Stets im Hintergrund, aber doch immens wichtig für Planung, Vorbereitung und optimale Durchführung von Meisterschaften und Trainingslagern: Das Team-Management im Deutschen Leichtathletik-Verband zieht hinter den Kulissen die Fäden. Von zu kleinen Betten im Hotel über zu beantragende Visa vor einer internationalen Meisterschaft bis hin zu abgesagten Flügen – das breit aufgestellte Team findet für alle Probleme eine Lösung.
An den Wänden stapeln sich die Kartons, die Laptops laufen auf Hochtouren, auf dem Boden liegen aufgeklappte Mannschaftskoffer, in denen sich Trikots befinden, sämtliche Tische sind mit Papier bedeckt. Irgendwo dazwischen steht eine Schüssel mit Gummibärchen: dringend benötigte Nervennahrung für Danny Scheinpflug, Silvia Schwinn, Sylvie Müller und Adi Zaar, die an diesem Mittwoch das kurzfristig eingerichtete Team-Management-Büro im Mannschaftshotel in Beschlag nehmen. Nach und nach reisen in diesen Tagen auch die Athletinnen und Athleten, die eine Woche später bei der Heim-EM in München an den Start gehen werden, zum Pre-Camp ins beschauliche Erding an.
Eine Athletin steht vor der Tür, sie hat das Nationalmannschafts-Trikot anprobiert und beklagt, es spanne an den Schultern. Das ist das Stichwort für Adi Zaar, der sich sogleich durch die Kartons wühlt. „Der Einkleidungsprozess liegt seit Jahren in Adis Händen“, erläutert Kollege und Leitender DLV-Team-Manager Danny Scheinpflug. „Die meisten Anliegen, mit denen die Athletinnen und Athleten hier auf uns zukommen, hängen damit zusammen. Die Debütanten haben hier ihre erste Team-Ausrüstung bekommen. Einige andere waren zuletzt Teil des Teams, als es noch die alte Kleidung gab, wir haben nach den Olympischen Spielen einen Kollektionswechsel vollzogen.“
Danny Scheinpflug selbst hat zu Beginn des Jahres die Stelle als Leitender DLV-Team-Manager von seinem langjährigen Mentor Siegfried „Siggi“ Schonert übernommen, der sich in den Ruhestand verabschiedete. Bisher hatte Scheinpflug bereits fünf Jahre Erfahrung im Team-Management gesammelt. 2017 bei den U23-Europameisterschaften in Bydgoszcz (Polen) durfte er, der früher bei der Vermarktungsagentur des DLV und im Veranstaltungsmanagement tätig war, erstmals eine deutsche Nationalmannschaft begleiten.
Viel Zeitaufwand, viele Reisen
Für einen Posten im Team-Management des DLV sind vielfältige Begabungen gefragt: Organisationstalent, eine strukturierte Arbeitsweise, kommunikative Fähigkeiten und nicht zuletzt eine hohe Affinität zur Leichtathletik, die mit der Bereitschaft zu zahlreichen Dienstreisen einhergeht. „Siggi Schonert hat das wunderbar beschrieben: Man sieht immer nur die Reise zum internationalen Wettkampfhöhepunkt“, sagt Danny Scheinpflug. Die Vorbereitung beginne jedoch schon viel früher mit verschiedensten Reisetätigkeiten, um mögliche Pre-Camps zu planen und die entsprechenden Hotels, Trainings- und Transportmöglichkeiten auszuwählen.
Wie zeit- und reiseaufwendig die Vorbereitung einer internationalen Meisterschaft samt Vorbereitungs-Camp ist, hänge vom Austragungsort ab. Für die WM in Eugene sei beispielsweise bereits im vergangenen November eine DLV-Delegation in die USA gereist, um sich verschiedene Camps anzuschauen, erklärt Danny Scheinpflug. Für die finalen Abstimmungen vor Ort seien zudem zwei weitere US-Reisen nötig gewesen.
Für die EM in München sei es dagegen einfacher gewesen: „Wenn wir eine internationale Meisterschaft im eigenen Land haben, ist die Logistik rund um die Reise natürlich einfacher umzusetzen. Wir haben uns letztes Jahr schon mit dem lokalen Organisationskomitee zusammengesetzt und uns die Hotels angeschaut. Dadurch konnten wir schon eine Hand vor den anderen Nationen darauf haben. Das sind die Vorteile im eigenen Land.“
Probleme von der Mannschaft fernhalten
Zu Scheinpflugs Kollegen zählt seit diesem Jahr auch der Deutsche 100-Meter-Rekordler Julian Reus, der nach seinem Karriereende als Teammanager die Disziplingruppe Sprint/Hürde betreut. Danny Scheinpflug ist federführend für die Springerinnen und Springer verantwortlich, Jörg Peter für die Bereiche Wurf/Stoß, Lauf/ Gehen und Mehrkampf.
Bei internationalen Meisterschaften verstärken zudem die Leistungssport-Referentinnen Nicole Großkopf und Silvia Schwinn sowie die Senior Managerin Bundesstützpunkte Sylvie Müller das Team. Während Danny Scheinpflug vornehmlich die Nationalmannschaft der Aktiven begleitet, übernehmen Adi Zaar und Jörg Peter diese Aufgabe für den Nachwuchs.
In Erding ist es unterdessen Abend geworden. Gemeinsam mit einigen Trainern und weiteren Team-Mitgliedern sitzt Danny Scheinpflug auf der Terrasse des Hotels und fachsimpelt mit den Kollegen über die bevorstehende EM. Ein Neuankömmling aus dem Werferlager checkt gerade ein und kommt mit einem Anliegen auf Danny Scheinpflug zu: Das Doppelbett im Hotelzimmer sei für ihn und seinen ebenfalls groß gewachsenen Zimmergenossen zu schmal. Kein Problem für den Team-Manager und Leistungssport-Referenten – ein weiteres Zimmer lässt sich auftreiben, sodass beide Werfer nun ein eigenes Zimmer mit Doppelbett ganz für sich allein bekommen.
Die Jungen und Mädchen für alles
„Es ist unsere Aufgabe, die Rahmenbedingungen für die Athleten möglichst optimal zu gestalten. Das heißt im Pre-Camp: Trainingsbedingungen, Unterkunftsbedingungen, Reisebedingungen“, sagt Danny Scheinpflug. Daher reise immer mindestens ein Team-Manager bereits vor der Ankunft der Mannschaft an. „Ziel ist es, dass die Mannschaft ankommen und sofort einchecken kann. Dafür müssen die Zimmer vorbereitet sein, dafür müssen finale Absprachen mit den Hotelverantwortlichen und den Verantwortlichen von Trainingsstätten getroffen werden.“
Dabei müssen im Vorfeld einer Meisterschaft oder eines Trainingslagers ganz unterschiedliche Dinge bedacht werden: „Wir haben beispielsweise Übersichten, die wir vorher ans Hotel geben, welche Verpflegung ideal ist. Das ist von Disziplingruppe zu Disziplingruppe unterschiedlich. Ein Werfer hat nun mal einen ganz anderen Ernährungsplan als ein Läufer. Das muss natürlich berücksichtigt werden. Es gibt Leute, die sich vegan oder vegetarisch ernähren, Unverträglichkeiten haben. Das sind Besonderheiten, auf die wir eingehen und die wir kennen müssen. Das muss mit denjenigen, die uns die Verpflegung bereitstellen, abgesprochen werden“, erläutert Danny Scheinpflug.
Reise nach Jerusalem als Herausforderung
„Die wichtigste Aufgabe ist aber, die Mannschaft sicher, wohlbehalten und trocken rechtzeitig von A nach B zu bekommen“, sagt Danny Scheinpflug. Ein Unterfangen, das in diesem Jahr einmal fast gescheitert wäre.
Rückblende zum 1. Juli: 50 U18-Talente und ein Betreuerteam, bestehend aus Delegationsleiterin Katrin Heyers, Leistungssportreferentin Nicole Großkopf, Trainerinnen und Trainern, Physios, medizinischem Personal und einer Medienbegleiterin, saßen am Freitagmittag im Flieger gen Israel zu den U18-Europameisterschaften. Alles lief nach Plan – scheinbar. Denn aufgrund des Personalmangels am Frankfurter Flughafen konnte die Maschine nicht abheben. Fast 80 Mannschaftsmitglieder mussten aussteigen und auf anderem Wege nach Israel gelangen, und das möglichst vor Wettkampfbeginn am darauffolgenden Montag.
Kurzfristig wurde mit der Frankfurter Sportschule ein Unterschlupf für die Nacht gefunden. „Hilfreich war, dass wir gut vernetzt sind. Dass wir einen kurzen und engen Draht zu unseren Partnern oder auch zu verschiedenen Unterkünften haben“, blickt Danny Scheinpflug auf diese Herausforderung zurück. Leistungssportreferentin Nicole Großkopf schrieb Listen, sprach mit dem Flughafenpersonal, verhandelte so lange, bis für jedes Teammitglied ein Platz im Flugzeug garantiert war. „Wir haben Kollegen, die keinen Nine-to-Five-Job machen, sondern so lange arbeiten, bis die Lösung gefunden ist“, würdigt Danny Scheinpflug seine Kollegin. Diese Flexibilität sei ein wichtiger Faktor.
„Wir wollen Sicherheit ausstrahlen“
Letztlich konnte das gesamte Team, das ursprünglich auf einen Flug gebucht war, auf mehrere Flüge an verschiedenen Tagen umgebucht werden. „In einer intensiven Zusammenarbeit mit den Trainern ist etwas ganz Großes gelungen, die Mannschaft nach Jerusalem zu bekommen und auf die Wettkämpfe einzustimmen. Die Leistungen haben ja für sich gesprochen“, so Danny Scheinpflug.
Das deutsche Team belegte bei der U18-EM Platz eins in der Nationenwertung und Platz zwei im Medaillenspiegel. Von den Strapazen der Anreise war in Israel nicht mehr viel zu spüren. „Wichtig ist in solchen Situationen, dass wir Sicherheit ausstrahlen. Dass keiner unruhig wird oder in Panik verfällt. Wir wollen vermitteln: Wir finden Lösungen, wir haben es im Griff“, sagt Danny Scheinpflug.
Der Personalmangel am Frankfurter Flughafen und auch die Corona-Pandemie erschwerten in den vergangenen Jahren viele Planungen. Generell gilt: Vieles kann erst kurzfristig festgezurrt werden. Monate im Voraus wird bei einer internationalen Meisterschaft eine Longlist an möglichen Teilnehmenden und Betreuenden erstellt. Flüge werden geblockt, je nach Austragungsort müssen Visa beantragt und Impfungen organisiert werden – und das für einen viel größeren Personenkreis, als letztlich tatsächlich bei der Meisterschaft vor Ort sein wird. Der Grund: Da der Nominierungszeitraum erst kurz vor den Meisterschaften endet, kann die Einladung erst unmittelbar vor dem Jahreshöhepunkt ausgesprochen werden – so bleibt keine Zeit mehr für ausgiebige Vorbereitungen.
Team-Aufstellung als Gratwanderung
Für die Team-Manager heißt das zugleich: Eine exzellente Abstimmung mit den Bundestrainern und Leitenden Bundestrainern ist gefordert, um alle möglichen Kandidatinnen und Kandidaten für einen Startplatz auf dem Schirm zu haben. Die Kommunikation mit den Athletinnen und Athleten sowie den Trainerteams funktioniere gut – ganz entscheidend seien derzeit auch die Erfahrungen, die Julian Reus aus seiner eigenen Erfahrung als ehemaliger Athlet einbringe: „Er hat wunderbare Kontakte zu allen Trainern, weil es teilweise seine eigenen Trainer waren. Außerdem ist er mit Athleten eng vernetzt und kann so Bedarfe ermitteln und diese dann ins Team transportieren.“
Nicht nur die Athletinnen und Athleten, sondern auch das Trainer- und Betreuerteam benötigt bei Meisterschaften offizielle Akkreditierungen des ausrichtenden Dachverbandes. „Man könnte meinen: Je größer das Team, desto mehr Akkreditierungen für Offizielle haben wir. Aber gleichzeitig steigt natürlich mit der Anzahl der Athleten auch der Bedarf an Trainern und Physios. Das ist ein diffiziles System, in dem wir ausgewogen entscheiden müssen im Sinne der bestmöglichen Betreuung für die Athleten“, sagt Danny Scheinpflug. Dabei arbeitet das Teammanagement eng mit der sportlichen Leitung zusammen.
Umzugsunternehmen Team-Management
Und noch etwas zeichnet das Team-Management aus: „Wir könnten auch als Umzugsunternehmen durchgehen“, sagt Danny Scheinpflug mit einem Schmunzeln. Ob Teamkleidung, medizinisches Equipment oder Kühltruhen für die Straßenwettbewerbe – in Absprache mit dem medizinischen Fachpersonal („In Corona-Zeiten haben der Leitende Verbandsarzt Andrew Lichtenthal und ich fast jeden Tag telefoniert“) haben die Team-Manager stets alles dabei. „Wir haben sogar Planschbecken dabei, um die Athleten auch vor dem Start entsprechend zu kühlen“, erzählt Danny Scheinpflug.
Wichtig sei bei aller Organisation und Planung vor allem eine entsprechende Kommunikation. „Wir haben jeweils einen sehr engen Draht zum Leitenden Bundestrainer unserer Disziplingruppe, weil man permanent in Vorbereitung der Trainingslager in Abstimmung ist, aber auch mit den weiteren Bundestrainern und den Athleten, weil man gerade in Trainingslagern sehr gut ins Gespräch kommt und dann auch eine persönliche Beziehung aufbaut und dadurch Informationen bekommt, die ganz wichtig sind“, sagt Danny Scheinpflug. „Dadurch ist eine gewisse beidseitige Wertschätzung vorhanden, von der alle Seiten profitieren.“
Ein wichtiger Baustein im Team sei auch der große vorhandene Erfahrungsschatz. „Jörg Peter beispielsweise bringt aufgrund seiner langjährigen Arbeit im Nachwuchs sehr viel Erfahrung mit, die er jetzt gewinnbringend in die A-Nationalmannschaft einfließen lässt.“, beschreibt Danny Scheinpflug das Mannschaftsgefüge. Generell betont er: „Ohne den vollen Einsatz jedes Einzelnen und den Zusammenhalt in unserem Team, wäre die Organisation und die reibungslose Planung unserer Nationalmannschaften bei Meisterschaften so nicht machbar.“ Und fügt hinzu: „Das Schönste ist das Teamgefühl.“