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Tokio 2021 | Die große Olympia-Vorschau auf die Wettbewerbe der Männer (II)

Es ist so weit! Der erste Startschuss der Leichtathletik-Wettbewerbe im Olympiastadion von Tokio steht kurz bevor. Wer hat Chancen auf die Medaillen? Was ist drin für die deutschen Starter? Wer ist gut drauf, wer wackelt und wer kann für eine Überraschung sorgen? Wir blicken voraus auf die Entscheidungen der Männer. Heute: Sprünge, Würfe, Mehrkampf und Staffeln.
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Olympische Spiele 2021 kompakt

Hochsprung

Neuer Olympiasieger gesucht

Sowohl der WM- und EM-Dritte Ilya Ivanyuk, der unter neutraler Flagge startet, als auch der Belarusse Maksim Nedasekau haben in dieser Saison 2,37 Meter überquert. Doch zum Selbstläufer wird die Medaille für sie nicht. Denn nur einen Zentimeter hinter den Beiden lauert JuVaughn Harrison, dem in diesem Jahr bereits Bemerkenswertes gelungen ist: Bei den Trials setzte sich der US-Amerikaner im Hoch- und Weitsprung durch und geht als erster Amerikaner seit Jim Thorpe 1912 in beiden Disziplinen an den Start. In jedem Fall wird es einen neuen Olympiasieger geben, denn Derek Drouin tritt in Tokio nicht an – Kanada ist in Person von Django Lovett und Michael Mason dennoch mit zwei 2,30-Meter-Sprintern vertreten.

Immer auf der Rechnung haben muss man den Weltmeister von 2017 und 2019: Mutaz Essa Barshim möchte sich zum ersten Olympiasieger in Katars Geschichte krönen. Gemeldet ist er zwar nur mit 2,30 Metern, doch dass man ihn nie abschreiben darf, zeigten die Weltmeisterschaften in Doha: Angereist mit 2,27 Metern, sprang Barshim vor heimischer Kulisse zehn Zentimeter höher und zu Gold. Nach zweimal Olympia-Silber möchte der 30-Jährige in Tokio nach den Sternen greifen.

Eine Sternstunde ähnlich wie bei seinem EM-Titel in Berlin, als er über 2,35 Meter floppte, wird auch Mateusz Przybylko benötigen, wenn er in Tokio vorne mitmischen möchte. Von seiner Topform vergangener Jahre ist der Leverkusener, der im Frühjahr von einer Coronainfektion zurückgeworfen wurde, mit einer Saisonbestleistung von 2,23 Metern weit entfernt. Um sein erstes Olympiafinale zu erreichen, wird er auf diese Vorleistung ein paar Zentimeter draufpacken müssen. svs

DLV-Teilnehmer: Mateusz Przybylko (TSV Bayer 04 Leverkusen)
Olympiasieger 2016: Derek Drouin (Kanada; 2,38 m)
Weltmeister 2019: Mutaz Essa Barshim (Katar; 2,37 m)
Weltjahresbester 2021: Ilya Ivanyuk (ANA; 2,37 m)
 

Stabhochsprung

Superstar Duplantis greift nach den Sternen

Zu den größten Favoriten in Tokio zählt zweifelsohne Armand Duplantis. Schwedens Stabhochsprung-Weltrekordler schwang sich in diesem Jahr bereits über 6,10 Meter – eine Höhe, die außer ihm selbst nur Stabhochsprung-Legende Sergey Bubka je übersprungen hat. 18 Zentimeter liegt der gebürtige US-Amerikaner in der Meldeliste vor den stärksten Konkurrenten – und verspürt durchaus Druck: „Es ist ein bisschen komisch, dass ich zu meinen ersten Olympischen Spielen fahre und jeder erwartet, dass ich gewinne. Aber ich mache das jetzt schon lange und habe den Druck immer bewältigt“, sagt der 21-Jährige.

Fehlen wird hingegen der Mann, der Duplantis bei der WM besiegte und ihm auch im Mai dieses Jahres die einzige Niederlage seither beibrachte: Sam Kendricks. Der US-Amerikaner fällt kurzfristig wegen eines positiven Coronatests aus. Vertreten wird er von seinen Teamkollegen KC Lightfoot (5,85 m) und Christopher Nilsen, der wie Kendricks mit 5,92 Metern anreist. Auch der Olympiasieger von 2012 und Ex-Weltrekordler Renaud Lavillenie (Frankreich) hat diese Höhe bereits gemeistert und ist nach einer Knöchelverletzung auf dem Weg der Besserung. Mit 5,83 Metern ist Titelverteidiger Thiago Braz (Brasilien) gemeldet.

Für Deutschland geht ein Trio aus Olympia-Debütanten an den Start. Die meiste internationale Erfahrung bringt Bo Kanda Lita Baehre mit: Der Leverkusener war 2019 WM-Vierter. Der 5,80-Meter-Springer möchte in Tokio erneut vorne mitmischen. Mit seinem ersten deutschen Meistertitel und zwei 5,80-Meter-Sprüngen hat sich auch Oleg Zernikel ins Blickfeld geschoben. Torben Blech hat nach einer Coronainfektion seine 5,86-Meter-Form der Hallensaison noch nicht wiedergefunden. Für ihn könnte bereits die Qualifikation zum Finale werden. svs

DLV-Teilnehmer: Torben Blech (TSV Bayer 04 Leverkusen), Bo Kanda Lita Baehre (TSV Bayer 04 Leverkusen), Oleg Zernikel (ASV Landau)
Olympiasieger 2016: Thiago Braz da Silva (Brasilien; 6,03 m)
Weltmeister 2019: Sam Kendricks (USA; 5,97 m)
Weltjahresbester 2021: Armand Duplantis (Schweden; 6,10 m)
 

Weitsprung

Vom Europameister zum Olympiasieger?

Auf europäischer Ebene hat Miltiadis Tentoglou alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt: Der Grieche ist amtierender Europameister und hat im März zum zweiten Mal in Folge den kontinentalen Titel in der Halle errungen. Eine globale Medaille fehlt ihm im Erwachsenenbereich noch – in Tokio könnte er jedoch auf dem besten Weg dorthin sein. Tentoglou ist nicht nur in 2021 noch ungeschlagen, sondern der 23-Jährige rangiert auch mit 13 Zentimetern Vorsprung an der Spitze der Weltjahresbestenliste (8,60 m).

Zweitbester gemeldeter Athlet ist JuVaughn Harrison aus den USA, der das Double im Hoch- und Weitsprung anpeilt. Die Ausgangslage ist interessant, denn sollte Harrison in beiden Disziplinen das Finale erreichen, muss er am nächsten Morgen nach dem Hochsprung im Weitsprung gleich noch einmal ran. Wie gut er die Doppelbelastung verkraftet, wird sich zeigen. Chancen auf Edelmetall rechnen sich auch die Kubaner Maykel Masso (8,39 m) und Juan Miguel Echevarria (8,38 m) sowie der zweite US-Starter Marquis Dendy (8,38 m) und die japanischen Gastgeber mit Yuki Hashiota (8,36 m) aus. Weltmeister Tajay Gayle aus Jamaika hat bislang 8,29 Meter als Saisonbestleistung stehen.

Von diesen Weiten ist DLV-Starter Fabian Heinle aktuell weit entfernt. Gerade so rutschte er über die Weltrangliste ins Olympiateam und wird seine Saisonbestleistung von 7,82 Metern sicher deutlich steigern müssen, wenn er es besser machen will als in Rio, wo in der Qualifikation Endstation war. Als Vize-Europameister und mehrmaliger Teilnehmer bei internationalen Meisterschaften kann er auf viel Erfahrung zurückgreifen. Acht-Meter-Sprünge traut sich der Deutsche Meister auch in dieser Saison zu. svs

DLV-Teilnehmer: Fabian Heinle (VfB Stuttgart)
Olympiasieger 2016: Jeff Henderson (USA; 8,38 m)
Weltmeister 2019: Tajay Gayle (Jamaika; 8,69 m)
Weltjahresbester 2021: Miltiadis Tentoglou (Griechenland; 8,60 m)
 

Dreisprung

Offener Medaillenkampf nach dem Aus für Christian Taylor

In Tokio wollte er nach 2012 und 2016 zum dritten Mal Dreisprung-Gold gewinnen. Doch nach einem Achillessehnenriss im Mai ist der vierfache Weltmeister Christian Taylor (USA) nun zum Zugucken verdammt. Stattdessen rückt ein sprungstarkes Trio in den Fokus. Für den zweiten portugiesischen Olympiasieg in dieser Disziplin – 2008 ging Gold an Nelson Evora – könnte der Halleneuropameister Pedro Pichardo sorgen. Nachdem er bereits in den Jahren 2013, 2014 und 2015 unter anderem mit zweimal WM-Silber internationale Erfolge feierte, könnte es für ihn in Tokio für das erste Olympische Edelmetall reichen. Mit 17,92 Metern führt er die Weltjahresbestenliste an, sein persönlicher Rekord aus dem Jahr 2015 liegt bei 18,08 Metern.

Herausgefordert wird er vor allem von Hugues Fabrice Zango (Burkina Faso), WM-Dritter von 2019 und in diesem Jahr schon 17,82 Meter weit gesprungen, und Andy Díaz aus Kuba, der aktuell auf Rang drei (17,63 m) der Welt liegt. Zudem bleibt abzuwarten, wozu der Silbermedaillengewinner von 2012 und 2016, Will Claye (USA), in der Lage ist. Zwar kam er in diesem Jahr erst auf 17,21 Meter, gemessen an seiner Bestleistung aus dem Jahr 2019 (18,14 m) muss man ihn dennoch mit auf der Rechnung haben.

Von einer Medaille träumt auch der fünffache deutsche Meister Max Heß (LAC Erdgas Chemnitz). Zwar rangiert er mit 17,13 Metern nur an Position 17 der Weltjahresbestenliste, doch vielleicht gelingt ihm in Tokio eine kleine Sensation und er kann in neue Sphären springen. Besser machen als bei seinen ersten Spielen in Rio möchte es der Europameister von 2016 auf jeden Fall – hier schied er mit 16,56 Metern in der Qualifikation aus. js

DLV-Teilnehmer: Max Heß (LAC Erdgas Chemnitz)
Olympiasieger 2016: Christian Taylor (USA; 17,86 m)
Weltmeister 2019: Christian Taylor (USA; 17,92 m)
Weltjahresbester 2021: Pedro Pichardo (Portugal; 17,92 m)
 

Kugelstoß

Ryan Crouser mit neuem Weltrekord auf dem Weg zu Gold

Die Frage ist nicht, wer gewinnt Gold, sondern wie weit wird Ryan Crouser (USA) dafür stoßen? Im Mai katapultierte sich der Olympiasieger von Rio und Vizeweltmeister von Doha 2019 mit 23,01 Metern bereits in den erlesenen Club der 23-Meter-Stoßer – bestehend aus Landsmann Randy Barnes (23,12m; 1990) und dem Deutschen Rekordhalter Ulf Timmermann (23,06 m; 1988). Mitte Juni folgte das scheinbar Unmögliche: Crouser schnappte sich nach dem Hallen-Weltrekord (22,82 m) auch den im Freien. 31 Jahre hatte der Kugelstoß-Weltrekord von Barnes Bestand, dann packte Crouser 25 Zentimeter drauf und schraubte ihn auf 23,37 Meter. Noch in Rio 2016 lag seine Siegerweite bei 22,52 Metern.

Eine Weite, für die es in Tokio mit einer Medaille sogar schon knapp werden könnte. Denn der erweiterte Kreis der Favoriten liegt dicht beieinander. Spannend dabei: Die Besetzung des Podiums könnte sich exakt wiederholen. Zum einen hat der Weltmeister von 2019 und 2015 Joa Kovacs (USA) gute Chancen, seinen Silbercoup von Rio zu wiederholen. Seine Bestweite liegt bei 22,91 Metern, aktuell ist er mit 22,72 Metern der Zweite der Welt. Und zum anderen könnte es am 5. August das zweite Mal Olympisches Bronze für Tom Walsh (Neuseeland) geben. Der Weltmeister von 2017 und WM-Dritten von 2019 stieß die 7,26 Kilogramm schwere Kugel 2021 zwar erst auf 22,22 Meter, hatte 2019 die 23 Meter jedoch nur um zehn Zentimeter verpasst.

Nicht aussichtslos ist auch, dass bei der Siegerehrung eine europäische Fahne weht. Nach Gold bei der Hallen-EM 2019 in diesem Jahr mit Silber dekoriert, könnte Michal Haratyk den Sprung aufs Treppchen schaffen. Der Europameister von 2018 – 2016 gewann er Silber – rangiert immerhin mit 22,17 Metern auf dem fünften Platz der Welt. Gefolgt von Filip Mihaljevic (Kroatien), Dritter der Hallen-EM in Torun, und dem US-Amerikaner Payton Otterdahl.

Bei den Spielen in London 2012 noch Silber gewonnen, finden die Spiele in Tokio ohne David Storl (SC DHfK Leipzig) statt. Wegen einer Rückenverletzung bestritt der Weltmeister von 2011 und 2013 in dieser Freiluftsaison keine Wettkämpfe. Damit befindet sich zum ersten Mal seit 1952 kein männlicher Kugelstoßer im olympischen Aufgebot des deutschen Teams. js

DLV-Teilnehmer: keiner
Olympiasieger 2016: Ryan Crouser (USA; 22,52 m)
Weltmeister 2019: Joe Kovacs (USA; 22,91 m)
Weltjahresbester 2021: Ryan Crouser (23,37 m)
 

Diskuswurf

Wer folgt auf die Harting-Brüder?

Für das dritte deutsche Gold in Folge wird es nach dem Olympiasieg 2012 von Robert und 2016 von Christoph Harting in Tokio nicht reichen. Doch dass es das DLV-Trio geschlossen in das Finale (31. Juli) schafft, ist Daniel Jasinski (TV Wattenscheid 01), Clemens Prüfer (SC Potsdam) und David Wrobel (SC Magdeburg) zuzutrauen. Aktuell liegen sie auf Platz 8, 9 und 11 der Weltjahresbestenliste. Zudem fand insbesondere der Deutsche Meister Jasinski nach Jahren voller Verletzungspech in diesem Jahr zu alter Stärke zurück und zeigt sich zuversichtlich: „Meine physischen Werte sind gut wie nie. Jetzt muss ich das in Weite umsetzen.“ In Rio gewann er Bronze – wozu wird es Tokio reichen?

Diese Frage wird sich auch der Daniel Stahl aus Schweden stellen. Der Weltmeister von 2019 und WM-Zweite von 2017 geht mit 71,40 Metern und damit dem weitesten Wurf dieses Jahr als Goldfavorit in den Olympischen Wettkampf. Und wird bei seinem Traum von Gold vor allem auf den U23-Europarekordhalter (70,35 m) Kristjan Ceh aus Slowenien sowie den dreifachen schwedischen Vizemeister Simon Pettersson achten müssen. Nicht zu vergessen sei der WM-Dritte von 2019 und EM-Dritte von 2018 Lukas Weißhaidiner aus Österreich – mit 69,04 Metern Vierter der Weltjahresbestenliste.

Nach einigen Verletzungen seinem Leistungsvermögen noch weit hinterherhinkt in diesem Jahr der Pole Piotr Malachowski. Dennoch sagte er gegenüber polnischen Medien, dass er bei seiner „letzten großen Party“ um eine Medaille kämpfen wolle. Er sei fit und sein sportlicher Ehrgeiz ungebrochen. Seine Bestweite (71,84 m) stammt aus dem Jahr 2013. Wird es der Weltmeister von 2015 und WM-Zweite von 2009 und 2013 tatsächlich noch einmal schaffen und sich nach Silber 2008 und 2016 sein drittes Olympisches Edelmetall holen? js

DLV-Teilnehmer: Daniel Jasinski (TV Wattenscheid 01), Clemens Prüfer (SC Potsdam), David Wrobel (SC Magdeburg)
Olympiasieger 2016: Christoph Harting (SCC Berlin; 68,37 m)
Weltmeister 2019: Daniel Stahl (Schweden; 67,59 m)
Weltjahresbester 2021: Daniel Stahl (Schweden; 71,40 m)
 

Hammerwurf

Viermal Weltmeister, aber noch nie im Olympiafinale

Wenn es um WM-Titel geht, kennt die Siegerliste der vergangenen Jahre nur einen Namen. Viermal nacheinander gewann Pawel Fajdek Gold. Diese Dominanz passt so gar nicht zur bisherigen Olympia-Bilanz des 32-Jährigen, denn da stand der Pole noch nie im Finale. 2012 war nach drei ungültigen Versuchen in der Qualifikation Schluss, 2016 reichten 72,00 Meter nicht für die besten Zwölf. Dieses Mal soll alles anders werden. Mit 82,98 Metern geht der Weltmeister auch mit der besten Vorleistung in den Ring. Der Sicherste war er allerdings auch in dieser Saison nicht. Die Formkurve zeigte zuletzt eher nach unten.

Mit gleich fünf 80-Meter-Versuchen inklusive dem neuen US-Rekord von 82,71 Metern hat dagegen Rudy Winkler (USA) im letzten Wettkampf vor Tokio nochmal ordentlich Selbstvertrauen getankt und bei den US-Trials gleichzeitig bewiesen, dass er in Drucksituationen liefern kann. Medaillenanwärter sind auch Wojciech Nowicki (Polen; 81,36 m) und der erst 20-Jährige Ukrainer Mykhaylo Kokhan (80,78 m), die Beiden komplettieren das Quartett der Hammerwerfer, das in dieser Saison bisher 80 Meter übertroffen hat.  

Erstmals seit 2008 sind auch die DLV-Farben in diesem Wettbewerb wieder vertreten. Das ist ein riesen Erfolg für Tristan Schwandke (TV Hindelang), der sich in diesem Sommer noch einmal gehörig gesteigert hat. Mit seiner Bestleistung von 76,71 Metern muss er sich keinesfalls verstecken. Natürlich geht es für den 29-Jährigen auch darum, bei seiner ersten ganz großen Meisterschaft seine Leistung möglichst gut abzurufen. jhr

DLV-Teilnehmer: Tristan Schwandke (TV Hindelang)
Olympiasieger 2016: Dilshod Nazarov (Tadschikistan; 78,68 m)
Weltmeister 2019: Pawel Fajdek (Polen; 80,50 m)
Weltjahresbester 2021: Pawel Fajdek (Polen; 82,89 m)
 

Speerwurf

Mission Gold

Etwa mit Dreispringerin Yulimar Rojas (Venezuela), Stabhochspringer Armand Duplantis (Schweden) oder Kugelstoßer Ryan Crouser (USA) gibt es in einigen Disziplinen große Favoriten. Der Konkurrenz so klar überlegen wie Johannes Vetter (LG Offenburg), vor allem zu Beginn der Saison, war aber keiner von ihnen. Einzig rutschiger Bodenbelag hielt den Weltmeister von 2017 davon ab, den Speer über die 90-Meter-Marke zu befördern. Er selbst hat alles auf Tokio ausgerichtet und die Gold-Erwartung an den 28-Jährigen ist von vielen Seiten hoch. Keine einfache Situation. Doch die Ergebnisse des Sommers sprechen einfach dafür: Wenn der Offenburger seine Leistung annähernd abruft und nichts Außergewöhnliches dazwischen kommt, geht kein Weg an ihm vorbei.

Allerdings waren große Speerwurf-Wettbewerbe in den vergangenen Jahren auch häufig für eine Überraschung gut. Als Underdog holte beispielsweise Keshorn Walcott (Trinidad & Tobago) 2012 Olmypia-Gold. In diesem Sommer läuft es bei ihm wieder und sein Speer landete schon bei 89,12 Metern. Der Überraschungsweltmeister von 2019 Anderson Peters (Grenada) steht bisher bei 83,46 Metern. Ein Fragezeichen steht hinter der Form von Marcin Krukowski (Polen), der Anfang Juni in Turku (Finnland) 89,55 Meter geworfen hatte, zuletzt bei den polnischen Meisterschaften aber nicht über 73,07 Metern hinauskam.

Solide Wettämpfe in Richtung 85 Meter hat Julian Weber in dieser Saison abgeliefert. Die Top Acht sind absolut möglich, der Medaillenkampf ist nicht außer Reichweite. Für Bernhard Seifert geht es darum, einen gelungenen Wurf in der Qualifikation zu erwischen. Leider nicht rechtzeitig fit geworden, um in den Kampf um die Startplätze einzugreifen, ist der Olympiasieger von 2016 Thomas Röhler (LC Jena). Auch der EM-Zweite Andreas Hofmann (MTG Mannheim) fehlt im starken DLV-Speerwurf-Team nach einer Ellbogen-Operation. jhr

DLV-Teilnehmer: Bernhard Seifert (SC Potsdam), Johannes Vetter (LG Offenburg), Julian Weber (USC Mainz)
Olympiasieger 2016: Thomas Röhler (LC Jena; 90,30 m)
Weltmeister 2019: Anderson Peters (Grenada; 86,89 m)
Weltjahresbester 2021: Johannes Vetter (LG Offenburg; 96,29 m)
 

Zehnkampf

DLV-Duo auf der Verfolgungsjagd

Wenn man sich die Vorleistungen ansieht, dann kann Olympia-Gold im Zehnkampf nur über zwei Athleten gehen: Kevin Mayer und Damian Warner. Der Franzose hat den Weltrekord 2018 auf 9.126 Punkte geschraubt und schon im Dezember mit 8.552 Punkten das Olympia-Ticket klargemacht. Der Kanadier thront mit zwei Weltrekorden innerhalb eines Zehnkampfs (Weit: 8,28 m | 110 m Hürden: 13,36 sec) und neuer Bestleistung von 8.995 Punkten an der Spitze der Weltbestenliste. Wenn die Zwei in Topform antreten, dann kann ihnen kaum jemand gefährlich werden und es stellt sich nur die Frage: Wer kommt ohne Fehler durch und bewahrt die Nerven? Besonders Warner hatte damit in der Vergangenheit Probleme, während Mayer weniger mit dem Kopf und vielmehr mit dem Körper zu kämpfen hatte.

Diese Vormachtstellung muss auch die Konkurrenz anerkennen, unter ihr Weltmeister Niklas Kaul (USC Mainz). Ihm könnte dies sogar zugute kommen, denn trotz seines Titels von Doha (Katar) bleibt er der Jäger. Und wird mit seinem herausragenden zweiten Tag das Feld von hinten aufrollen. Wie weit nach vorne ihn das bringen kann, hängt davon ab, wie er die guten Trainingsleistungen in den Wettkampf bringt. Auch Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied) konnte zuletzt im Training mit guten Resultaten wieder Selbstvertrauen tanken. Er profitiert von seiner Erfahrung, seinem starken ersten Tag und einem Zehnkampf mit wenigen Schwächen. In Rio hatte er es damit auf Platz vier geschafft. Ein ähnliches Leistungsvermögen wie das DLV-Duo weisen auch der Aufsteiger des Jahres Garrett Scantling (USA), der weitere Kanadier Pierce Lepage und der WM-Dritte Maicel Uibo auf, der gleich eine Reihe talentierter Zehnkämpfer aus Estland anführt. Vorab ist mal nur eins sicher: Der Zehnkampf schreibt seine eigenen Geschichten. Und die gehen selten so aus wie erwartet. sb

DLV-Teilnehmer: Niklas Kaul (USC Mainz), Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied)
Olympiasieger 2016: Ashton Eaton (USA; 8.893 pt)
Weltmeister 2019: Niklas Kaul (USC Mainz; 8.691 pt)
Weltjahresbester 2021: Damian Warner (Kanada; 8.995 pt)
 

4x100 Meter

USA klar favorisiert, DLV-Quartett mit Finalchance

Es ist eine alte Regel: Es bringt nichts, vier Einzelzeiten zu addieren und schon hat man den Sieger einer Sprint-Staffel. Zu viel kann bei sechs Wechseln in Vorlauf und Finale schiefgehen und schon sind sämtliche Ambitionen dahin. Trotzdem: In diesem Jahr haben die USA dank ihrer schnellen Individualisten die Chance, die erste olympische Goldmedaille über 4x100 Meter seit 21 Jahren zu gewinnen. Denn vier der fünf schnellsten 100-Meter-Sprinter von Tokio kommen aus den USA.

Weitere Medaillenanwärter gibt es einige. In der Post-Bolt-Ära ist das nicht zwangsläufig Jamaika. Der Karibik-Staat hat höchstens Außenseiterchancen. Deutlich stärker sind Großbritannien und Kanada in Form und damit zwei Sprint-Nationen mit langer Tradition. Gleiches gilt für Japan. Die Gastgeber werden alles daransetzen, um wie 2016 in Rio erneut aufs Podest zu laufen. Vor fünf Jahren waren sie nach 37,60 Sekunden und damit sogar zwei Hundertstel vor den später disqualifizierten US-Staffel im Ziel. Auch das chinesische Quartett hat bei guten Bedingungen eine 37er-Zeit in den Beinen.

Das ist einer deutschen Staffel bisher noch nicht gelungen. Bei 38,02 Sekunden steht seit 2012 der deutsche Rekord. 2016 in Rio reichten 38,26 Sekunden für das DLV-Quartett knapp nichts fürs Finale. Eine Zeit knapp über 38 Sekunden müssen die Sprinter um den Deutschen Meister Marvin Schulte (SC DHfK Leipzig) und den deutschen Rekordmann Julian Reus (LC Top Team Thüringen) bei seinem Abschied von der olympischen Bühne wahrscheinlich auch in Tokio anbieten, um sich den Traum vom Finale am Abend des 6. Augusts zu erfüllen. Wie gesagt: Es kommt schon im Vorlauf darauf an, wie viele der 16 Staffeln ihren Stab sicher und sauber ins Ziel bringen. mbn

Olympiasieger 2016: Jamaika (37,27 sec)
Weltmeister 2019: USA (37,10 sec)
Weltjahresbester 2021: Großbritannien (38,27 sec)

4x400 Meter Männer

USA topbesetzt, auch DLV-Team mit dabei

Die Ausgangslage ist, wie so oft, eine unklare. Auf dem Papier führt die indische 4x400-Meter-Staffel die Weltjahresbestenliste in 3:01,89 Minuten an, auf Rang zwei folgt sieben Hundertstel dahinter schon Deutschland. Ende Juni nutzten Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz), Jean Paul Bredau (SC Potsdam), Torben Junker (TV Wattenscheid 01) und der Deutsche Meister Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund) ihre letzte Olympia-Qualifikationschance für die schnellste deutsche Zeit seit 2014.

Dass die starke Position in der Jahresbestenliste für den Höhepunkt nicht viel aussagt, beweist ein Blick in die Statistik: Mit 3:01,96 Minuten wäre man in Rio 2016 nicht einmal ins Finale gekommen. Und auch in Tokio reisen die favorisierten Mannschaften, die sich ihre Qualifikation über Finalteilnahmen bei der WM oder den World Relays gesichert haben, in einer Besetzung an, die für die DLV-Auswahl schwer zu schlagen sein wird.

Die Titelverteidiger aus den USA setzen mit Randolph Ross, Michael Norman und Michael Cherry auf drei der vier momentan schnellsten Athleten der Welt. Letztmals bei einem Großereignis im Freien geschlagen wurden die USA bei der WM 2017 von Trinidad und Tobago, die auch 2021 ein schlagkräftiges Team aufbieten können. Südafrika geht mit 400-Meter-Weltrekordler Wayde van Niekerk an den Start, der nach vielen Verletzungsproblemen seine Topform noch nicht erreicht hat. Nicht außer Acht lassen sollte man Jamaika und die WM-Dritten aus Belgien, die auf ihr bewährtes Trio aus Borlée-Brüdern und den aktuell schnellsten Belgier Jonathan Sacoor bauen. Großbritannien musste mit der kurzfristigen Absage von Europameister Matthew Hudson-Smith eine Schwächung hinnehmen. svs

Olympiasieger 2016: USA (2:57,30 min)
Weltmeister 2019: USA (2:56,69 min)
Weltjahresbeste 2021: Indien (3:01,89 min)
 

4x400 Meter Mixed

Olympia-Premiere mit DLV-Auswahl

Es ist eine Premiere. Nachdem die 4x400-Meter-Mixed-Staffel bei den 2019 bei den Weltmeisterschaften in Doha (Katar) erstmals auf dem Plan stand, wird diese Disziplin in Japan nun olympisch. Auf dem Papier ist die Ausgangslage der DLV-Auswahl eine sehr gute: Kein Team war bislang schneller als die 3:13,57 Minuten, die ein Quartett aus Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz), Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund), Ruth-Sophia Spelmeyer-Preuß (VfL Oldenburg) und Corinna Schwab (LAC Erdgas Chemnitz) Mitte Juni in Regensburg gelaufen ist.

Doch die anderen Teams haben ihre Stärke längst noch nicht ausgespielt – insgesamt fünf Mannschaften, angeführt von den USA mit Weltrekord, liefen im WM-Finale von Doha schneller als das deutsche Quartett in Regensburg. Gut möglich, dass das Niveau in Tokio ähnlich hoch sein wird. Unklar ist jedoch, welche Langsprinterinnen und -sprinter bei den Olympischen Spielen zum Einsatz kommen. Setzen die 15 teilnehmenden Teams auf ihr bestes Personal oder konzentrieren sie sich auf die klassischen 4x400-Meter-Staffeln?

Spannend wird auch die Frage, in welcher Reihenfolge die jeweiligen Quartette ihre Läuferinnen und Läufer ins Rennen schicken. In internationalen Rennen ist die Reihenfolge Mann – Frau – Frau – Mann die übliche; das DLV-Team rannte allerdings mit den Männern zuerst zur Weltjahresbestleistung. Wählen die verschiedenen Teams unterschiedliche Taktiken, treten Männer und Frauen im direkten Duell gegeneinander an. Herauszufinden, welche Taktik zum Erfolg führt, macht den besonderen Reiz dieser Staffel aus. svs

Olympiasieger 2016: keine
Weltmeister 2019: USA (3:09,34 min)
Weltjahresbeste 2021: Deutschland (3:13,57 min)

 

Olympische Spiele 2021 kompakt

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