| Olympia-Vorbereitung

Tobias Dahm: Kienbaum, Rio – Olympia-Finale?

Drei Wochen lang hat sich Kugelstoßer Tobias Dahm im Bundesleistungszentrum in Kienbaum vor den Toren Berlins den letzten Schliff für Rio geholt. Im Gespräch mit leichtathletik.de-Mitarbeiter Peter Grau berichtete er dort von seinem Trainingsalltag, blickte voraus auf seine Olympia-Premiere und formulierte klare Ziele.
Peter Grau

„Ich freue mich sehr auf den Start bei den Olympischen Spielen. Und ich fliege voller Selbstvertrauen hin. Am 18. August will ich die Qualifikation überstehen und dann am gleichen Tag im Finale möglichst Bestleistung stoßen.“ So wie Tobias Dahm (VfL Sindelfingen) diese Worte bei unserem Gespräch im Bistro des Trainingszentrums sagt, in seiner ruhigen, freundlichen, aber bestimmten Art, nimmt man sie ihm gerne ab

Ein wenig denke ich an das Sprichwort: „ In der Ruhe liegt die Kraft.“ Der Kugelstoßer bestätigt, dass ihm seine Gelassenheit bei Wettkämpfen zugutekommt. „Ich bin immer recht ruhig, im Gegensatz zu vielen Athleten, die Tage vorher schon aufgeregt sind. Erst auf der Fahrt ins Stadion und dann beim Warmmachen werde ich etwas nervöser.“ Doch allein mit Ruhe fliegt die 7,26-Kilo-Kugel nicht. Dazu ist mehr notwendig. Vor allem intensives Training. Und das hat er gerade hinter sich.

Tobias Dahm kann über die Trainingsbedingungen in Kienbaum nur Gutes berichten. „Ich bin drei Wochen hier gewesen und mit meinem Trainingszustand sehr zufrieden.“ Zwei Wettkämpfe standen währenddessen auf dem Programm. Am 29. Juli stieß er in Schönebeck 19,84 Meter, „viel mehr war nicht zu erwarten, ich kam ja aus dem harten Training.“ Zwei Tage später schaffte er in Gotha 20,12 Meter. „Aber nach dem dritten Versuch habe ich aufgehört, weil es so geschüttet hat und ich vorsichtig sein wollte.“

Sechs Minuten im Kältebecken

Wie sah in diesen drei Wochen sein Trainingsalltag in Kienbaum aus? Tobias Dahm scheint es Spaß zu machen, darüber zu berichten: „Meistens klingelt der Wecker um 7:30 Uhr, um 8 Uhr ist Frühstück angesagt. Die erste Trainingseinheit beginnt gegen 10 Uhr, mit Erwärmung auf dem Ergometer oder beim Tischtennis oder Basketball.“

Dann folgt die Arbeit mit der Kugel. „ In der Regel stoßen wir in der Wurfhalle und setzen dabei verschiedene Reize.“ Nicht nur mit der Wettkampfkugel wird gestoßen, sondern auch mit sechs und acht Kilo schweren Kugeln. Zwischen 35- bis 50-mal fliegen diese durch die Luft.

Anschließend werden im Kraftraum noch einige Übungen für Rumpf und Schulter durchgeführt, „ für die kleine Muskulatur“, wie Tobias Dahm erklärt. Dann folgt die Krönung des Vormittags, der „Sprung“ ins Kältebecken. „Sechs Minuten bin ich drin, das ist kein Problem für mich. Man kann sich das wie ein Bad im Gebirgsbach vorstellen.“

Mittagspause wichtig für die Regeneration

Nach dem Kältebecken geht‘s zurück ins Zimmer, schnell duschen – und dann ab zum Mittagessen in die Mensa, wo schmackhaftes Essen wartet. An diesem Tag auf dem Speiseplan: Wildbraten mit Rotkohl und Knödel, Hähnchensteak Mexico mit Brokkoli und Reis und als drittes Gericht Frühlingsquark mit Kartoffeln. Was wählte Tobias Dahm? „Ich habe von allem etwas gegessen“.

Eine längere Mittagspause folgt, „da schlafe ich so zwischen 20 und 40 Minuten“. Das klingt nicht viel, aber wenn Tobias Dahm später vom normalen Leben in Stuttgart, vom Pendeln zwischen Arbeit und Sport, erzählt, muss man das anders sehen. Hier bekommt das Wort „ Regeneration“ einen ganz anderen Klang.

Scharfe Stöße und Bankdrücken

Ab 16 Uhr ist die zweite Trainingseinheit angesetzt. Da kommen die „scharfen Stöße“, sagt Tobias Dahm, „da versuche ich wettkampfnah zu stoßen.“ Je nachdem, was der Körper sagt, absolviert er dann noch einmal 20 bis 25 Stöße.

Im Kraftraum folgen zum Ende des Trainingstags Übungen wie Bankdrücken, Reißen, Kniebeugen und Beinpresse, je nach Trainingsphase mit unterschiedlichen Gewichten. „Zurzeit mache ich beim Bankdrücken mit der Freihantel drei Wiederholungen in fünf Serien und bewege dabei zwischen 210 und 230 Kilo“, erklärt er. „Das Reißen versuchen wir relativ schnell auszuführen, in der gleichen Technik wie die normalen Gewichtheber, aber nicht ganz so tief in der Hocke.“ Bis maximal 95 Kilogramm bewältigt er da.

Olympia-Nominierung: Auf Enttäuschung folgt Freude

Das Gesamtpaket Kienbaum stimmt für Tobias Dahm. Und er genießt die intensive Zeit umso mehr, weil seine Nominierung für die Olympischen Spiele nicht eben glatt verlief. Im Freien kämpfte er lange kämpfte er vergeblich um die Olympia-Norm (20,50 m), nachdem er in der Halle mit 20,56 Metern schon vorgelegt und auch bei der EM in Amsterdam mit 20,42 Metern in der Qualifikation vielversprechend begonnen hatte.

Aber es fehlte einfach der Ausreißer nach oben, auch im EM-Finale, in das er mit 20,03 Metern ordentlich einstieg. „Aber dann hat man nur noch fünf Versuche und man zählt die innere Uhr herunter. Ich wurde nervöser, konnte die Atmosphäre nicht aufsaugen“, erinnert er sich. 20,25 Meter, Platz sieben. Tobias Dahm war sehr enttäuscht. „ Damit stand für mich Rio in weiter Ferne.“ Umso schöner war es, als er zwei Tage später doch von seiner Nominierung erfuhr.

Spagat zwischen Arbeit und Sport

Die Olympia-Nominierung von Tobias Dahm – fast ein kleines Wunder, wenn man weiß, dass der Sindelfinger zwischen Arbeit und Sport pendelt, als Kfz-Mechatroniker einen Vollzeitjob in der Pkw-Entwicklung von Mercedes-Benz in Sindelfingen hat. Seine verfügbare Zeit für den Sport tendiert da fast zum amateurhaften – aber sein Erfolg zeigt, was trotzdem möglich ist.

Der Alltag von Tobias Dahm spielt sich komplett im Raum Stuttgart ab – mit zwei Wohnsitzen, der eine bei den Eltern in Neuhengstett 40 Kilometer vor Stuttgart, der andere in einer WG in Stuttgart. Gegen 4:40 Uhr steht der Württemberger auf, um 21 Uhr ist der Tag beendet. Dazwischen: acht Stunden Arbeit und rund fünf Stunden Training.

„Seit langem habe ich zwei Trainer. Einmal meinen Heimtrainer Joachim Lange, den Bruder meiner Mutter. Und zum anderen den Landestrainer Peter Salzer. Beide ergänzen sich sehr gut“, lobt er und fügt an: „ Ich bin froh, dass ich zweigleisig fahre, also Arbeit und Sport habe. Es ist zwar auch gut, wenn man nur Sport betreibt, aber ich bin kein Mensch, der sich Tag und Nacht nur mit dem Sport beschäftigen will. Ich brauche auch etwas anderes, etwas, was meinen Kopf mehr beschäftigt. Ich brauche eine Arbeit, die in meinen Augen sinnvoll ist.“

Noch zwölf Tage bis zum Höhepunkt

Die letzten Tage bis zum 18. August will Tobias Dahm nun auch noch perfekt gestalten. Am 7. August fliegt er heim nach Stuttgart, dort wird dann bis zum 12. August durchtrainiert, aber mit deutlich reduzierten Intensitäten. Für den 12. August ist sein Abflug nach Rio de Janeiro terminiert.

Anschließend sind es nur noch wenige Tage bis zum 18. August. Wenn sich Kugelstoßer Tobias Dahm gemeinsam mit Vize-Weltmeister David Storl (SC DHfK Leipzig) im Olympiastadion von Rio de Janeiro präsentieren darf. Darauf freut er schon heute unbändig.

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