Vor der abschließenden Abendsession haben DLV-Sportdirektor Dr. Jörg Bügner und DLV-Präsident Jürgen Kessing ein kritisches Zwischenfazit der WM in Budapest gezogen. Zugleich betonten beide aber auch, dass sich die Leichtathletik in einem Umbruchprozess befinde, der noch Zeit brauche.
Die Fakten zur WM in Budapest (Ungarn), die am heutigen Sonntag zu Ende geht, lieferte bei der Pressekonferenz im Mannschaftshotel der Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes Dr. Jörg Bügner. „Elf Top-Acht-Platzierungen, zwei deutsche Rekorde durch Geher Christopher Linke, acht persönliche und acht Saisonbestleistungen“, zählte er auf und fügte hinzu: „Das ist im Gesamtkontext ein Zwischenergebnis, das es zu verbessern gilt. Mit dem Ist-Zustand können wir nicht zufrieden sein.“
Zugleich betonte der Sportdirektor, der seit März im Amt ist, jedoch auch, dass erste Veränderungen bereits nach der WM in Eugene (USA) angestoßen wurden. Zu den Maßnahmen zählte neben der Besetzung der Stelle als Sportdirektor auch die Berufung eines „Top Teams“. „Transformation in einem so komplexen System braucht Zeit“, sagte Jörg Bügner. „Wir nehmen tiefe Einschnitte ins System vor, die erst nach einer gewissen Wirkzeit greifen können.“
Distanz zur Weltspitze wieder überbrücken
In vielen Disziplinen hätten die DLV-Athletinnen und -Athleten trotz individuell guter Leistungen den Anschluss zur Weltelite verloren. „Die Weltspitze hat sich signifikant weiterentwickelt. Teilweise reichen deutsche Rekorde nicht mehr zur Medaille, auch das gehört zur Wahrheit. Die Medaillen verteilen sich auf immer mehr Nationen.“ DLV-Präsident Jürgen Kessing ergänzte: „Wir hätten uns diese WM natürlich anders gewünscht. Wir sind nicht hergekommen, um mit leeren Händen wieder nach Hause zu fahren.“ In der finalen Abendsession hat Speerwerfer Julian Weber (USC Mainz) noch die Chance auf Edelmetall.
Drei Komponenten bilden nach Ansicht des Sportdirektors die Erfolgsformel für die Zukunft: „Wir brauchen hochtalentierte Athletinnen und Athleten, die auf dem Zenit ihres Könnens sind. Wir brauchen hochqualifizierte Trainer mit reichhaltiger Erfahrung und wir brauchen optimale Rahmenbedingungen.“ Derzeit stehe der Verband zudem vor der Herausforderung, eine junge Trainergeneration an ihre Aufgaben heranzuführen. „Es gehören auch Erfahrungswerte dazu, die man nur bei großen Wettkämpfen sammeln und an denen man reifen muss.“
Leo Neugebauer glücklich mit WM-Zehnkampf
Wertvolle Erfahrungen hat aus dem Zehnkampf von Budapest Leo Neugebauer (LG Leinfelden-Echterdingen) mitgenommen. Nach einem ersten Tag mit acht Metern im Weitsprung und mehr als 17 Metern im Kugelstoßen belegte der neue Deutsche Rekordler schlussendlich Rang fünf. „Ich hatte Ups und Downs“, resümierte er. „Der zweite Tag hat holprig angefangen, aber ich habe mich aus dem Tief rausgekämpft. Ab dem Stabhochsprung ging es wieder bergauf und ich habe den Wettkampf genossen.“ Der Körper des 23-Jährigen sei nun müde, aber: „Ich bin superhappy.“
Gelernt habe er im WM-Zehnkampf, mit der Rolle des Favoriten umzugehen. „Dieser Wettkampf hat mir viel über mich selbst beigebracht. Am zweiten Tag bin ich anfangs ein bisschen versteift.“ An der Universität in Texas hat er die für sich perfekten Rahmenbedingungen gefunden. Der Zehnkämpfer betonte aber auch: „Es gibt viele Beispiele, bei denen so ein Schritt nicht funktioniert hat. Bei mir hat alles top gepasst, aber die Chance, dass es so funktioniert, ist gering. Jeder hat seinen eigenen Weg.“
Individuell richtige Wege finden
Dieses Statement unterstrich Dr. Jörg Bügner voll und ganz. „Was für den einen gut ist, muss nicht auch für den anderen gut sein. Man kann bestimmte Strukturen nicht einfach jedem überstülpen, sondern muss den individuell richtigen Weg finden.“ Die Zusammenarbeit zwischen dem deutschen Trainerteam, Leo Neugebauers persönlichem Coach Jim Garnham und dem Zehnkämpfer selbst habe hervorragend funktioniert.
Jürgen Kessing lobte zudem die starken Leistungen sowie die gute Organisation der WM. „Wir haben Wettkämpfe auf einem sehr hohen Level gesehen. Man kann das Organisationsteam nur beglückwünschen. Auch das Publikum war sehr fair, das Stadion stand wie ein Block hinter den Athletinnen und Athleten.“ Zuletzt wurde in Ungarn über eine mögliche Bewerbung für Olympische Spiele gesprochen. „Das, was hier geleistet worden ist, war eine gute Generalprobe“, fand Jürgen Kessing.