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Veränderung als Chance: Neue Wege der DLV-Athleten

Die Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio hat die Welt des Sports vor komplett neue Herausforderungen gestellt. Diese nicht nur zu bewältigen, sondern sogar bestmöglich für sich zu nutzen – das ist die Aufgabe, vor der zurzeit alle Athleten und ihre Trainer stehen. Viele Leichtathleten haben die veränderte Situation längst als Chance begriffen. Sie starten mit Rückenwind auf die „Road to Tokyo“.
Silke Bernhart

"Durch die Verschiebung kann ich nun an meinen offensichtlichen Schwächen arbeiten. Es ist ein Vorteil, weil ich noch relativ jung bin.“ Dieser Satz stammt von einem Weltmeister. Einem Überflieger. Einem Athleten, der eigentlich auf der Überholspur vom WM-Podest in Doha (Katar) direkt in Richtung Olympia-Medaille hätte durchstarten können. Aber Zehnkämpfer Niklas Kaul (USC Mainz) haderte nicht mit der Entscheidung, die Spiele in Tokio (Japan) von 2020 auf das Jahr 2021 zu verschieben. Er sah schon Anfang April im Gespräch mit sportbuzzer.de die Chance, die diese Verschiebung für ihn bringen könnte.

Es ist eine Einstellung, die sich mittlerweile viele Spitzenathleten zu eigen gemacht haben. Denn diese Zeit bringt ihnen zugleich die Möglichkeit, im Training Neues auszuprobieren, im Privaten lange aufgeschobene Projekte anzugehen, an Schwächen zu arbeiten oder aber dem Körper einfach etwas Ruhe zu gönnen, um frisch in die Vorbereitung auf die Olympia-Saison 2021 zu starten – und dort dann im besten Fall auf einem höheren Leistungsniveau um die Olympia-Qualifikation zu kämpfen.

„Für mich persönlich sehe ich es als eine Chance, Zeit zu gewinnen, mich weiterzuentwickeln“, sagt zum Beispiel auch Mittelstrecklerin Caterina Granz (LG Nord Berlin). „Meine Motivation sinkt nicht, sie erwächst nicht nur aus der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020.“ Die 26-Jährige hatte sich im Jahr 2019 mit einer deutlichen Steigerung über 1.500 Meter erstmals für eine WM qualifiziert. Für die direkte Olympia-Qualifikation abseits vom World Ranking muss sie noch eine Schippe draufpacken.

Mit Yoga durch die Zeit der Ungewissheit

Auch Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar) hat die zurückliegende Zeit trotz eingeschränkter Trainingsmöglichkeiten optimal genutzt, unter anderem mit fast täglichen Yoga-Einheiten. „Auf die Idee musste uns erst Corona bringen“, berichtet die Sprinterin lachend – zuvor hatte sie Yoga nur sporadisch oder im Trainingslager ausprobiert. „Jetzt ziehen wir das schon seit sieben Wochen konsequent durch. Ich bin mega happy und absolut begeistert. Meine Beweglichkeit hat sich unglaublich verbessert!“ Rund 15 Kaderathleten haben sich den digitalen Übungsstunden angeschlossen, die von Psychologin und Yoga-Lehrerin Colette Altwasser angeboten werden.

Darüber hinaus hat es auch Trainer Rüdiger Harksen geschafft, seine Athletinnen – zu denen auch die EM-Fünfte über 100 Meter Hürden Ricarda Lobe (MTG Mannheim) zählt – mit neuen Trainingsinhalten zu begeistern. „An der Thingstätte in Heidelberg haben wir einen Mix aus Treppen- und Bergläufen gemacht“, berichtet Lisa Mayer, die nach einer langen Verletzungsphase ein neues, positives Körpergefühl gewonnen hat. Auch dem Kopf hätten die neuen Reize gutgetan. „Jetzt können wir die ersten Wettkämpfe kaum erwarten!“

Technische Feinheiten für den optimalen Sprung

Sieben Schritte sollen für den ebenfalls lange von einer Knieverletzung ausgebremsten Hochspringer Tobias Potye (LG Stadtwerke München) den Weg nach Tokio ebnen. „Endlich haben wir angefangen, an meinem neuen Anlauf zu arbeiten“, schreibt der einstige U20-Europameister am Dienstag in seiner Instagram-Story. „Sieben Schritte statt fünf. Noch viel zu tun, aber ich bin froh, dass ich wieder springen kann.“

In einer ähnlichen Situation befindet sich Weitspringerin Julia Gerter (Königsteiner LV): Sie hatte im vergangenen Jahr in Dessau mit 6,62 Metern den zweiten 6,60-Meter-Sprung ihrer Karriere gezeigt – bevor ihr beim nächsten Versuch die Achillessehne riss. „Ich persönlich sehe es als Chance, mich nach meiner schweren Verletzung ein Jahr länger auf die Spiele vorzubereiten“, hatte die 25-Jährige daher bereits direkt nach Bekanntgabe der Olympia-Verschiebung erklärt.

70 Kilometer für die DKMS

Marathonläufer Tobias Blum (LC Rehlingen) hätte im Frühjahr nach seiner neuen Halbmarathon-Bestzeit (63:19 min) auch im Marathon den nächsten Leistungsschritt machen können. Nach der Absage aller großen Laufveranstaltungen schmiedete er kurzerhand eigene Pläne: Ein Charity-Lauf für die Deutsche Knochenmark-Spende (DKMS) wurde zugleich zu seinem ersten Ultramarathon. Nach 70 Kilometern hatte der 25-Jährige mehr als 2.000 Euro für den guten Zweck beisammen – und einen ganz neuen Trainingsreiz in den Beinen. Tokio 2020 wäre für ihn wohl zu früh gekommen, Tokio 2021 könnte zu seiner Chance werden.

Doch auch Athleten wie Lisa Ryzih (ABC Ludwigshafen), die bereits zwei Olympische Spiele miterleben durfte und im September 32 Jahre alt wird, können aus der neu gewonnenen Zeit Positives gewinnen: „Ich hatte ein Jahr verloren. Jetzt kriege ich ein Jahr zurück“, sagte sie jüngst gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit Blick auf ihre Promotion im Fach Psychologie. Die will sie nun vor den nächsten Sommerspielen abschließen – und mit einem freien Kopf nach Tokio reisen.

Mehr Zeit mit dem neuen Trainer

Siebenkämpferin Claudia Salman-Rath (LG Eintracht Frankfurt), erwartet im September ihr erstes Kind. Tokio 2020 wäre daher für die 34-Jährige auch aufgrund einer langen Verletzungshistorie kein Thema gewesen – Tokio 2021 könnte es wieder werden. Auch für Diskuswerferin Julia Harting (SCC Berlin) dürfte die Olympia-Verschiebung nach der Geburt ihrer Zwillinge die Chance erhöhen, sich in dieser in Deutschland so hochklassig besetzten Disziplin in Bestform ein Olympia-Ticket zu erkämpfen.

Im Marathon möchte die EM-Elfte Fabienne Königstein (MTG Mannheim) mit einem neuen Trainer neue Reize setzen: Erfolgscoach Wolfgang Heinig soll die Deutsche Meisterin von 2018 noch schneller machen. Auch Langstrecklerin Alina Reh (SSV Ulm 1846) hat mit Bundestrainer André Höhne einen neuen Coach in ihrer Seite. Das Jahr 2020 ohne internationale Meisterschaften können sie nutzen, um als Team zusammenzuwachsen und 2021 noch stärker anzugreifen.

So bringt die Zeit der Corona-Pandemie neben vielen Unsicherheiten, Ängsten und Problemen für jeden auch eine zweite Seite mit sich: die der Freiräume, Chancen und Ideen – im Privaten wie im Sportlichen. Es gilt, die Zeit bestmöglich zu nutzen. Denn die nächste Gelegenheit, neue Impulse und neu Erlerntes unter Beweis zu stellen, kommt bestimmt! Vielleicht schon viel früher, als man heute noch denken mag.
 

Die DLV-Athleten sind #BackOnTrack!
Nach den wochenlang eingeschränkten Trainingsmöglichkeiten aufgrund geschlossener Sportstätten kehren die Leichtathleten jetzt nach und nach auf Sportplätze, Laufbahnen und in Krafträume zurück. Sie trainieren für eine Late Season 2020 und langfristig für die nächsten internationalen Top-Events. Auf leichtathletik.de begleiten wir die DLV-Athleten dabei! In den kommenden Tagen zeigen wir, wie sie die aktuelle Zeit bestmöglich für sich nutzen – und geben Anregungen für neue Trainingsinhalte und Trainingsmittel!
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