Kevin Kranz, Joshua Hartmann, Owen Ansah und Lucas Ansah-Peprah haben am Freitag in Regensburg die erste deutsche Staffelzeit unter 38 Sekunden auf die Bahn gebracht. Auch in weiteren Wettbewerben zeigte sich: Die deutschen Sprinter sind bereit für den WM- und EM-Sommer.
Irgendwann ist die erste Zeit unter 38 Sekunden fällig. Das stand fest, spätestens nachdem sich Julian Reus, Tobias Unger, Alexander Kosenkow und Lucas Jakubczyk dieser Marke im Jahr 2012 in Weinheim bis auf zwei Hundertstel genähert hatten. Seitdem hat sich im deutschen Sprint ein Generationen-Wechsel vollzogen, bei dem zuletzt viele große Talente ins Rampenlicht geprescht sind. Am Freitag brachten vier von ihnen ihre Schnelligkeit gemeinsam auf die Bahn: Im Rahmen der Langen Laufnacht von Regensburg waren sie über 4x100 Meter schon nach 37,99 Sekunden im Ziel.
Die Rede ist von Kevin Kranz (Sprintteam Wetzlar; 23), Joshua Hartmann (ASV Köln; 22), Owen Ansah (21) und Lucas Ansah-Peprah (beide Hamburger SV; 22). Im Anschluss an eine Kader-Maßnahme mit einem Staffel-Lehrgang brachten sie als DLV-Staffel I den Stab so schnell um die Stadionrunde wie noch keine deutsche Staffel vor ihnen.
Doch auch hinter ihnen zeigte sich, dass das Bundestrainer-Team bei der Besetzung der Staffeln in Zukunft die Qual der Wahl haben wird: Deniz Almas (VfL Wolfsburg), Julian Wagner (LC Top Team Thüringen), Milo Skupin-Alfa (LG Offenburg) und Marvin Schulte (SC DHfK Leipzig) konnten in 38,67 Sekunden ebenfalls mit einer schnellen Zeit überzeugen.
"Sehr, sehr hohes Potenzial"
Einer, der schon seit 2006 in vorderster Reihe um die erste 37er Zeit kämpft, ist Bundestrainer Ronald Stein. Er war dabei, als 2012 in Weinheim der 30 Jahre alte deutsche Rekord fiel, den zuvor eine DDR-Staffel gehalten hatte. Und er hatte seinen Athleten in diesem Jahr gesagt: "Männer, zehn Jahre sind rum, es wird Zeit...!" Dass der nächste Rekord aber schon im ersten Rennen der Saison fallen würde, davon war auch Ronald Stein überrascht – zumal zuvor beim Warmmachen noch alle drei Wechsel schiefgelaufen waren. "Dann haben sie sich aber noch mal zusammengerissen. Das war schon sehr, sehr stark."
Zugetraut hatte er seinen Schützlingen eine schnelle Zeit allemal: "Sie sind extrem gut in Form", sagte er, "einen Rekord läuft man nicht nur mit drei schnellen Wechseln, da muss auch die läuferische Form passen." Dabei bezieht er explizit auch jene Athleten mit ein, die nicht in der ersten DLV-Staffel zum Einsatz gekommen waren: "Sie haben auch Potenzial und gute Wechselfähigkeiten, da herrscht ein guter Konkurrenzkampf und eine extrem gute Dynamik." Ebenso wie im Team der Bundes- und Heimtrainer, Mediziner und Biomechaniker, die das Rennen jetzt auswerten werden, um noch weitere Hundertstel rauszukitzeln. "Das darf nicht das Ende der Fahnenstange gewesen sein", betont Ronald Stein.
Guter Auftakt auch für die Sprinterinnen
Mit ihrem Feuerwerk stellten die DLV-Sprinter dieses Mal die DLV-Sprinterinnen in den Schatten, die in den vergangenen Jahren schon so oft mit Weltklasse-Zeiten begeistert hatten. Für Lisa-Marie Kwayie (Neuköllner SF), Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar), Gina Lückenkemper (SCC Berlin) und Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar) blieben die Uhren bei 42,56 Sekunden stehen. Zum Vergleich: Im Vorjahr war das DLV-Quartett in 42,12 Sekunden auf Platz fünf der Olympischen Spiele gerannt – damals mit Alexandra Burghardt (LG Gendorf Wacker Burghausen) und Tatjana Pinto (TV Wattenscheid 01), die in Regensburg fehlten.
"Wir hatten hier in Regensburg von Dienstag bis Sonntag die erste richtige gemeinsame Staffel-Maßnahme. Wir haben auch ein bisschen ausprobiert. Dafür bin ich zufrieden", stellte Ronald Stein fest. Mit einem Einsatz von U23-Europameisterin Lilly Kaden (LG Olympia Dortmund) auf Position drei der dritten DLV-Staffel zum Beispiel testete der Bundestrainer schon für die Zukunft mögliche Optionen. "Die Wechsel waren gut, da kann man nichts sagen. Jetzt geht's darum, dass alle im Einzel ihr läuferisches Potenzial ausschöpfen."
U20-Athleten mit Normen für Cali
Auch die deutschen 4x400 Meter Staffeln tasteten sich mit einem ersten Rennen an die optimale Besetzung heran. Dabei durfte bei den Männern Zehnkämpfer Malik Diakité (Hannover 96) in der Staffel DLV I als Startläufer ran, er brachte Torben Junker (TV Wattenscheid 01), Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz) und Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund) auf dem Weg zum Sieg in 3:04,18 Minuten. Die schnellste DLV-Staffel der Frauen lief mit Corinna Schwab (LAC Erdgas Chemnitz), Luna Thiel (VfL Eintracht Hannover), Alica Schmidt (SCC Berlin) und Karolina Pahlitzsch (LG Nord Berlin) nach 3:28,58 Minuten ins Ziel.
Mit Zeiten von 40,06 und 43,80 Sekunden über 4x100 Meter deutete darüber hinaus der deutsche Sprint-Nachwuchs in Regensburg sein Potenzial an: Sowohl in der männlichen als auch in der weiblichen U20 fielen die Normen für die U20-WM in Cali (Kolumbien; 1. bis 6. August) deutlich. Dasselbe gilt nach einer Zeit von 3:38,07 Minuten auch für die Athletinnen der deutschen 4x400 Meter Staffel.
Owen Ansah mit EM-Norm
Wie gut die individuelle Form ist, unterstrichen einige der DLV-Sprinter später noch mit einem Start über 100 Meter. Allen voran: Owen Ansah. Der Hamburger, der seit dem vergangenenen Jahr in Mannheim lebt und trainiert, steigerte sich um 21 Hundertstel auf 10,08 Sekunden und war damit schnellster DLV-Athlet des Abends – obwohl er bisher eigentlich als Deutscher Meister im Freien und in der Halle eher auf den 200 Metern zuhause war. Hinter ihm rannte auch sein Trainingspartner Lucas Ansah-Peprah (10,11 sec) zu einer Bestzeit und zur EM-Norm für München (15. bis 21. August).
Nur von hinten zuschauen konnte dieses Mal Kevin Kranz: Beim Abdrücken am Start löste sich sein Startblock von der Bahn und flogen nach hinten weg. So war das Rennen für ihn direkt gelaufen, denn der Start wurde nicht zurückgeschossen. Bei seinem Heimspiel kann er wieder zeigen, was in ihm steckt: Am 11. Juni steht er in Wetzlar das nächste Mal im Startblock.
Jennifer Montag und Lilly Kaden zeitgleich
Im Frauen-Rennen kamen Jennifer Montag (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Lilly Kaden (LG Olympia Dortmund) nach 11,38 Sekunden zeitgleich ins Ziel und blieben damit zwei Hundertstel unter der deutschen Bestzeit. Über 400 Meter Hürden stieg die Deutsche Meisterin Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen) noch verhalten in 57,34 Sekunden in die Saison ein.
Für souveräne Heimsiege in den abschließenden 3.000 Meter-Rennen mussten die Lokalmatadoren Simon Boch (8:08,74 min) und Miriam Dattke (9:34,85 min) längst nicht alle Karten aufdecken. Schnellster Deutscher beim Sieg des Briten George Mills (1:48,02 min) über 800 Meter war überraschend Rocco Martin (SG Motor Gohlis-Nord Leipzig; 1:48,79 min) vor dem Deutschen Meister Marvin Heinrich (Eintracht Frankfurt; 1:49,65 min) und Conrad Kieselberger (SC DHfK Leipzig; 1:49,70 min).
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