Der Zehnkampf von Rio wird als der bisher hochklassigste in die Geschichte von Olympischen Spielen eingehen. Weltrekordler Ashton Eaton wurde vom Franzosen Kevin Mayer so sehr gefordert wie lange nicht. Kai Kazmirek sorgte als Vierter für die beste DLV-Olympia-Platzierung seit Silber 1996 von Frank Busemann.
Für viele stand im Vorfeld fest: Sofern Ashton Eaton (USA) in Rio nicht patzt, ist ihm Gold nicht zu nehmen. Der Weltrekordler patzte nicht – und doch musste er bis zum letzten Wettbewerb hellwach sein, um seinen zweiten Olympiasieg in Folge einzufahren. Mit 8.893 Punkten – olympischer Rekord – und durch die Bank guten bis sehr guten Leistungen schaffte er es schließlich bis ganz oben aufs Podest, mit Highlights im Weitsprung (7,94 m), über 400 Meter (46,07 sec) und im Stabhochsprung (5,20 m).
Dahinter lief ein Athlet zu Höchstform auf, der in der Vergangenheit sein Potenzial zwar angedeutet, aber nie voll ausgeschöpft hatte: Der ehemalige U18- und U20-Weltmeister aus Frankreich Kevin Mayer. Mit 8.834 Punkten pulverisierte er den 26 Jahre alten Landesrekord von Christian Plaziat und blieb mehr als 300 Punkte über seinem alten Hausrekord.
Den Weg zu Silber ebnete der 24-Jährige an Tag zwei mit herausragenden 5,40 Metern im Stabhochsprung. Auch im Kugelstoßen (15,76 m) war er am Tag zuvor der beste Athlet unter den Zehnkämpfern gewesen. Mit 65,04 Metern im Speerwurf hatte er sich Ashton Eaton vor den 1.500 Metern bis auf 44 Zähler genähert. Dieser heftete sich dann aber in der letzten Disziplin an die Fersen seines ärgsten Konkurrenten und lief mit einem Schlussspurt noch zwei Sekunden Vorsprung heraus.
Kai Kazmirek kratzt an den 8.600 Punkten
Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied) hatte mit einem gewohnt starken ersten Tag auf Platz zwei übernachtet und trotz schwächerer Leistungen über die Hürden (14,62 sec) und mit dem Diskus (43,25 m) am Donnerstag nicht allzu viel Boden auf die Führenden verloren. Nachdem der Kanadier Damian Warner – zuvor als erster Anwärter auf Silber gehandelt – im Stabhochsprung mit 4,70 Metern Punkte liegen ließ, hätte der Rheinländer mit 5,20 Metern sogar Chancen gehabt, diesem noch die Bronzemedaille streitig zu machen. Doch die Latte fiel.
So ging Kai Kazmirek auf Rang vier mit 65 Punkten Rückstand auf Damian Warner und einem sicheren Polster auf die Verfolger in die letzten zwei Disziplinen. Im Speerwurf setzte er mit Bestleistung (64,60 m) eine weitere Attacke auf den dritten Podiumsplatz. 44 Punkte Rückstand konnte er aber schließlich über 1.500 Meter (4:31,25 min) trotz Bestleistung nicht mehr wett machen. So ging Bronze nach Kanada (8.666 Pkt).
Ein starker vierter Platz im hochklassigsten Olympia-Zehnkampf der Geschichte darf Kai Kazmirek aber mit Stolz erfüllen: Er überbot mit 8.580 Punkten seine Bestleistung um 109 Punkte und sorgte für das beste deutsche Zehnkampf-Resultat bei Olympischen Spielen seit 1996 und Silber von Frank Busemann.
Bei Arthur Abele schwinden die Kräfte
Eine ähnliche Welle wie in Rio Kevin Mayer hatte in Ratingen Arthur Abele erwischt. Diese hatte den 30-Jährigen im Juni bis auf 8.605 Punkte getragen. In Rio gelang ihm eine Wiederholung dieser Leistung nicht. Schon am ersten Tag hatte er im Weitsprung (6,97 m ohne Brett nach zwei Ungültigen) wertvolle Punkte liegen gelassen. Am zweiten Tag musste er im Stabhochsprung mit 4,50 Metern, geplagt von Krämpfen, einen Dämpfer einstecken.
Der Speerwurf und besonders die 1.500 Meter waren dann nur noch eine Qual. Sichtlich von Schmerzen geplagt humpelte der eigentlich gute Läufer nach 4:53,07 Minuten über die Ziellinie und konnte minutenlang nicht aufstehen. Mit 8.013 Punkten brachte er den Zehnkampf als 15. zu Ende. Bei weitem nicht das, was er sich erträumt hatte. Aber doch nach dem frühen Aus bei Olympia 2008 in Peking (China) sein erster beendeter olympischer Zehnkampf und eine Leistung, die nach Jahren geprägt von Verletzungen und 16 Monate nach seinem Achillessehnen-Riss Respekt abverlangt.
Der dritte DLV-Starter, der Bronzemedaillen-Gewinner der letztjährigen Weltmeisterschaften von Peking Rico Freimuth (SV Halle), kam im Olympiastadion von Rio nicht ins Ziel. Auch er hatte in diesem Jahr mit vielen kleineren Verletzungen zu kämpfen. Nach Rückenbeschwerden, zugezogen beim Weitsprung, quälte er sich noch durchs Kugelstoßen, bevor er den Zehnkampf abbrechen musste.
STIMMEN ZUM WETTBEWERB
Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied)
Es hat viel Spaß gemacht! Ich hatte noch nie so einen guten Wettkampf, bin eigentlich überall gut reingekommen, außer über die Hürden. Aber davon habe ich mich nicht beirren lassen. Die Coaches hatten im Rest-Room viel Spaß. Die Stimmung war die ganze Zeit über gut, das habe ich auf den Platz mitnehmen können. Ich bin Vierter mit Bestleistung geworden. Und ich fühle mich gut damit! Es ging ja nicht zuvorderst darum, hier irgendeine Platzierung zu erreichen, sondern eine neue Bestleistung aufzustellen. Und der Bessere gewinnt – so muss man das sagen. Ich habe mein Bestes gegeben, und wenn das für den vierten Platz reicht, dann bin ich damit sehr zufrieden!
Arthur Abele (SSV Ulm 1846)
Ich bin einfach nur fertig. Mir tut alles weh! Die Knie, die Waden, das IGS, meine Achillessehne... Während des Laufs hatte ich Krämpfe. Ich musste mich vorher noch behandeln lassen, ich konnte mich kaum bewegen, ich wusste gar nicht, ob ich laufen kann. Aber ich wollte das hier unbedingt zu Ende bringen. Ich bin wohl doch nur mit 80 Prozent an den Start gegangen, die letzten Wochen und Monate haben viele Körner gekostet, irgendwie ging es hier seit Sonntag von Tag zu Tag bergab. Ich bin müde und enttäuscht. Ich glaube, ich werde mich morgen nicht aus dem Bett bewegen. Dann muss mir jemand Frühstück bringen. Am besten, ich bleibe heute gleich in der Mensa liegen...
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