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Manuel Sanders – Erst ausgebremst, dann durchgestartet

Gleich 13 Athleten haben bei den Deutschen Meisterschaften im Sommer den ersten nationalen Titel ihrer Karriere gefeiert. Unter ihnen sind einige neue Gesichter und andere, die schon länger zur DLV-Spitze zählen. leichtathletik.de erzählt, wie sie es ganz oben aufs Podest im Berliner Olympiastadion geschafft haben, heute geht es um 400-Meter-Sprinter Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund).
Jan-Henner Reitze

Manuel Sanders
LG Olympia Dortmund

Bestleistung:

400 Meter: 45,86 sec (2019)

Erfolge:

U23-Europameister 2019 (Staffel)
Siebter U20-EM 2017
Fünfter U20-WM 2016 (Staffel)
Deutscher Meister 2019

Die Rennen über die Stadionrunde haben bei den Deutschen Meisterschaften im Berliner Olympiastadion im zurückliegenden Sommer gleich ein Quartett an Athleten hervorgebracht, die erstmals einen nationalen Einzeltitel bei den Aktiven geholt haben, jeweils in offenen und spannenden Finals. Aus der Reihe dieser jungen, aufstrebenden neuen Gesichter ist Manuel Sanders durch Erfolge im U20-Bereich schon eher ein bekannterer Name gewesen. Sein Triumph-Lauf inklusive seiner ersten Zeit unter 46 Sekunden kam dennoch überraschend, weil der 21-Jährige nach einer Schambeinentzündung erst im Februar wieder mit dem Training begonnen hatte.

„Eigentlich hatte mich mein neuer Trainer Thomas Kremer schon darauf eingestimmt, dass 2019 ein Übergangsjahr wird“, erzählt der Athlet der LG Olympia Dortmund. „Er hat mich das Training ganz vorsichtig wieder aufnehmen lassen. Ich konnte die Intensität der Belastung nach und nach erhöhen. Dass es so schnell wieder so gut geklappt hat, ist ein kleines Wunder.“

Die Bilanz kann sich sehen lassen: Bei allen internationalen Startmöglichkeiten war der Westfale dabei, von der Staffel-WM über die U23- und Team-EM bis hin zur WM zum Saisonabschluss. Emotionaler Höhepunkt war neben dem ersten DM-Titel die Goldmedaille mit der 4x400-Meter-Staffel bei der U23-EM in Gävle (Schweden).

Mehr als Zehnkampf

Mit der Leichtathletik begonnen hat Manuel Sanders schon zu Beginn seiner Grundschulzeit. „Meinen Eltern war es wichtig, dass ich Sport mache.“ In seiner Heimat bei der TSG Dülmen probierte er alle Disziplinen aus, mit Spaß und Erfolg auf Landesebene, aber ohne in seiner Altersklasse in Deutschland ganz vorne mitzumischen.

Als U18-Athlet war dem Zwei-Meter-Mann selbst der Zehnkampf zu wenig, in dem er es im Jahr 2015 mit 5.767 Punkten in die DLV-Bestenliste schaffte. Ohne Spezialisierung brachten ihm schon damals die 400 Meter (49,97 sec) die meisten Punkte. Sein Name findet sich in dem Jahr aber auch über 400 Meter Hürden (57,34 sec) und im Dreisprung unter den Top 50 in Deutschland.

Schneller Durchbruch über 400 Meter

Zu Beginn des Sommers 2016 trat der vielseitige Athlet auf Anraten seines damaligen Trainers Thomas Bleß in Gladbeck zu seinem ersten ernsthaften 400-Meter-Rennen an, in dem er sich auf 48,18 Sekunden steigerte und damit gleich zu den besten U20-Athleten zählte. Die Spezialdisziplin war gefunden.

„Die letzten 100 Meter tun zwar immer weh, aber das macht den Reiz der Strecke eben aus“, beschreibt der Langsprinter die Vorzüge gegenüber anderen Disziplinen. „Wenn man im Ziel liegt und weiß, was man getan hat, dann ist man glücklicher.“

Weitere Steigerungen brachten ihn anschließend in die Staffel zur U20-WM in Bydgoszcz (Polen), wo er gemeinsam mit Julian Wagner (LAC Erfurt), Fabian Dammermann (LG Osnabrück) und Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz) den fünften Platz (3:08,13 min) ersprintete. Das erste Jahr als 400-Meter-Athlet endete mit Bestzeit (47,27 sec) und Silber bei der U20-DM in Mönchengladbach.

Aufstieg setzt sich fort

In seinem zweiten U20-Jahr ging es nahtlos weiter mit den Erfolgen. Manuel Sanders gelang auch im Einzel die Qualifikation für die U20-EM in Grosseto (Italien) und dort im Finale Rang sieben (46,82 sec). Wermutstropfen war die Disqualifikation mit der Staffel wegen eines Wechselfehlers im Finale. Auf nationaler Ebene brachte der Saisonabschluss mit 46,63 Sekunden wieder ein Bestzeit und diesmal den Titel bei der Jugend-DM in Ulm.

In seinem ersten Männerjahr, in dem er für den SC Preußen Münster startete, blieb das Nachwuchstalent seiner Heimat noch verbunden, auch um dort seine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann abzuschließen. Dass er es versteht, auf den Punkt fit zu sein, zeigten wieder die Deutschen Meisterschaften. Dabei glückte in Nürnberg in 46,45 Sekunden erneut eine Bestzeit und damit Rang sechs. Der damals 20-Jährige wurde ins Staffelaufgebot für die EM in Berlin berufen, wo er aber nicht zum Einsatz kam.

Wechsel nach Dortmund nächster Karriereschritt

Zwar ausgebremst von der schon angesprochenen Schambeinentzündung, aber dafür ausgestattet mit einem erfolgreichen Ausbildungsabschluss, machte Manuel Sanders vor einem Jahr mit Umzug nach Dortmund den nächsten Schritt in ein noch professionelleres Umfeld. Die LG Olympia als neuer Verein unterstützte ihn, einen passenden Arbeitgeber zu finden. „Ich arbeite 15 Stunden die Woche bei einer Eventagentur, was sich optimal mit dem Sport verbinden lässt“, berichtet er.

Neben dem erfahrenen Thomas Kremer als Trainer, der schon den Europameister von 2002 Ingo Schulz und den Hallen-Vize-Europameister von 2007 Bastian Swillims betreute, bietet der neue Standort mit dem Deutschen Hallenmeister Torben Junker und Henrik Krause (beide LG Olympia Dortmund) auch leistungsstarke Trainingspartner.

Dass trotz des verkürzten Aufbaus in diesem Sommer der nationale Titel und passend zu den Deutschen Meisterschaften wieder eine Bestzeit gelangen, sind die ersten Früchte des neuen Umfelds. Das Potenzial hatte sich bei der U23-EM schon angedeutet. In Gävle sicherte Manuel Sanders dem deutschen Quartett als Schlussläufer in 45,11 Sekunden die Goldmedaille, mit dabei waren übrigens wieder Fabian Dammermann und Marvin Schlegel. Das brachte drei Wochen vor der DM in Berlin ordentlich Selbstvertrauen.

Olympia als Nah- und Fernziel

Aktuell hat Manuel Sanders das Aufbautraining in Dortmund beschwerdefrei aufgenommen. Wenn das Training weiter so gut läuft und anschlägt, steht weiteren Fortschritten nichts im Weg. Das Ziel Tokio (Japan) ist im Hinterkopf. „Mit der Staffel wollen wir uns noch für Olympia qualifizieren“, sagt der Deutsche Meister, der aber auch ein Kandidat für die Olympischen Spiele 2024 in Paris (Frankreich) ist.

Ausbaufähig ist zum Beispiel noch die Schnelligkeit, über 200 Meter liegt seine Bestzeit bisher bei 21,70 Sekunden. Eine Hallenbestleistung über 400 Meter steht übrigens noch keine zu Buche. Aufgrund seiner Größe ist er bisher bei keinem Rennen in den engen Kurven angetreten. Das wird wohl auch erst einmal so bleiben.

Video-Interview: Manuel Sanders: "Mit der Platzierung habe ich nicht gerechnet!"

Das sagt Bundestrainer Edgar Eisenkolb:

Was Manuel trotz seiner verspäteten Vorbereitung aus diesem Jahr gemacht hat, war besonders. Er war bei allen internationalen Wettkämpfen des Sommers dabei. Bei der U23-EM hat er mit einer sehr guten Leistung als Schlussläufer zur ersten Goldmedaille einer 4x400-Meter-Staffel für Deutschland seit 20 Jahren beigetragen.

Mit Thomas Bleß hat er in Dülmen gute Grundlagen gelegt. Mit dem Wechsel nach Dortmund zu Thomas Kremer hat er jetzt den nächsten Entwicklungsschritt gemacht. Er ist ein Zwei-Meter-Mann, für die Halle sicherlich kein Vorteil, für draußen aber perfekt. Er hat gelernt, sein Rennen besser einzuteilen, hat dort aber noch Reserven. Er neigt eher dazu, zu langsam anzugehen. Sein Gefühl für die Strecke hat sich entwickelt, kann sich aber noch stabilisieren. Verbessern kann er sich auch noch im athletischen Bereich und auf der Unterdistanz.

Seine Bestzeit kann Manuel in Zukunft weiter steigen, um im neuen Olympiazyklus vielleicht den Status für einen Einzelstart zu erreichen. Auch die EM in Paris im nächsten Jahr ist eine große Motivation. Da ist er auf einem Niveau in Richtung Einzelstart angekommen. Das wäre auch eine schöne weitere Erfahrung.

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