| Porträt

Mateusz Przybylko­ – ein Athlet mit Strahlkraft

Hinter dem Hochspringer Mateusz Przybylko liegt eine Saison voller Highlights und Emotionen. Einen langen Weg hat der 26-jährigen Europameister hinter sich, der nun Akzente setzt, die über den Sport hinausgehen sollen.
Lars-Henrik Wacker

Saisonabschluss im Berliner Olympiastadion. Die Kameras der Fotografen sind auf das Podium mit den Tagessiegern des ISTAF gerichtet. Doch einer betrachtet den Tagesabschluss fast völlig unbeobachtet aus der Ferne: Mateusz Przybylko (TSV Bayer 04 Leverkusen). Ganz entspannt sitzt der Hochspringer abseits in einem grauen Trainingsanzug, hat seinen Rucksack auf dem Rücken und träumt ein bisschen vor sich hin.

„Es war einfach eine geile Stimmung. Ich wollte schon immer mal beim ISTAF springen. Klar war es nicht leicht, da kurz vorher Eberstadt war, also zwei Wettkämpfe in kurzer Zeit. Aber nach dem EM-Titel hier nochmal zu springen, war mega cool“, sagte Mateusz Przybylko nach seinem zweiten Platz. Doch nach der kurzen Ruhepause folgte schnell wieder der Trubel, als er sich auf den Weg zum Ausgang machte.

Die beste Saison seiner Karriere

Die Fans standen Schlange für ein Autogramm oder Selfie mit dem frischgebackenen Europameister. Es ist der Lohn für die stärkste Saison seiner Karriere. „Ich kann es immer noch nicht fassen und muss alles noch Revue passieren lassen. Die Saison war wirklich schön. Ich habe gute Sprünge gezeigt, auch in verschiedenen Wettkämpfen“, sagt der 26-Jährige.

Jene guten Sprünge zeigte er beispielsweise während der Hallensaison, in der Diamond League oder auch beim deutschen Meistertitel in Nürnberg. Doch Berlin sollte alles überbieten, als der Hochspringer von Bayer 04 Leverkusen bis zu seiner Siegeshöhe von 2,35 Metern keine Schwächen zeigte und den ersten EM-Titel für Deutschland, nach Dietmar Mögenburg (1982), holte:

„Ich muss sagen, ich war heiß wie Frittenfett (lacht). Ich habe bei jeder Höhe 200 Prozent gegeben und es war ein perfekter Wettkampf. Einen Schlüsselmoment kann ich gar nicht sagen. Es war einfach ein perfekter Tag, die Zuschauer haben mich so gepusht und ich wollte unbedingt auf dem Podest stehen. Dass es Gold geworden ist, ist einfach nur schön“, sagt Deutschlands bester Hochspringer.

Aller Anfang ist schwer

Dabei war der Weg bis zum Triumph ziemlich lang und mit einigen bitteren Erfahrungen verbunden. Der gebürtige Bielefelder wollte anfangs Fußballer werden, wie sein Vater Mariusz, ein ehemaliger polnischer Fußballprofi. Doch im Gegensatz zu seinen jüngeren Brüdern, Kacper und Jakub, musste er schmerzhaft feststellen, dass aus der Laufbahn eines Profikickers nichts wird.

„Ich war früher immer so ein Träumer auf dem Platz. Und dann habe ich gemerkt, dass es nichts für mich ist. Ich war ein halbes Jahr Zuhause, war frustriert, wollte aber dennoch was machen. Dann hat mich Mama [Anm.: Violetta Przybylko, ehemalige Leichtathletin] zu einem Trainer mitgenommen und ich habe meinen Sport gefunden. Mannschaftssport ist nicht so meins, aber wenn ich mich auf mich selbst fokussieren kann, dann ist das mein Ding.“

Mit elf Jahren fand er also den Weg in die Leichtathletik und zu seinem ersten Verein, der LG Bielefeld, wo er zum Hochspringer heranreifte. Im Sportleben des Mateusz Przybylko, drehte sich fortan alles um Höhen, die von Jahr zu Jahr besser wurden. Seit 2009 startet der gebürtige Bielefelder für den TSV Bayer 04 Leverkusen und wird von Hans-Jörg Thomaskamp betreut.

Polen zeigte kein Interesse

Doch eine weitere Frage musste der Hochspringer für sich persönlich noch klären: Für welches Land geht er nun an den Start? Polen oder Deutschland? Die Antwort aus dem Land seiner Eltern war hart, wie der Sportsoldat zurückblickt: „Polen hatte die Chance gehabt, die wollten mich nicht haben, weil sie damals starke Hochspringer hatten. Doch jetzt bin ich eben die Nummer eins (lacht).“

Als DLV-Athlet setzte es zahlreiche Erfolge bei Nachwuchs-Meisterschaften – die Deutschen U23-Meisterschaften sicherte sich Przybylko von 2010 bis 2013 in Serie. Auch der Sprung in den Erwachsenenbereich sollte gelingen. 2013 gab es den ersten nationalen Hallentitel, den ersten DM-Titel im Freien sicherte sich der 1,95-Meter-Mann 2017 in Erfurt, nachdem er die Jahre zuvor schon auf dem Podest stand.

International lief es dagegen nicht ganz rund. 2015 schied er bei den Hallen-Europameisterschaften in Prag (Tschechien) und den Weltmeisterschaften in Peking (China) jeweils in der Qualifikation aus, auch bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (Brasilien) 2016 verpasste Mateusz Przybylko das Finale. Bei den Weltmeisterschaften in London (Großbritannien) 2017 sprang der fünfte Rang heraus, mit einer Höhe von 2,29 Metern.

Feintuning im Training

Dabei gelang ihm einige Wochen zuvor eine neue persönliche Bestleistung. Bei der „NRW-Gala“ in Bottrop schraubte sich Deutschlands bester Hochspringer auf 2,35 Meter und lieferte einen neuen Meetingrekord. Die Höhe hatte sich schon im Verlauf des Jahres 2017 angedeutet. Doch wer jetzt glaubt, dass Mateusz Przybylko sich die Latte im Training in solchen Regionen ständig auflegt, der irrt.

„Im Training ist das Wichtigste einfach das Feintuning. Wenn ich 100 Sprünge auf 2,30 Meter mache, aber zwei gültig sind, dann macht das keinen Sinn, weil man im Training auch Erfolgserlebnisse braucht. Deshalb springen wir auf 2,10 bis maximal 2,20 Meter, weil wir sauber arbeiten wollen. Auch ein Mutaz Barshim springt nicht mehr als 2,20 Meter“, verrät der 26-Jährige.

Große Inspiration – auch abseits der Leichtathletik

Wie der katarische Weltmeister inspiriert auch Mateusz Przybylko. Selbst andere Sportler schauen beim Europameister etwas genauer hin, beispielsweise Nachwuchsskispringer Constantin Schmid, der ebenfalls wie Weitspringerin Lea-Jasmin Riecke (Mitteldeutscher Sportclub) zur Wahl des Juniorsportlers des Jahres 2018 steht, und im Sommer auch als Hochspringer bei regionalen Wettkämpfen in Bayern unterwegs ist.

Ähnliche Erfahrungen machte Mateusz Przybylko während der EM in Berlin. „Als ich die Medaille abgeholt habe, saß ich im Shuttle auf dem Weg zurück. Da wurde ich auch von einem Handballer angesprochen, den mein Wettkampf fasziniert hat. Solche Rückmeldungen zeigen auch, dass eben nicht nur Fußball interessant ist, sondern auch die Leichtathletik“, so der 26-Jährige.

Doch diese Strahlkraft wird auch benötigt. Mit dem internationalen Hochsprung-Meeting in Eberstadt ist ein weiterer Hochsprung-Wettbewerb von der Karte verschwunden, sehr zum Bedauern von Przybylko: „Ich habe nach dem Wettbewerb mit dem Direktor, Peter Schramm, gesprochen, ob das Meeting wirklich wegfällt oder ein Nachfolger kommt. Das Problem ist halt immer das Geld, eben Sponsoren zu bekommen.“

Noch bessere Höhen als Antwort

Er kann sich auch vorstellen, einmal selbst etwas auf die Beine zu stellen. „Wenn ich fertig mit der Leichtathletik bin, möchte ich auch versuchen, mein eigenes Meeting zu organisieren“, sagt der Hochsprung-Spezialist. Bis dahin möchte der Athlet von Bayer 04 Leverkusen seine persönliche Bestmarke weiter in die Höhe schrauben und den deutschen Rekord knacken.

„Ich hoffe, dass es in den nächsten Jahren besser wird. Ich selbst habe mir vorgenommen, in der nächsten Zeit noch höher zu springen. Meine Ziele sind 2,35 bis 2,40 Meter, um zu zeigen, dass wir deutschen Hochspringer auch interessant sind. Leider sterben immer mehr Meetings weg, aber so möchte ich auch etwas dagegen steuern“, erklärt Mateusz Przybylko.

Bis es aber wieder für den großgewachsenen Hochspringer in die Vorbereitung der neuen Hallensaison geht, gönnt sich der Familienmensch eine Pause. Dann verbringt er die Zeit mit seiner Familie oder steigt auch mal auf das Motorrad. „Step by Step“ laut das Motto des 26-Jährigen für die WM-Saison. Und das beherzigt Mateusz Przybylko auch abseits des Sports: Mit seiner Freundin, Sprinterin Jennifer Montag, geht es erst einmal im Herbst für zwei Wochen nach Bali (Indonesien).

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