Sarah Vogel, U20-Europameisterin im Stabhochsprung, gehört gemeinsam mit vier anderen Talenten zu den Nominierten für die Juniorsportler:in des Jahres-Wahl der Deutschen Sporthilfe. Seit 1978 sind bereits etliche sportliche Größen wie Franziska van Almsick (Schwimmen), Laura Dahlmeier (Biathlon) oder Niklas Kaul ausgezeichnet worden. Doch welche Person steckt eigentlich hinter der erfolgreichen Stabhochspringerin Sarah Vogel? leichtathletik.de hat mit ihr gesprochen.
Noch bis zum 23.Oktober kann für Sarah Vogel bei der Juniorsportler:in des Jahres-Wahl der Deutschen Sporthilfe abgestimmt werden. Am 20. Oktober folgt ein Portrait zu Nachwuchs-Weitspringer Oliver Koletzko (Wiesbadener LV), der ebenfalls für die Wahl nominiert ist.
Dass Sarah Vogel (LG Seligenstadt) ihren Weg in die Leichtathletik finden würde, war eigentlich abzusehen: So ist Papa Michael selbst Trainer in der Leichtathletik. „Schon als kleines Kind, noch bevor ich richtig laufen konnte, hat er mir im Garten verschiedene Parcours gebaut. Irgendwie hatte ich keine andere Wahl“, erzählt die 19-Jährige von der LG Seligenstadt mit einem Lachen in der Stimme. Seit 2013 liegt der Fokus auf dem Stabhochsprung.
Krönen konnte sie die frühe Förderung ihres Talentes dieses Jahr mit ihrem bisher größten Erfolg: Gold bei den U20-Europameisterschaften 2021 in Tallinn (Estland). Viele weitere Erfolge deuteten vorab darauf hin, dass die junge Athletin bereit für die ganz großen Höhen ist. So konnte Sarah Vogel schon das European Youth Olympic Festival (EYOF) 2019 in Baku (Aserbaidschan) für sich entscheiden. Zudem ist sie die amtierende Deutsche U20-Meisterin und hat eine Bestleitung von 4,30 Meter zu Buche stehen.
Trotz ihrer beachtlichen Erfolge kam die EM-Nominierung für Sarah Vogel sehr überraschend: „Es ist natürlich eine Anerkennung meiner sportlichen Leistung, aber auch die Möglichkeit zu zeigen, dass hinter jeder Leistung eine Geschichte und hinter jedem Sportler auch ein Mensch steht. Für mich ist es immer etwas Besonderes, wenn auch andere Sportarten beteiligt sind und man über den eigenen Tellerrand hinausschauen kann“, sagt sie.
„Gleichgewicht aus Kraft, Technik und turnerischen Fähigkeiten“
Der größte Reiz für die Disziplin liege in der Harmonie, die man den ganzen Sprung über mit dem Stab haben müsse, erzählt sie. „Man arbeitet mit dem Stab und nicht dagegen und dabei geht es auch nicht immer um das Maximum, sondern eher um ein Optimum. Es muss immer ein Gleichgewicht herrschen zwischen Kraft und Technik und turnerischen Fähigkeiten“, erklärt Sarah Vogel.
Ihre großen Stärken sieht Vogel selbst in der Fähigkeit, auf den Punkt abliefern zu können und in der positiven Umwandlung von Stress. „Eine große Stärke von mir ist auch, dass ich ein gutes Körpergefühl und ein gutes Zeit-Raum-Gefühl habe. Ich kenne mich und meinen Körper und weiß ganz genau, wann es mal zu viel ist und wann der Moment ist, sich durchzubeißen, und dann beiße ich mich auch durch“, erklärt sie selbstbewusst.
Dennoch gebe es definitiv auch einige Stellen, an denen sie noch Potenzial habe, betont sie. „Bisher habe ich hauptsächlich von meiner Physio gelebt. Ich bin leider sehr verletzungsanfällig und habe immer mal wieder eine Kleinigkeit.“ So muss sie leider auch derzeit das spezielle Training pausieren und sich von einer Operation am Arm erholen. Läuft die Genesung nach Plan, kann sie Anfang nächsten Jahres wieder ins Training einsteigen.
4,64 Meter als persönliches Ziel
Bei der Frage nach den langfristigen Meilensteinen muss Sarah Vogel nicht lange überlegen: „Als Karriereziel kann man schon die Olympischen Spiele nennen.“ Im Hinterkopf habe sie natürlich die magische 5-Meter-Grenze, die bisher überhaupt nur vier Frauen übersprungen konnten. Doch vor allem ein persönliches Ziel stehe im Fokus: „Für mich würde ich gern 4,64 Meter springen, weil meine Trainerin Nastja Steinbeck 4,63 Meter als Bestleistung hat“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.
Wie für viele Athletinnen und Athleten wäre auch für Sarah Vogel die Heim-EM in München 2022 etwas ganz Besonderes. „Mit 4,45 Metern ist die Qualifikations-Höhe schon noch ein Stück entfernt“ räumt sie ein. Trotz Verletzung ist sie im Hinblick auf diesen Höhepunkt optimistisch, ergänzt jedoch: „Ich bin ja nicht die Einzige, die dorthin fahren möchte.“
Neben all den Wettkampf-Zielen steht für Sarah Vogel nach einer schwierigen Zeit aber vor allem etwas ganz Anderes im Mittelpunkt: „Ich möchte einfach Spaß daran haben, was ich mache. Ich habe vor allem im letzten Jahr den Spaß wieder neu entdeckt und das möchte ich mir gern erhalten“, erklärt sie. Denn sie war schon einmal kurz davor, den Stab in die Ecke zu stellen und sich ganz auf ihr Studium zu konzentrieren.
Lernen von den Mehrkämpfern
Schuld daran war das sogenannte „Durchlauf-Phänomen“, aus dem man nur sehr schwer wieder rauskomme. Man habe Angst vor dem Springen und allem, was man tue. „Ich hatte Angst Fehler zu machen. Ich hatte Angst etwas richtig zu machen. Ich hatte Angst überhaupt zu springen“, sagt Sarah Vogel und führt weiter aus: „Wenn man das zwei oder drei Mal macht, ist das eine Sache, aber wenn man damit Wochen und Monate zu kämpfen hat, wird das immer schlimmer und man hinterfragt alles. Ich habe inzwischen einen Weg gefunden, damit umzugehen, aber es ist viel Arbeit“, unterstreicht sie.
Daran anknüpfend erzählt sie, dass sie gern einmal mit Ashton Eaton (USA), zweimaliger Olympiasieger im Zehnkampf, trainieren würde: „Ashton Eaton hat mal gesagt: ´Ein wahrer Champion macht aus einer sehr schlechten Einheit, eine sehr gute Einheit´. Wie das bei ihm so aussieht, würde ich gerne mal erleben.“ Allgemein trainiere sie lieber allein oder zusammen mit Mehrkämpfern, „weil man von denen so viel lernen kann zu den Themen Ansteuerung oder Durchhaltevermögen. Die haben zehn Disziplinen und müssen in allem gut sein. Wenn man aus einer Einzeldisziplin kommt, ist das sehr bereichernd“, erzählt sie.
Eigene Trainerin als großes Vorbild
Wenn sie über ihre Vorbilder spricht, fällt als erstes der Name ihrer Techniktrainerin "Nastja". Von Anastasija Steinbeck, geb. Ryzih – Olympia-Teilnehmerin 2008 in Peking mit einer Bestleistung von 4,63 Metern – habe sie alles gelernt, was man über die Disziplin wissen müsse: „Vom kleinsten Schritt, wie halte ich den Stab richtig, über das Verhalten bei einer unverhofften EM-Siegerehrung bis hin zur Etablierung in der Weltspitze und wie das funktionieren könnte.“
Die immer gleichen Wettkampf-Rituale helfen ihr bereits jetzt, eine gewisse Wettkampf-Routine zu etablieren: „Ich habe immer die gleiche Frisur, schminke mich, trage immer die gleichen Ohrringe und ich höre immer die gleichen Lieder in der gleichen Reihenfolge. Als letztes steht immer ´Unstoppable´ von Sia auf der Playlist“, verrät sie.
Wenn Sarah Vogel nicht gerade trainiert, studiert sie Biochemie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main oder kümmert sich liebevoll um ihre Hündin Ella. „Ich versuche Sport und Uni so gut es geht voneinander zu trennen, um das Leben außerhalb des Sports so normal wie möglich zu gestalten. Ich möchte da auch keine Vorteile ausnutzen, die ich jetzt durch den Sport haben könnte“, hebt sie hervor und unterstreicht ihre Haltung: „Ich möchte genauso durchgehen, wie alle anderen auch.“
Anti-Doping-Forschung als mögliches Berufsfeld
Sich ausschließlich auf den Sport zu fokussieren, käme für Sarah Vogel nicht in Frage. „Das habe ich letztes Jahr nach dem Abitur gemacht und bin dabei fast verrückt geworden. Immer lieber auf mehrere Säulen bauen, denn im Sport kann es leider auch immer schnell vorbei sein“, sagt sie.
Ihr Studienfach sei zwar sehr breit gestreut, aber Sarah Vogel kann sich sehr gut vorstellen später einmal in die Anti-Doping-Forschung zu gehen, um Sport und berufliche Interessen miteinander zu vereinen. „Ob ich in die Grundlagenforschung gehen möchte oder doch vielleicht in die Pharmaindustrie, weiß ich noch nicht. Mich interessiert auf jeden Fall alles, was mit Proteinen zu tun hat“, sagt die ambitionierte Athletin.
Neben dem Gefühl ihres allerersten Stabhochsprung-Trainings im Alter von elf Jahren gehört zu den unvergesslichsten Erlebnissen ihrer noch jungen Karriere ein Moment bei der U20-EM in Tallinn: „Und zwar nicht mal der Moment, als ich wusste, ich habe gewonnen, sondern als ich ins Finale gekommen bin und gemerkt habe, genau hier gehöre ich hin. Es lohnt sich alles, was ich dafür tue und alles, was ich schon durchgemacht habe. Dort dann so bestätigt zu werden, war unvergesslich.“
Noch bis zum 23.Oktober kann für Sarah Vogel bei der Juniorsportler:in des Jahres-Wahl der Deutschen Sporthilfe abgestimmt werden. Am 20. Oktober folgt ein Portrait zu Nachwuchs-Weitspringer Oliver Koletzko (Wiesbadener LV), der ebenfalls für die Wahl nominiert ist.
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