Kristin Gierisch hat am Samstag in Portland (USA) als erste deutsche Dreispringerin eine Medaille bei Hallen-Weltmeisterschaften geholt. 14,30 Meter bedeuteten Silber. Im Interview berichtete die Chemnitzerin anschließend, warum sie zunächst gar nicht bemerkt hatte, dass sie auf einem Podiumsplatz liegt, dass die mentale und körperliche Vorbereitung auf die Meisterschaften echte Teamarbeit war und was der Erfolg mit Blick auf den Olympia-Sommer bedeutet.
Kristin Gierisch, im vierten Versuch haben Sie sich mit 14,16 Metern von Rang vier auf zwei nach vorne geschoben. Aber Sie sahen nach dem Sprung gar nicht besonders glücklich aus…
Kristin Gierisch:
Ich war danach direkt wieder so fokussiert auf den nächsten Sprung, dass ich die Weite fast gar nicht wahrgenommen habe. Ich habe ein gutes Körpergefühl und weiß immer genau, ob ein Sprung gut war oder nicht – und da hat eigentlich gar nichts gepasst, deswegen habe ich gleich abgewunken. Daher war ich umso mehr überrascht, dass er 14,16 Meter weit war. Erst vor dem nächsten Sprung habe ich gesehen, dass ich auf dem zweiten Platz bin.
Und der ist 20.000 Dollar wert!
Kristin Gierisch:
Echt? Das wusste ich nicht. Ich springe ja nicht dem Geld hinterher. Ich wollte dieses Zeichen, diese Medaille. Die ist für mich und für meinen Trainer viel mehr wert als das Geld, das interessiert mich nicht.
Ihr Heimtrainer Harry Marusch hat Sie hier im Wettbewerb betreut. Wie würden Sie die Zusammenarbeit beschreiben?
Kristin Gierisch:
Er ist der wichtigste Bezugspunkt in meinem Leben, das kann ich wirklich so sagen, wie ein zweiter Vater. Er betreut mich jetzt schon seit 13 Jahren, das verbindet natürlich. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, bei jemand anderem zu trainieren.
Harry Marusch hat in den Tagen vor dem Wettkampf mit Ihnen mitgelitten, denn es ging Ihnen eigentlich gar nicht so gut. Wie war die Stimmung am Samstag?
Kristin Gierisch:
Am Wettkampf-Tag ging es mir richtig gut! Ich hatte ein gutes Gefühl und habe beim Aufwärmen und bei der Vorbereitung gespürt, dass es gut läuft. Aber es stimmt schon: In den fünf, sechs Wochen zuvor war es schwierig. Ich war sehr viel krank, habe sogar in der Woche zuvor im Trainingslager in Portugal noch Antibiotika genommen. Wir konnten nicht so viel machen, nur krafterhaltende Sachen und Schnelligkeit. Gesprungen sind wir seit der Hallen-DM gar nicht mehr! Die Waden waren zu, der Beuger war zu, ich war heute noch getaped – herzlichen Dank an dieser Stelle an die DLV-Physiotherapeuten Christian Kühn und Christian Bils und an Carsten Kramer, der mit uns in Portugal war. Die haben mir super geholfen und waren in den letzten Wochen sehr wichtig.
Auf der Teilnehmerliste waren Sie als zweitbeste Athletin der Hallensaison gemeldet. Beginnen da schon vorher die Gedankenspiele hinsichtlich eines möglichen Podestplatzes?
Kristin Gierisch:
Ich habe versucht das auszublenden. Darüber habe ich mich mit meiner Psychologin Tanja Damaske vorher sehr viel ausgetauscht. Vielen Dank auch an sie! Ich war sehr verzweifelt, habe sie weinend angerufen und gesagt: Tanja, hilf mir! Sie hat mir gesagt, ich soll nicht an die Medaille denken: „Mach dein Ding, du weißt, dass du was drauf hast!“ Das habe ich heute geschafft. Ich habe mir gesagt: Ich will mir die Athletin holen, die vor mir ist. Dann ist wieder eine weiter gesprungen und ich dachte: Die holst du dir auch noch. Das war mein Anreiz, daraus habe ich für mich ein kleines Spiel gemacht.
Sie haben in Ihrer Karriere schon einige internationale Top-Acht-Platzierungen erreicht. Heute hat es endlich mit der Medaille geklappt – ist der Moment so schön, wie Sie ihn sich erträumt hatten?
Kristin Gierisch:
Er ist besser! Klar habe ich mir immer vorgestellt, wie ich wohl reagiere, wenn ich wirklich Silber hole. Ob ich da jubelnd durch die ganze Halle renne. Aber man hat gesehen: Ich fange an zu heulen und renne als erstes zu meinem Trainer. Es kommt eh nie so, wie man es plant. Man will diese Medaille – und im Endeffekt ist dann alles ganz anders als in den Vorstellungen.
Was bedeutet dieser Erfolg im Hinblick auf die weitere Saison mit Europameisterschaften und Olympischen Spielen?
Kristin Gierisch:
Das gibt Rückenwind und Stärke vor allem für Zeiten, in denen es mal nicht so läuft. Wenn ich an die letzten Wochen zurück denke, auch an die Deutschen - das war einfach eine Katastrophe. Es hat nichts funktioniert, ich war krank, bin es eigentlich immer noch. Jetzt kann ich mich besser aus solchen Situationen rausziehen und mir sagen: Denk daran, wie es in Portland war, da hast du es auch geschafft, jetzt nicht verzagen!
Ist denn im Vergleich zu Portland noch Luft nach oben?
Kristin Gierisch:
Ja, auf jeden Fall! Nach den 14,30 Metern wusste ich schon, dass der gut war, und bin ja auch gleich aus der Grube gesprungen. Aber es ist nicht so, dass ich sage: Das war der Sprung! Schon im ersten Wettkampf in Chemnitz habe ich mich saustark gefühlt, konnte aber noch nicht hundertprozentig zeigen, was geht. Das war heute genauso. Für den Sommer macht das Mut, dass da noch mehr geht.
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