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U23-EM | Andreas Bechmann setzt Gold-Tradition der Zehnkämpfer fort

Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) ist im Zehnkampf der U23-EM von Tallinn mit zwei Athleten vertreten. Hier lesen Sie von Disziplin zu Disziplin, wie sich für Andreas Bechmann und Nils Laserich der Wettbewerb entwickelt.
Silke Bernhart

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TAG 2

110 Meter Hürden

Problemdisziplin bleibt Problemdisziplin

Der Hürdensprint gehört wahrlich nicht zu den Lieblings-Events der beiden DLV-Zehnkämpfer, und am Sonntagvormittag sah man auch warum: Noch längst greifen hier bei beiden nicht alle feinen Bewegungsabläufe perfekt ineinander. Andreas Bechmann (Eintracht Frankfurt) kam gar schon in Richtung erster Hürde kurz aus der Ideallinie, für Nils Laserich (TSV Bayer 04 Leverkusen) war es ebenfalls mehr Arbeit als Flow. Dementsprechend waren die Zeiten: 15,51 Sekunden für den Zehnkampf-Führenden aus Frankfurt, 15,65 Sekunden für den Leverkusener, der nach Tag eins auf Platz zwei gelegen hatte.

Die Glanzpunkte setzten in dieser Disziplin andere, allen voran der Schweizer Finley Gaio, der in 13,78 Sekunden zu einem neuen Meisterschaftsrekord innerhalb des Zehnkampfs stürmte und damit auch in der Gesamtwertung mächtig Boden gutmachte: Andreas Bechmann (5.236 pt) thront zwar nach seinem überragenden ersten Tag weiter an der Spitze, Finley Gaio hat sich aber mit 5.075 Punkten auf Rang drei nach vorne gepirscht. Zwischen beide schob sich mit 14,33 Sekunden über die Hürden der Niederländer Sven Roosen (5.152 pt). Dieser hatte zur Halbzeit noch einen Punkt Rückstand auf Nils Laserich. Der 19-Jährige ließ im Vergleich zu seinem besten Zehnkampf rund 30 Punkte liegen und sortierte sich nach der sechsten Disziplin mit 4.994 Punkten auf Rang sechs ein.
 


Diskuswurf

Andreas Bechmann verteidigt mit Bestleistung die Führung

Gute Diskuswurf-Ergebnisse sorgen dafür, dass das DLV-Duo weiter vorne mitmischt. Zwar zählen sie nicht zu denjenigen, die im Diskuswurf Bäume ausreißen können – das trifft allerdings in der U23-Altersklasse noch auf viele Athleten zu, die auch erst einmal mit dem schwereren Zwei-Kilo-Diskus zurechtkommen müssen. In Tallinn konnte alleine ein Athlet ein Ausrufungszeichen setzen: der Norweger Markus Rooth, der mit 47,31 Metern mehr als vier Meter zwischen sich und den zweitbesten Werfer legte.

Für Nils Laserich (42,69 m) und Andreas Bechmann mit Bestleistung (42,51 m) gingen gute Resultate ein, die in der Gesamtwertung für folgende Ausgangslage sorgen: Andreas Bechmann (5.952 pt) kann seine Führung gegenüber dem Niederländer Sven Roosen (41,97 m; 5.857 pt) sogar wieder ein wenig ausbauen, Nils Laserich (5.713 pt) schiebt sich auf den heiß umkämpften Bronzerang nach vorne, auf seinen Fersen der Italiener Dario Dester (38,97 m; 5.693 pt) und der Franzose Makenson Gletty (42,03 m; 5.692 pt). Finley Gaio (36,40 m; 5.667 pt) verliert nach einem schwächeren Diskuswurf wieder an Boden, Markus Rooth (5.652 pt) pirscht sich auf Platz sieben nach vorne.
 

Stabhochsprung

Baptiste Thiery überragt, Andreas Bechmann diskutiert

Satte drei Stunden dauerte der Stabhochsprung im Zehnkampf der U23-EM – kräftezehrend, aber nicht ungewöhnlich in dieser Altersklasse in einer Disziplin, bei der die Leistung zwischen Höhen von 4,00 und 5,60 Metern variiert. Ja, Sie lesen richtig: 5,60 Meter! Mit dieser Höhe stellte der Franzose Baptiste Thiery am Sonntag eine neue europäische U23-Bestleistung innerhalb eines Zehnkampfes auf. Und schob sich auch in der Gesamtwertung ein großes Stück nach vorne, nämlich sogar mit 6.591 Punkten bis auf Rang zwei.

Die Marke von 4,00 Metern dagegen ging leider auf das Konto von Nils Laserich, der in dieser Disziplin schon am Vortag seine Schwäche angekündigt hatte. 4,10 Meter war er im Qualifikations-Zehnkampf von Bernhausen gesprungen, in Tallinn fiel hier die Latte dreimal. Und auch Andreas Bechmann haderte, nachdem er erneut hoch gepokert hatte: Erst bei 4,80 Metern stieg er in den Wettbewerb ein und begann mit zwei Fehlversuchen, eher er sich doch noch deutlich über diese Höhe schwang. Aber bei 4,90 Metern war Endstation – obwohl er sogar einen vierten Versuch erhalten hatte, nachdem er sich bei den Kampfrichtern vehement über Störfaktoren im Anlauf beschwert hatte.

Seiner klaren Führung tat dieses Ergebnis keinen Abbruch: Mit 6.801 Punkten hat Bechmann weiter deutlich die Spitzenposition inne vor Baptiste Thiery, Dario Dester (Italien; 6.573 pt) und Sven Roosen (Niederlande; 6.559 pt). Nils Laserich (6.330 pt) fiel zurück auf Platz zehn.

 

Speerwurf

Andreas Bechmann lässt nichts anbrennen

Auf 61,49 Meter hatte Andreas Bechmann den Speer im Rahmen seiner Zehnkampf-Bestleistung geschleudert. Diese Weite war in Tallinn nicht nötig, um den Kurs auf Gold fortzusetzen. Bis auf 55,02 Meter flog hier der Speer des 22-Jährigen, der vor den abschließenden 1.500 Metern nun mit 7.464 Zählern 183 Punkte Vorsprung auf den zweitplatzierten Sven Roosen (58,95 m) hat. Der Titel wird Bechmann somit nicht mehr zu nehmen sein. Die Frage ist nur: Bei wievielen Punkten kommt er raus? 8.100 Punkte sind mit einer Zeit unter 4:50 Minuten drin.

Hochspannend bleibt weiter der Kampf um die weiteren Medaillen. Denn auf Platz drei hat der Norweger Markus Rooth nur 18 Punkte Rückstand auf den Niederländer, und auch Dario Dester (7.208 pt) ist noch nicht komplett aussichtslos. Die bisherigen 1.500 Meter-Bestleistungen deutet darauf hin, dass Markus Rooth noch an Sven Roosen vorbeiziehen kann und Dario Dester für das Podium über sich hinauswachsen muss.

Nils Laserich blieb ähnlich wie in den weiteren Disziplinen des zweiten Tages leicht unter dem Resultat seines besten Zehnkampfes und verbuchte 56,05 Meter. Als Neunter (7.009 pt) geht er in die abschließenden 1.500 Meter mit 29 Zählern Rückstand auf eine Top-Acht-Platzierung.
 

1.500 Meter

Andreas Bechmann läuft Gold nach Hause

Nur der Niederländer Sven Roosen hätte ihm noch gefährlich werden können, und der gab noch einmal alles: 4:25,38 Minuten über 1.500 Meter und damit die drittbeste Zeit im Feld waren schnell, aber nicht schnell genug. Denn auch Andreas Bechmann nahm noch einmal die Beine in die Hand: In 4:40,44 Minuten sicherte er sich die Goldmedaille und in einer deutschen Zehnkampf-Tradition bereits den sechsten deutschen Titel bei U23-Europameisterschaften. Seine Punktzahl: 8.142 Punkte, mit denen er seinen zwei Jahre alten Hausrekord um zehn Punkte steigerte. Schließlich konnte auch Sven Roosen jubeln, und zwar über seinen ersten 8.000er (8.056 pt) und Silber. Bronze holte sich mit neuem U23-Landesrekord für Norwegen Markus Rooth (7.967 pt).

Und auch für Nils Laserich gab's nach einem eher schwächeren zweiten Tag noch ein versöhnliches Resultat, das ihn optimistisch für die Zukunft stimmte. In 4:39,70 Minuten brachte er seine internationale Premiere zu Ende und konnte sich über eine neue Zehnkampf-Bestleistung von 7.691 Punkte freuen, die ihm Platz neun einbrachten. "Ich freue mich mega über die Bestmarke", sagte der Leverkusener, "auch wenn ich mir nach dem ersten Tag noch mehr erhofft hatte. 7.800 oder 7.850 Punkte hätte ich mir in einem idealen Wettkampf zugetraut. Aber ich bin noch erstes Jahr U23. Jetzt lerne ich noch den Stabhochsprung und die Hürden. Dann ist in zwei Jahren auch eine Medaille möglich."

 

TAG 1

100 Meter

Ordentlicher Auftakt des deutschen Duos

Mit Zeiten jeweils einige Hundertstel über ihren Resultaten ihrer Zehnkämpfe in diesem Jahr sind Andreas Bechmann (Eintracht Frankfurt) und Nils Laserich (TSV Bayer 04 Leverkusen) am Samstag in die U23-EM von Tallinn gestartet. Der Frankfurter musste im dritten und schnellsten Rennen der Konkurrenz die besten Sprinter ziehen lassen und kam nach 10,91 Sekunden, 13 Hundertstel langsamer als windunterstützt im Juni in Ratingen, ins Ziel. In Tallinn hatten die Mehrkämpfer am Morgen mit Gegenwind zu kämpfen. Nils Laserich lag in 11,06 Sekunden acht Hundertstel über seiner Zeit des Qualifkations-Mehrkampfs von Bernhausen. Mit der schnellsten Zeit von 10,66 Sekunden setzte sich der Schweizer Finley Gaio mit 939 Punkten an die Spitze des Feldes. Er hatte im Mai in Götzis seine Zehnkampf-Bestleistung auf 7.899 Punkte gesteigert.
 


Weitsprung

DLV-Zehnkämpfer explodieren

Am Ende bleiben zwei Mal unbändiger Jubel in Erinnerung. Der erste kam von Nils Laserich: Der Leverkusener traf das Brett gleich in der ersten Runde perfekt und bangte – nachdem die weiße Fahne hochging – um die Weite. Dann erschienen 7,58 Meter auf der Anzeigetafel und der 19-Jährige hüpfte mit geballter Faust wie ein Flummi über die Laufbahn. Bestleistung um 22 Zentimeter gesteigert! Damit konnte er guten Gewissens auf weitere Versuche verzichten und sich als Fünfter im Gesamtklassement (1.802 pt) schon auf das Kugelstoßen konzentrieren.

Für Andreas Bechmann dagegen wurde es ein Ritt auf Messers Schneide. Im ersten Anlauf stolperte er kurz vor dem Brett und landete bäuchlings in der Grube. Im zweiten Versuch trat er über. Und im dritten Versuch? Passte kein Millimeter zwischen Fußspitze und Plastillin – aber der Versuch war gültig. Und weit! Auf 7,72 Meter schraubte der Frankfurter seine Bestleistung und sortierte sich damit auf Platz zwei (1.871 pt) der Gesamtwertung an, die weiter der Schweizer Finley Gaio (7,58 m; 1.893 pt) anführt.
 

Kugelstoßen

Andreas Bechmann jubelt über nächste Bestleistung und übernimmt die Führung

Nach dem „Millimeter-Krimi“ im Weitsprung machte es Andreas Bechmann in der dritten Disziplin bei Weitem nicht so spannend. Gleich im ersten Versuch kam der Frankfurter auf ordentliche 14,86 Meter. Der zweite landete sogar weit hinter der 15-Meter-Marke, doch halten konnte Andreas Bechmann den Stoß nicht. Den dritten Versuch schon. Erst nach 15,81 Metern berührte die 7,26-Kilo-Kugel wieder den Rasen. Damit steigerte sich Andreas Bechmann um 43 Zentimeter. Dementsprechend groß war sein Jubel. „Der Kugelstoß ist meine neu entdeckte Stärke dieses Jahr“, sagte Andreas Bechmann und ergänzte zum vorangegangenen Weitsprung: „Ich wollt es nicht so spannend machen und bin im Laufe des Wettkampfes vier Füße mit dem Anlauf zurückgegangen.“

Diskussionsbedarf hatte Nils Laserich. Der dritte Versuch des Leverkuseners wurde ungültig gegeben. Die Begründung der Kampfrichter: Der Klettverschluss seines Spezialschuhs hatte sich gelöst und von oben den Balken berührt. Nils Laserich protestierte gegen die Entscheidung, doch die Kampfrichter blieben nach mehrminütigem Video-Studium bei ihrer Meinung, da die Aufnahmen nicht das Gegenteil belegen konnten. So gingen 14,25 Meter für den Leverkusener in die Wertung ein. „Ich hätte das Video gern gesehen. Sicherheitshalber wurde der dritte Versuch ja gemessen und war mit 14,05 Metern etwas kürzer“, so Nils Laserich.

Mit seiner neuen Bestleistung hat Andreas Bechmann die Zehnkampf-Führung mit 2.711 Punkten vor Makenson Gletty (Frankreich; 2.601 pt), der den Kugelstoß mit 16,36 Metern gewann, übernommen. Dahinter folgen Sven Roosen (Niederlande; 2.588 pt) und Nils Laserich (2.546 pt).
 

Hochsprung

Bechmann mit Schmerzen, Laserich mit Bestleistung

Im vierten Wettbewerb der Titelkämpfe machten sich bei Andreas Bechmann die Beschwerden bemerkbar, die ihn schon zur Aufgabe in Götzis (Österreich) gezwungen hatten und ihm auch in Ratingen zu schaffen machten: Das Fußgelenk seines linken Sprungfußes schmerzte. In einer seiner Paradedisziplinen schwang er sich dennoch über gute 2,02 Meter, dann aber verzichtete er auf weitere Sprünge. Mit 3.533 Punkten und damit mehr als 200 Zählern Vorsprung auf Makenson Gletty (Frankreich; 3.315 pt) wahrte er souverän seinen Platz an der Spitze des Feldes.

Und auf Platz drei? Auf Platz drei pirschte sich mit dem Hochsprung Nils Laserich nach vorne! Der Leverkusener sammelte mit 1,96 Meter die zweite Einzel-Bestleistung ein und kam damit satte zehn Zentimeter höher hinaus als bei seinem bisher einzigen Männer-Zehnkampf im Juni in Bernhausen. Dort war er am Ende bei 7.648 Punkten angekommen, auch diese Bestmarke wackelt, zumindest nach vier Disziplinen.
 

400 Meter

DLV-Zehnkämpfer führen Feld von Tallinn an

Platz eins und zwei für Andreas Bechmann (4.447 pt) und Nils Laserich (4.221 pt) nach Tag eins der U23-Europameisterschaften – ein Zwischenstand, der aus deutscher Sicht besser nicht sein könnte, auch wenn man weiß, dass der erste Tag für beide DLV-Athleten in der Regel der stärkere ist. Zugleich konnten beide auch in den ersten fünf Disziplinen in Summe deutlich draufpacken auf ihre Resultate in ihrem bisher besten Zehnkampf.

Andreas Bechmann ging die 400 Meter trotz Fußschmerzen offensiv an und hatte sich auf der Zielgeraden einen großen Vorsprung verschafft, bis die Kräfte schwanden. Der Niederländer Sven Roosen (47,47 sec) zog noch vorbei und platzierte sich damit in der Gesamtwertung (4.220 pt) auf Platz drei. Der Frankfurter rettete in 47,90 Sekunden Platz zwei über die Ziellinie. Damit hat er gegenüber seinem bisher einzigen 8.000-Punkte-Zehnkampf 2019 (8.132 pt) zur Halbzeit in Tallinn 108 Zähler mehr auf dem Konto. "Dem Fuß geht's nicht gut, das wusste ich vorher schon, das ist kein Geheimnis. Ich habe dort ein Knochenmark-Ödem und schaue jetzt von Disziplin zu Disziplin. Ich habe heute gezeigt, was ich kann. Und ich würde mich freuen, den Titel wieder nach Deutschland zu holen. Aber das ist Zehnkampf, da kann alles passieren."

Nils Laserich war im Lauf zuvor von Bahn zwei aus allen davongerannt und konnte das Tempo bis ins Ziel halten. In 48,03 Sekunden verbesserte er seine Bestleistung um 77 Hundertstel und war fast eine Sekunde schneller als im Juni in Bernhausen. 152 Punkte liegt er bisher oberhalb dieses Zehnkampf-Resultats. "Ich bin mehr als zufrieden mit dem Tag", bilanzierte der 19-Jährige, der noch zwei weitere Jahre in der U23 vor sich hat. "Im Hochsprung nach zwei Jahren endlich wieder eine PB. Das Ziel für morgen wird die Medaille bleiben, aber wer mich kennt weiß, dass ich am zweiten Tag mit den Hürden und dem Stabhochsprung noch schwächere Disziplinen vor mir habe."

 

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