Starke Comeback-Saison: Siebenkämpferin Jennifer Oeser hat am Sonntag in Ratingen mit Platz zwei und 6.306 Punkten den dritten WM-Startplatz für Peking (China; 22. bis 30. August) ergattert. Ihre vor der letzten Disziplin um 103 Punkte zurückliegende Konkurrentin Lilli Schwarzkopf war aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zu den 800 Metern angetreten. Im Zehnkampf siegte Michael Schrader mit 8.419 Punkten.
Das Mehrkampf-Meeting in Ratingen brachte als finaler Wettkampf um die WM-Qualifikation für Peking mit Jennifer Oeser die letzte Besetzung des sechsköpfigen DLV-Teams hervor. Die Leverkusenerin steigerte sich in ihrem zweiten Siebenkampf nach ihrer Baby-Pause auf 6.306 Punkte und konnte damit klar die WM-Norm (6.150 Pkt) überbieten, die sie in Ulm noch um vier Punkte verpasst hatte. "Ich wollte national wieder anschließen, das hat geklappt", freute sich die Zweitplatzierte, obwohl die WM in ihrem langfristigen Plan gar nicht das vorrangige Ziel war.
An den anderen Startplätzen für Peking änderte sich nichts mehr. Ex-Europameister Pascal Behrenbruch (LG Eintracht Frankfurt; 3. Platz; 7.826 Pkt) war nicht in der Form, in die dafür notwendigen Leistungsbereiche vorzudringen. Mit bereits erfüllter Norm Ende Mai in Götzis (Österreich) können Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied; 8.462 Pkt), Rico Freimuth (SV Halle; 8.380 Pkt) und Michael Schrader (SC Hessen Dreieich) mit der Reise nach China planen.
Michael Schrader mit Steigerungspotenzial
Der Vize-Weltmeister freute sich über den Sieg in Ratingen vor dem Südafrikaner Willem Coertzen (8.341 Pkt). Er konnte seine Saisonbestleistung auf 8.419 Punkte steigern. Mit mehreren Einzelleistungen war er aber nicht ganz zufrieden. Besonders im Weitsprung machte er es am Samstag spannender, als ihm lieb war: nach zwei Ungültigen flog er auf starke 7,81 Meter.
Im Stabhochsprung versuchte er sich noch vergeblich an einer neuen Bestmarke (5,20 m) und im Speerwurf hörte er nach einem Versuch im Sparmodus (56,57 m) aus Rücksicht auf seinen Arm auf, was das Gesamtresultat geringer ausfallen ließ. Auch blieb er an mehreren Hürden hängen, was nicht so geplant war.
"Ich bin topfit"
Mit Luft nach oben blickt Michael Schrader deshalb positiv nach Peking: „Ich bin topfit, mir tut nichts weh, kann ich stolz sagen.“ In einem zweiwöchigen Trainingslager in Kienbaum werden die Grundlagen für die WM gelegt, bei der er einen Platz auf dem Podium angreifen will. „Dort will ich in einigen Disziplinen noch besser abschneiden.“ Eventuell schiebt er Ende Juli noch einen Start im DM-Weitsprung in Nürnberg ein.
Der Zehnkampf in Ratingen war für viele Athleten keine runde Sache. Rico Freimuth beendete den Wettkampf nach Tag eins, um sich für die weitere Saison zu schonen. Kai Kazmirek verzichtete auf die langen Läufe und den Speerwurf, ebenso Tim Nowak (SSV Ulm 1846), der die Gelegenheit für einen erfolgreichen Test unter ernsten Bedingungen für die U23-EM in Tallinn (9. bis 12. Juli) nutzte.
So blieb zwar die Spannung um die WM-Qualifikation aus, das Publikum, trug die „Könige der Athleten“ dennoch enthusiastisch durch den Wettkampf. Über beide Tage waren mehr als 7.200 Zuschauer im Stadion - "das Wohnzimmer" der deutschen Mehrkämpfer, wie es Zehnkampf-Bundestrainer Rainer Pottel bezeichnete.
Lilli Schwarzkopf muss passen
Eine spannende Entscheidung um das dritte WM-Ticket bahnte sich lange im Siebenkampf an. Nachdem Carolin Schäfer (TV Friedrichstein Alt Wildungen; 6.547 Pkt) und Claudia Rath mit ihren Götzis-Punktzahlen enorm vorgelegt hatten, war nur noch ein Platz frei, den die beiden internationalen Medaillengewinnerinnen Lilli Schwarzkopf und Jennifer Oeser unter sich ausmachten.
Nach einer starken Speerwurf-Leistung (50,02 m) sagte Lilli Schwarzkopf (LG Hannover) jedoch den 800-Meter-Start ab, in dem sie sieben Sekunden auf Jennifer Oeser hätte aufholen müssen, um kein gesundheitliches Risiko einzugehen - sie war schon angeschlagen angetreten. „Meine Kräfte reichen hierfür nicht“, erklärte die Olympia-Zweite.
Mit einem beherzten Auftritt über die zwei Stadionrunden (2:08,91 min) überzeugte zum Abschluss Claudia Rath, die mit 6.290 Punkten Dritte wurde. Ihre Trainingskollegin Carolin Schäfer hielt es ähnlich wie Kai Kazmirek und ließ die anstrengenden Läufe wegen der Nachwirkungen einer Erkältung raus. Die EM-Vierte glänzte unter anderem im Hochsprung (1,84 m) und demonstrierte am Wochenende, dass in Peking mit ihr zu rechnen ist.
Anouk Vetter holt sich den Sieg
Mit der gleichen tollen Hochsprung-Höhe zeigte auch Jennifer Oeser, dass sie in einzelnen Disziplinen schon wieder an ihr bestes Leistungsniveau herankommt. Im Vergleich zu Ulm konnte sich die WM-Zweite von 2011 beispielsweise unter großem Jubel im Kugelstoßen (14,23 m) verbessern. „Es war mir wichtig, wieder reinzukommen und einen tollen Wettkampf zu machen“, sagte sie mit Rückblick auf ihre lange Auszeit.
Besser als Jennifer Oeser war in Ratingen nur die Niederländerin Anouk Vetter (6.387 Pkt), die besonders mit einem weiten Speerwurf auf 52,75 Meter beeindruckte und den DLV-Lokalmatadorinnen den Heimsieg wegschnappte.
Bundestrainer zufrieden
Eine "richtige Siebenkämpferin" ist nach ihrem Auftritt in Ratingen nun auch Cindy Roleder (SC DHfK Leipzig; 6.055 Pkt). Die EM-Dritte im Hürdensprint durchbrach zum ersten Mal die 6.000-Punkte-Marke, auch dank eines neuen Meeting-Rekordes über 200 Meter (23,68 sec).
Ihr Trainer Wolfgang Kühne war mit den Leistungen seiner Athleten zufrieden. Der Siebenkampf-Bundestrainer fährt mit insgesamt vier Athleten seiner Trainingsgruppe nach Peking - zwei Zehnkämpfer (Schrader und Freimuth), eine Siebenkämpferin (Jennifer Oeser) und Cindy Roleder, die die WM-Norm im Hürdensprinter hat. „Jennifer Oeser hat sich für 2016 eine gute Ausgangsposition verschafft“, schaut er in die Zukunft. Die Weltspitze sei eng zusammen, aber die DLV-Mehrkämpfer haben schon oft eine gute Rolle gespielt.
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