In luftigen Höhen Wohnen und Trainieren – wozu Athletinnen und Athleten bisher immer ins Trainingslager reisen mussten, ist nun mitten in der Pfalz möglich. Am Dienstag haben Vertreter des DLV das erste Höhenhaus Deutschlands vorgestellt, welches künftig einen wichtigen Baustein im Training von DLV-Ausdauerathleten einnehmen soll.
Sie sind einmalig in Deutschland und können seit wenigen Tagen offiziell bewohnt werden: Die Höhenkammer-Wohnungen in Herxheim in der Pfalz sind die ersten ihrer Art und sollen in Zukunft ein wichtiger Baustein im Training der deutschen Leichtathletinnen und Leichtathleten werden.
„Es wurden komplexe Rahmenbedingungen geschaffen, die wir so bisher nicht in Deutschland vorfinden konnten. Höhentraining ist ein essentieller Bestandteil in Trainingsprozess der Ausdauerdisziplinen, das wir mit dieser Idee deutlich viel variabler gestalten und umfassend sportwissenschaftlich begleiten können. Das Trainerteam von Chefbundestrainerin Annett Stein plant in einem Zeithorizont von acht bis zehn Jahren und möchte in dieser Zeit einen deutliche Leistungsentwicklung erreichen“, sagte Idriss Gonschinska, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), am Dienstag in der DLV-Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung des Trainingszentrums.
Integriert sind die Höhenkammer-Wohnungen in das bereits bestehende Gesundheits- und Rehazentrum von Geschäftsführer Johannes Eisinger, das der DLV bereits seit längerer Zeit für seine Top-Läuferinnen und -Läufer nutzt. Neben den bereits bestehenden Massage-Geräten, Tools zur Regeneration, Anti-Schwerkraft-Laufbändern und einer Kältekammer kann der Verband mit dem Höhenhaus nun sein Angebot im Bereich des Höhentrainings für den Bereich Lauf/Gehen komplettieren.
Vier Doppelzimmer stehen zur Verfügung
In vier Doppelzimmern, die auch einzeln genutzt werden können, und auf einer eigenen Trainingsfläche können die Ausdauer-Athleten künftig verschiedene Höhen – bis maximal 5.000 Höhenmeter – simulieren. Jeder Wohn- und Trainingsbereich ist luftdicht versiegelt und kann auf das gewünschte Höhenlevel eingestellt werden. Frische Höhenluft mit reduziertem Sauerstoffgehalt wird dabei über ein Röhrensystem in die Räume geleitet. Durch das simulierte Höhentraining sollen Ausdauersportler mehr rote Blutkörperchen bilden, um leistungsfähiger zu sein. Höhentrainingsreize, für die Athletinnen und Athleten bisher nach Iten, Flagstaff oder St. Moritz reisen mussten, können somit ab sofort mitten in Deutschland realisiert werden.
„Ich bin dem DLV sehr dankbar, dass sie uns hier in Herxheim das Vertrauen schenken, um den Leistungssport weiter voranzubringen“, sagte Geschäftsführer Johannes Eisinger im Rahmen der PK, der zugleich klarmachte, dass das Zentrum künftig auch für andere Sportarten zur Verfügung stehe, die Leichtathletik jedoch Vorrang habe. Johannes Eisinger ist selbst ehemaliger Leichtathlet, lief die 3.000 Meter einst unter acht Minuten und ist bis heute eng mit der Sportart verbunden.
Das Projekt in Herxheim sichere dem DLV eine relative Unabhängigkeit von Auslaufsaufenthalten – insbesondere in der Hochphase der Corona-Pandemie habe man erlebt, wie wichtig das sei, sagte der leitende Bundestrainer für den Lauf- und Gehbereich, Werner Klein. Prof. Dr Rainer Knöller, Head of Science im DLV, ergänzte: „Durch die Möglichkeiten einer komplexen sportmedizinischen und sportwissenschaftlichen Begleitung der Athletinnen und Athleten unter simulierten Höhenbedingungen werden wir enorm im Sinne der individuellen Trainingssteuerung profitieren.“ Er empfehle Athletinnen und Athleten auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse einen Aufenthalt von 16 bis 18 Stunden im Höhenhaus.
Melat Kejeta: „Das Zentrum hat alles, was man braucht“
Athleten würden sehr individuell auf Höhentraining reagieren, sagte Prof. Dr. Karsten Hollander, Leitender DLV-Verbandsarzt Lauf/Gehen. „Manche Körper sprechen sehr stark darauf an, andere weniger.“ Mit dem Höhenhaus müsse ein Athlet nun nicht mehr eine lange Reise auf sich nehmen, um Höhentraining erstmals kennenzulernen.
Einer jener jungen Athleten, die ins Höhenhaus einziehen werden, ist Nachwuchs-Athlet Christoph Schrick. Der 1.500-Meter-Läufer bereitet sich dort in dieser Woche auf die Jugend-DM am kommenden Wochenende in Ulm vor. Für den Nachwuchskader kann dabei ein kontrollierter und langsamer Einstieg ins Höhentraining gewährleistet werden.
Doch auch die absoluten Spitzenathleten sind bereits vom Projekt in Herxheim angetan. „Ich war schon zwei Mal zur Reha hier – das Zentrum hat alles, was man braucht. Jetzt muss ich in Zukunft für Trainingslager auch nicht mehr so lange fliegen, das ist eine tolle Sache“, sagte die Olympia-Sechste im Marathon Melat Kejeta (Laufteam Kassel). „Das ist ein echter Meilenstein für den Bereich Ausdauer und vor allem eine riesen Chance, die wir nutzen wollen und werden“, sagte abschließend Werner Klein, Leitender DLV-Bundestrainer Lauf/Gehen.