Gina Lückenkemper (LG Olympia Dortmund) liebt keine halben Sachen. Daher wird sie bei den Deutschen Meisterschaften am kommenden Wochenende in Erfurt das volle Programm absolvieren: 100 Meter, 200 Meter und die 4x100 Meter-Staffel. „Solange mein Kopf und mein Körper da mitspielen, werde ich das auch durchziehen", kündigte de 20-jährige Sprinterin bei einer Pressekonferenz ihres Vereins im Dorint-Hotel in Dortmund an.
Momentan steht Gina Lückenkemper in der DLV-Bestenliste über 100 Meter mit 11,04 Sekunden an erster und über 200 Meter mit 23,04 Sekunden lediglich an vierter Stelle. Das passt nicht ganz zusammen, bemerkte Journalist Thomas Lelgemann (WAZ-Gruppe) auf der Pressekonferenz in Dortmund.
Die letztjährige EM-Dritte über 200 Meter und mit der 4x100 Meter-Staffel klärte ihn auf: "Ich habe das Training nicht nach Plan durchführen können. Das erklärt die unterschiedlichen Platzierungen. Ich hatte seit den Olympischen Spielen in Rio Probleme mit meinem Fuß. Allerdings war im MRT alles ohne Befund, und es hat lange gedauert, bis wir der Ursache auf die Spur gekommen sind."
Des Rätsels Lösung war, dass Gina Lückenkempers Vorfuß durch ihre zu schmalen Laufschuhe zu sehr eingeengt war. Nun läuft sie in breiteren Schuhen. Daher ist sie seit April wieder beschwerdefrei, aber ihr fehlen im Training die langen Läufe. Das hat sich bei ihr zwangsläufig mehr über 200 Meter als über 100 Meter bemerkbar gemacht.
Stress im "großen Zirkus" Diamond League
Hinzu kam, dass die vergangenen Wochen für Gina Lückenkemper aufgrund ihrer Starts bei der Diamond League ganz schön stressig waren. Zuletzt war die Deutsche 200-Meter-Meisterin bei der Team-EM in Lille (Frankreich) für das deutsche Team am Start. Zusammen mit Lara Matheis, Alexandra Burghardt und Rebekka Haase siegte sie mit der Sprintstaffel in 42,41 Sekunden. Auch durch ihren zweiten Platz über 100 Meter in 11,35 Sekunden hatte sie großen Anteil am Gesamterfolg des DLV-Teams in der Cup-Wertung.
Nach Lille hat die Studentin der Wirtschaftspsychologie nun erst einmal eine einwöchige Pause eingelegt. Diese war auch dringend notwendig: „Mein Gehirn stand kurz vor der Kernschmelze, denn durch meine Starts in der Diamond League war ich sehr viel unterwegs. Das war für mich sehr ungewohnt. Die Diamond League kann man nicht mit normalen Meetings oder Wettkämpfen vergleichen. Sie ist ein großer Zirkus.“
Gina Lückenkemper ist froh, dass sie zuletzt auf diesem Glitzer-Parkett wichtige Erfahrungen sammeln konnte und hofft, auch im kommenden Jahr wieder dabei zu sein.
Kopf brauchte eine Pause
Die Dortmunderin erklärte, dass sie in diesem Jahr körperlich immer fit gewesen sei. Nur ihr Kopf habe bei der Vielzahl hochkarätiger Wettkämpfe nicht mehr mitgespielt: Irgendwann fuhr sie zum Training nach Dortmund, joggte dreimal den Rasen hoch und runter und spürte, dass bei ihr nichts mehr lief.
Was tun? Gina Lückenkemper packte ihre Sachen zusammen und ging mit ihrem Trainer Uli Kunst einen Kaffee trinken und eine Currywurst essen. „Uli hat das akzeptiert und ist passend auf mich eingegangen. Das war super. Nun kann ich sagen, dass sich mein Kopf wieder vollständig erholt hat. Die Deutschen Meisterschaften in Erfurt können kommen.“
Fällt in Erfurt die WM-Norm über 200 Meter?
Was die Zeiten betrifft, möchte sich Gina Lückenkemper für das kommende Wochenende nicht festlegen: „Ich habe zwar meine Vorstellungen, aber die behalte ich erst einmal für mich. Im Frauensprint ist es momentan im Spitzenbereich recht kuschelig. Da wird es richtig spannend, und alle können sich auf die Entscheidungen freuen.“
Über 200 Meter fehlt der Dortmunderin noch die Norm von 22,85 Sekunden für die Weltmeisterschaften vom 4. bis 13. August in London (Großbritannien). Daher steht sie unter Zugzwang. Die Sprinterin, die auf der halben Stadionrunde eine Bestzeit von 22,67 Sekunden (2016) hat, gibt sich jedoch gelassen. Alles andere würde auch nicht zu ihrem Naturell passen. "Ich bin fest davon überzeugt, dass ich die WM-Vorgabe für London unterbieten werde", sagt die DM-Titelverteidigerin. "Jetzt oder nie. Nach Erfurt bleibt mir auch keine Zeit mehr."
Gina Lückenkemper macht aus ihrer großen Liebe für die 200 Meter-Strecke keinen Hehl. Besonders auf dieser Distanz will sie im Steigerwaldstadion richtig Gas geben.
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