Am Dienstag war Halbzeit bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2022 in Eugene. DLV-Chefbundestrainerin Annett Stein bewertet die ersten Wettkampf-Tage aus deutscher Sicht und blickt voraus auf die folgenden Entscheidungen.
Die erste Hälfte der Weltmeisterschaften 2022 in Eugene, Oregon (USA) liegt hinter der deutschen Nationalmannschaft, bisher waren neun Athletinnen und Athleten in einer Finalentscheidung im Einsatz oder schafften den Sprung in das Finale ihres Wettbewerbes. Eine deutsche Top Acht-Platzierung gelang bis zur Halbzeit nicht. So lesen sich die nackten Fakten rund um die deutschen Auftritte, die DLV-Chefbundestrainerin und DLV-Vorstandsmitglied Annett Stein am Mittwoch noch einmal einordnete.
„Der Zeitplan von Weltmeisterschaften bringt es für uns oftmals mit sich, dass die Highlights aus deutscher Sicht am Ende liegen – so auch bei diesen Titelkämpfen“, erläutert Annett Stein und stellt fest: „Von den bisher gestarteten Athletinnen und Athleten waren ein Großteil mit einer Platzierung jenseits der Top 25 der Welt angereist, vor diesem Hintergrund muss man das bisherige Abschneiden jeweils individuell bewerten. Woher sollen da die Top-Acht-Platzierungen und Medaillen kommen?“ Podiums- und Finalplatzierungen seien naturgemäß für Athlet:innen mit erfüllter Norm oder vorderen World-Ranking-Platzierungen wahrscheinlicher.
WM-Nominierung auf Basis erfüllter Nominierungskriterien
Kritik an der Mannschaftsgröße ordnete sie unter anderem mit Verweis auf die internationalen Rahmenbedingungen ein und betonte, dass alle nominierten Athletinnen und Athleten die Zugangsvoraussetzung gemäß Qualifikationssystem erfüllt haben: „Hier sind wir eng an das neue System von World Athletics gebunden, bei dem neben anspruchsvollen Normen auch das World-Ranking-Verfahren zum Tragen kommt.“ Die Leichtathletik sei eine messbare Sportart, daher seien auch Nominierungskriterien transparent und verbindlich – kein Athlet könne ohne erfüllte Zugangsleistungen nominiert werden.
Den Start auf internationaler Ebene, besonders im Weltvergleich, ordnete sie für junge Talente als wesentlichen Baustein für die Entwicklung von Wettkampfkompetenz für folgende internationale Höhepunkte ein. „Eine Drucksituation wie zum Beispiel in einer WM-Qualifikation kann man weder im Training noch in Meetings simulieren, das bestätigen auch erfahrene Athletinnen und Athleten. Daher ist es im Übrigen ungleich schwerer, in dieser Situation persönliche oder Saison-Bestleistungen zu erzielen.“
Jacqueline Otchere nutzt ihre Chance
Gut genutzt hat ihre Chance auf dem Weg in die europäische Spitze Stabhochspringerin Jacqueline Otchere (MTG Mannheim): Als WM-Nachrückerin meisterte sie die Qualifikation fehlerfrei und sprang im Finale auf Platz zehn. Die 1.500 Meter-Läuferinnen Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen) und Katharina Trost (LG Stadtwerke München) zeigten zwei hochklassige Rennen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen und verpassten die Finalteilnahme nur knapp. Siebenkämpferin Sophie Weißenberg (TSV Bayer 04 Leverkusen) gehört die Zukunft, sie konnte in einzelnen Disziplinen bereits andeuten, dass sie das Potenzial hat, zukünftig mit der Weltspitze mitzuhalten.
Jedoch müsse man auch festhalten, dass einige Athletinnen und Athleten in den Vorrunden von Eugene zu deutlich unter ihren Vorleistungen geblieben sind. „In einigen Fällen ist es nicht gelungen, das Leistungsvermögen abzurufen“, bilanziert Annett Stein. Sehr enttäuscht waren zum Beispiel die Mitglieder der 4x400 Meter Mixed-Staffel, die den erhofften Sprung ins Finale verpassten. Im Diskuswurf der Männer konnte keiner der drei deutschen Teilnehmer ins Finale einziehen.
„Wir haben als Deutscher Leichtathletik-Verband in Vorbereitung des Doppel-Höhepunkts WM und EM Rahmenbedingungen für den optimalen Vorbereitungs- und Trainingsprozess geschaffen“, erklärt Annett Stein. „Das tägliche Training wird am Standort mit den Athleten- und Trainerteams individuell gestaltet. In den Fällen, in denen es nicht gelungen ist, den Fokus in der Folge der internationalen Höhepunkte zunächst voll auf die WM zu richten, werden wir dies evaluieren und aufarbeiten.“
Vorfreude auf Highlights mit deutscher Beteiligung
Nach einer Einordnung der ersten Wettkampf-Tage richtete Annett Stein den Blick voraus auf die kommenden Tage, in der die Weltmeisterschaften aus deutscher Sicht erst richtig Fahrt aufnehmen sollen. Die deutschen Diskuswerferinnen haben mit dem geschlossenen Einzug ins Finale am Mittwoch, wo auch Gesa Krause über die Hindernisse wieder auf der Bahn steht, die zweite Hälfte der WM eingeläutet.
„Ich bin mir sicher, dass wir noch einige Highlights und auch deutsche Medaillen erleben werden“, sagte Annett Stein. „Ich freue mich neben den Diskus- und Hindernis-Finals der Frauen zum Beispiel auf die Speerwerfer und Stabhochspringer, auch auf unsere schnellen Staffeln. Im Zehnkampf werden wir mit vier Athleten vertreten sein. Und nicht zuletzt kommt noch der Weitsprung mit unserer Olympiasiegerin Malaika Mihambo.“
WM 2022 Eugene