Kollegen geblieben. „Ich kannte Andrin vorher gar nicht, aber wir sind an den zwei Tagen so gute Freunde geworden, dass wir uns jetzt noch über Wettkampfergebnisse austauschen“, erzählt Amadeus Gräber.
Optimales Trainingsumfeld
Auf den Rängen des Givat-Ram-Stadions hatte der Brandenburger seinen persönlichen Fanclub dabei: Eltern, Bruder, sein Heimtrainer Manfred Hofmann und dessen zwei Töchter feuerten, ausstaffiert mit Shirts mit dem Aufdruck „Mehrkampfzentrum Nauen“, eifrig an. Die Mehrkämpfer des SV Leonardo-da-Vinci, eine Zehnkampf-, eine Siebenkampf- und eine Nachwuchsgruppe, sind mittlerweile das Aushängeschild des Vereins geworden. „Wir haben anfangs nicht gedacht, dass das so groß und erfolgreich wird.“
Cheftrainer des Mehrkampfzentrums ist Manfred Hofmann. „Er investiert sehr viel Zeit in mich, das ist sehr schön.“ Hauptsächlich trainiert Amadeus Gräber mit den Vereinskollegen Anton Gallas und Fred Isaac Fleurisson, im Vorjahr Deutscher U23-Meister, zusammen – und neuerdings auch mit einem alten Bekannten. U20-EM-Starter Emanuel Molleker hat sich kürzlich der Gruppe angeschlossen. Nach seinem Schulabschluss wurde er auf der Suche nach einem neuen Trainingsumfeld in Nauen fündig. „Da er mich ja kannte, hat er sich erkundigt und fand die Rahmenbedingungen gut“, sagt Amadeus Gräber. „Manu hat sich super ins Training integriert.“
Die optimalen Rahmenbedingungen werden hauptsächlich durch die Förderung durch den Leonardo-da-Vinci Campus geschaffen. Drei Hallen, die sonst zum Turnen oder für Ballspiele genutzt werden, stehen zum Training zur Verfügung. Amadeus Gräber profitiert auch von Kontakten zu Trainern, wie etwa dem Stabhochsprung-Bundestrainer der Frauen Stefan Ritter, der ihn in dieser Disziplin mitbetreut.
Öffentliche Anerkennung
Der Nachwuchsgruppe des Mehrkampfzentrums gehört Amadeus‘ Bruder Caspar, Jahrgang 2009, an. „Er ist sehr engagiert und trainiert jeden Tag“, berichtet der ältere Bruder. „Caspar ist ein guter Mehrkämpfer, aber seine Stärken sehe ich eher im Speerwurf und im Stabhochsprung. Diese Disziplinen stechen bei ihm heraus.“
Der Stabhochsprung war es auch, der bei der U20-EM Amadeus Gräber den Weg zum Sieg ebnete. 5,10 Meter – Meisterschaftsbestwert. Mit seinem Erfolg ist auch die öffentliche Aufmerksamkeit gestiegen. Seine Followerzahl auf der Social-Media-Plattform Instagram hat sich beispielsweise verdoppelt. Der Europaverband European Athletics nahm ihn in die Auswahl zum „Rising Star“ auf, die „Sporthilfe“ nominierte ihn zum „Juniorsportler 2023“.
Zudem hat der 18-Jährige einen Ausrüstervertrag abgeschlossen – bei derselben Marke, die auch Europameister Niklas Kaul (USC Mainz) unter Vertrag hat. Neben Markus Rooth (Norwegen; 8.238 pt) ist der U20-Weltrekordler der Einzige, der in der ewigen U20-Weltbestenliste vor Amadeus Gräber liegt.
Spitzensport und Studium
8.435 Punkte beträgt dessen stolze Bestmarke. Den U20-Weltrekord anzugreifen, steht für Amadeus Gräber nicht im Fokus. Dennoch beschäftigt er sich mit der Punktzahl. „Ich habe schon in 40, 50 Mehrkampfrechner eingegeben, was möglich ist“, sagt er. „Das Ziel jedes Sportlers ist es doch, der Beste zu sein. Und wenn man in der U20 der Beste sein will, führt kein Weg an Niklas vorbei.“
Ziel für den Sommer ist ein erfolgreiches Abschneiden bei der U20-WM in Lima (Peru; 26. bis 31. August). Bis dahin muss Gräber den Spagat zwischen Sport und Studium bewältigen. Seit Oktober studiert er in Potsdam Medizin. An einer Privatuniversität, die mehr Flexibilität bietet. „Ich bin jeden Tag in der Klinik“, erzählt er, „wir Studenten haben uns schon gegenseitig Blut abgenommen und untersucht.“ Die erste Klausur in medizinischer Terminologie hat er bestanden.
Im Sommer wird er ein Semester pausieren, um sich auf die Qualifikation für die U20-WM zu konzentrieren. Wenn er gesund bleibt, traut sich Amadeus Gräber viel zu. „Ich gehe nicht in einen Wettkampf mit dem Ziel, Dritter zu werden. Sondern ich sage: Ich würde gern gewinnen!“ Einen der stärksten Konkurrenten hat er im U20-EM-Fünften Friedrich Schulze (Eintracht Frankfurt), mit dem er gut befreundet ist, ausgemacht. „Ich hoffe, dass ich in Lima zusammen mit Friedrich auf dem Siegerpodest stehe.“