| Olympische Spiele 2021

Tokio Tag 4 | Die DLV-Athletinnen und -Athleten in den Vorrunden

In vier Leichtathletik-Wettbewerben finden am Montag bei den Olympischen Spielen Vorrunden mit deutscher Beteiligung statt. Hier lesen Sie von Disziplin zu Disziplin, wie sich die DLV-Athletinnen und -Athleten im Olympiastadion von Tokio präsentiert haben.
Silke Bernhart / Alexandra Dersch

Olympische Spiele 2021 kompakt

FRAUEN

200 Meter | Vorläufe

Lisa Marie Kwayie sprintet mit etwas Zittern ins Halbfinale

23,14 Sekunden im zweiten Vorlauf. Und Platz vier hinter drei direkt qualifizierten Athletinnen. Da hieß es für Lisa Marie Kwayie (Neuköllner SF) lange Zittern bis feststand: Sie darf bei ihrer Olympia-Premiere noch einmal starten, und zwar im 200 Meter-Halbfinale! Nur eine Hundertstel vor ihr hatte die einstige Weltmeisterin Dafne Schippers (Niederlande) die nächste Runde klargemacht. In der Jessica-Bianca Wessolly (MTG Mannheim) leider fehlen wird: Von Krämpfen geplagt kam sie nicht über 23,41 Sekunden und Platz fünf ihres Vorlaufs hinaus. In diesem drehte besonders eine Athletin auf: Christine Mboma (Namibia), aufgrund erhöhter Testosteron-Werte von den 400 auf die 200 Meter umgestiegen, sprintete in 22,11 Sekunden zu einem neuen U20-Weltrekord. Dahinter war auch US-Hoffnung Gabrielle Thomas (22,20 sec) schnell unterwegs. Nicht am Start: Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar), die sich konzentriert auf einen möglichen Staffelstart vorbereitet.

STIMMEN ZUM WETTBEWERB:

Lisa Marie Kwayie (Neuköllner SF)
Das ist jetzt gerade echt ein Krimi. Mein Herz pocht sehr doll. Das Halbfinale wäre mein Ziel gewesen. Wenn ich das erreiche, bin ich wunschlos glücklich. Aber es sind die ersten Olympischen Spiele, die erste riesige Erfahrung. Man versucht gleichzeitig, das zu verarbeiten und trotzdem sein Bestes zu geben. Es ist so surreal: Da geht man in die Mensa und vor einem steht Elaine Thompson, die gerade Gold gewonnen hat mit Olympia-Rekord. Und dann sagt man sich kurz "hallo" und geht weiter. So nah an diesen Menschen zu sein, das ist verrückt für mich! In meinem Rennen hätte ich mir schon eine bessere Zeit gewünscht, dafür trainiert man ja die ganze Zeit. Aber im Großen und Ganzen habe ich alles gegeben, was heute ging, und dann muss ich damit zufrieden sein und das annehmen. Ich bin unglaublich glücklich, dass uns die Möglichkeit gegeben wurde, in Miyazaki das Pre-Camp zu machen. Meiner Meinung nach sind wir bestmöglich vorbereitet worden, da muss man auch ein Dankeschön aussprechen. Man konnte sich super akklimatisieren, wir hatten top Bedingungen, die Japaner sind so unglaublich freundlich, unterstützen einen, wo es nur geht. Einen besseren Push nach Tokio hätten wir nicht kriegen können.

Jessica-Bianca Wessolly (MTG Mannheim)
Ich habe mich unheimlich gefreut, hier auf der Bahn zu stehen, und habe mir viel vorgenommen, auch die letzten Trainingseinheiten liefen sehr gut. Umso enttäuschter bin ich jetzt. Ich hatte leider gerade Probleme, weil ich Krämpfe bekommen habe. Das war schon ein bisschen beim Aufwärmen. Daher habe ich extra noch mal Elektrolyte getrunken. Ich habe auch insgesamt genug getrunken, daher weiß ich nicht, woher das kommt. Klar verunsichert das. Die Saison war auch schon so ein Auf und Ab, mit Verletzungen, und dann ist es schwer für den Kopf. Aber bis ich stolz bin auf das Erreichte, dauert das glaube ich noch einen Moment.
 

200 Meter | Halbfinale

Im Halbfinale ist Endstation

Erst in der Mixed Zone verlaufen, dann den Ausgang doch gefunden, ab ins Eisbad, Physiotherapie, zurück ins Olympische Dorf, duschen, etwas essen und wieder zum Olympiastadion für die Vorbereitung auf das Halbfinale. Der Takt war ebenso neu für Lisa Marie Kwayie (Neuköllner SF) wie die vielen neuen Eindrücke bei ihrer Olympia-Premiere. Im 200 Meter-Halbfinale gelang der Berlinern zwar dieses Mal ein besserer Start, am Ende aber fehlte die Kraft für eine weitere schnelle Zeit: Nach Platz acht in 23,42 Sekunden war für sie Endstation. Weiter geht's für die großen Favoritinnen Shelly-Ann Fraser-Pryce (Jamaika; 22,13 sec) und Landsfrau Elaine Thompson-Herah, die schon 30 Meter vor dem Ziel vom Gas ging, vor dem Ziel fast abstoppte und in 21,66 Sekunden dennoch ihre Bestzeit einstellte – gleichbedeutend mit Rang sechs der ewigen Weltbestenliste.

STIMMEN ZUM WETTBEWERB:

Lisa Marie Kwayie (Neuköllner SF)
Das war ungewöhnlich für mich, ich kenne das so noch nicht. Aber ich bin froh, dass ich die Erfahrung gemacht habe, damit ich mich beim nächsten Mal besser reinfinde. Ich fand, dass ich viel mutiger angegangen bin, die ersten Meter fand ich auch richtig gut, aber hintenraus habe ich gemerkt, dass die Beine schwer werden. Wahrscheinlich hätte mir ein Tag dazwischen besser getan, aber das muss man auch lernen. Nach dem Wettkampf rede ich als erstes mit meinem Trainer und meiner Familie. Meine Familie sagt immer, dass alles toll ist (lacht), aber mein Trainer ist da schon ehrlicher. Dann wird analysiert, ich versuche in mich reinzufühlen, ob ich etwas im Lauf gemerkt habe, was anders war. Negative Kommentare, falls es welche geben sollte, kann ich eigentlich ganz gut ausblenden, weil ich einfach unglaublich stolz auf mich bin. Schon nach dem Vorlauf sind alle komplett ausgerastet, ganz Berlin war Feuer und Flamme. Ich war so dankbar, dass sich wirklich alle um 3:30 Uhr den Wecker gestellt und tatsächlich zugeguckt haben. Ich habe gedacht, dass viele das nicht einhalten werden. Aber das haben sie, und das hat mich schon glücklich gemacht.
 

1.500 Meter | Vorläufe

Caterina Granz mit Kampfgeist und dem Quäntchen Glück

Nicht umsonst heißt es, auch im Vorlauf bis zur Ziellinie alles zu geben: Bei Caterina Granz (LG Nord Berlin; 4:06,22 min) entschied nach 1.500 Metern eine Hundertstel über Vorlauf-Aus oder Halbfinal-Einzug. Und die Berlinerin hatte als Sechste von sechs Zeitschnellsten das Quäntchen Glück auf ihrer Seite, wohlverdient mit einer Zeit nur 62 Hundertstel über Bestzeit. Hanna Klein dagegen war im Vorlauf ein Schatten ihrer selbst. Die Kraft fehlte, früh musste sie abreißen lassen. Am Ende blieb für die sonst so zuverlässig bei Top-Events zu Höchstform auflaufende Tübingerin Rang 15 in 4:14,83 Minuten. Für Schreck und Bewunderung zugleich sorgte Sifan Hassan (Niederlande; 4:05,17 min), die sich nach einem Sturz eingangs der letzten Runde wieder aufrappelte und dennoch ihren Vorlauf gewann, ebenso wie die Mitfavoritin um Gold Faith Kipyegon (Kenia; 4:01,40 min).

STIMMEN ZUM WETTBEWERB

Caterina Granz (LG Nord Berlin):
Ich bin super happy. Ich habe gerade erst erfahren, dass ich weiter bin. Und dass es so unglaublich knapp war, um eine Hundertstel. Dieses Mal hatte ich extrem Glück mit meinem Rennen. In der Vergangenheit hatte ich auch oft das Pech erwischt. Dass ich jetzt bei Olympia das Glück habe, ist natürlich hammer, darüber bin ich total glücklich. Als ich im Ziel gesehen habe, dass ich 4:06 gelaufen bin, dachte ich schon: Das muss gereicht haben. Weil die anderen gesagt haben, die ersten Rennen ware nicht so schnell. Bei 1.000 Metern habe ich die Durchgangszeit gesehen. Und obwohl zu dem Zeitpunkt schon sieben oder acht Leute vor mir waren habe ich mir gesagt: Komm, jetzt Fighten bis zum Ende! Die Hitze habe ich erstmal gar nicht so bewertet. Nur im Nachhinein habe ich gemerkt, dass es heiß war. Und auch, dass man ein bisschen schneller müde wird. Ich brauche immer ein bisschen um reinzukommen, Vorläufe liegen mir nicht so gut und ich brauche noch mal einen Anstoßer. Daher glaube ich, dass ich ihm Halbfinale noch mal in einer anderen Form auftreten kann. Da heißt es noch mal alles geben, da habe ich noch weniger zu verlieren.

Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen):
Ich hatte keine Kraft mehr im Tank. Da war nichts, was nachkam. Beim Warmmachen habe ich es schon gemerkt, und die Tage zuvor. Die Beine gingen nicht mehr hoch. Ich kann das jetzt noch nicht beurteilen. Ich bin wahnsinnig müde. Es wird viel Schlaf fehlen. Hitze. Es könnten so viele Dinge sein, die ich jetzt anführen kann. Aber ich hatte einfach keine Kraft mehr, weder mental noch physisch.
 

400 Meter Hürden | Halbfinale

Platz zehn der Olympischen Spiele: Carolina Krafzik überzeugt erneut

Kurz bevor sich die Hürdenläuferinnen auf ihren Weg machten, öffnete der Himmel seine Schleusen und die Athletinnen standen im strömenden Regen vor den Startblöcken. Eine Ausgangslage, die schnell brenzlig werden kann. Doch Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen) ließ sich davon nicht beirren, ging gewohnt offensiv an, war eingangs der Zielgeraden vorne mit dabei und behauptete bis zur Ziellinie ihren vierten Platz. Mit ihrer Zeit von 54,96 Sekunden blieb sie zum dritten Mal in ihrer Karriere unter der 55-Sekunden-Marke. Die Favoritinnen Sydney McLaughlin (53,03 sec), Dalilah Muhammad (beide USA; 53,30 sec) und Femke Bol (Niederlande; 53,91 sec) machten mit Halbfinal-Siegen das Finale klar.

STIMME ZUM WETTBEWERB

Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen):
Ich bin Top Ten of the World, das hört sich sehr, sehr gut an! Wer hätte das gedacht – ich definitiv nicht, als ich hierher gefahren bin! Noch mal eine 54er Zeit, damit kann ich super leben. Den Regen habe ich einfach mit Humor genommen. In Deutschland hat es das letzte halbe Jahr auch schon nur geregnet und ich habe gedacht: Das gibt's doch nicht, das verfolgt mich! Es ist schon extrem nass geworden, deswegen habe ich versucht, meine Hände die ganze Zeit trocken zu halten, damit ich im Startblock noch Spannung halten kann und nicht abrutsche. Wo es dann losging, war der Regen gar kein Problem mehr. Ich habe mich gut konzentriert, dass ich nicht so viel trippele, das ist mir ganz gut gelungen, auch wenn es etwas langsamer wurde. Das wird mein Trainer sicher schon analysiert haben. Für mich ist die Situation [Lehrerin und Spitzensport] optimal, ich kann vormittags in die Schule gehen, das mache ich sehr gerne, und ich kann nachmittags oder abends ins Training gehen und mich darauf konzentrieren. Dadurch, dass ich eine Spitzensport-Stelle habe und unterstützt werde vom Kultusministerium in Baden-Württemberg, ist das auch alles mit Trainingslager und Wettkämpfen vereinbar. Ich brauche das einfach. Ich habe mein Referendariat in diesem Jahr abgeschlossen. Und jetzt stehe ich hier und bin Zehnte der Welt. Ich denke, der Weg passt so für mich!

 

MÄNNER

Hammerwurf | Qualifikation

Tristan Schwandke fehlen die letzten Körner

Technisch saubere Würfe, aber ohne die notwendige Explosion: Hammerwerfer Tristan Schwandke (TV Hindelang) hat seine Olympia-Premiere mit 73,77 Metern auf Platz 21 der Qualifikation beendet. Für den Einzug in die Runde der besten Zwölf hätten für den Deutschen Meister 75,73 Meter hergemusst. Eine Weite, die  er erst zweimal in seiner Karriere überbieten konnte. Die Weltspitze, angeführt von Europameister Wojciech Nowicki (Polen; 79,78 m), warf an die 80-Meter-Marke heran. Wieder zittern musste der viermalige Weltmeister Pawel Fajdek (Polen), bei seinen dritten Olympischen Spielen reichten 76,46 Meter aber auf Rang neun endlich für das erste Olympia-Finale, in dem er als Favorit antreten wird.

STIMME ZUM WETTBEWERB

Tristan Schwandke (TV Hindelang):
Für mich war Dabeisein die erste Prämisse, und mir meinen Kindheitstraum zu erfüllen. Ich habe mich in den letzten Wochen noch mal sehr gut vorbereitet. Die Würfe, die ich da und auch heute gemacht habe, waren aus meiner Sicht sehr, sehr gut, damit war ich sehr zufrieden. Aber ich musste heute und auch in den letzten zwei Wochen einfach feststellen, dass die letzten Körner fehlen. Die Qualifikation seit Anfang Mai hat sehr viel Kraft gekostet. Ich habe zwar noch einen guten Aufbau gemacht und versucht, den Wechsel zwischen Belastung und Entlastung gut hinzukriegen, damit ich erholt bin. Aber schon in Miyazaki hat sich angedeutet, dass nicht mehr die riesen Würfe kommen. Normalerweise sind solche Würfe zwei, drei Meter weiter. Es fehlt so ein bisschen die Basisgeschwindigkeit. Ich denke, das ist dem geschuldet, dass die Olympiaqualifikation und die Saison sehr lang waren. Und ich natürlich auch ein Athlet bin, der es nicht gewohnt ist, Qualifikation und Großereignis in der Belastungssteuerung unter einen Hut bringen. Ich habe rückblickend nichts falsch gemacht. Aber ich muss sehen, wie ich es mit EM und WM nächstes Jahr schaffe, dass ich auch beim Großereignis noch die entscheidenden Körner habe.
 

Olympische Spiele 2021 kompakt

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