Die WADA gesteht Probleme mit den neuesten Doping-Kontrollbehältern ein. Das IOC gibt sich gelassen – obwohl kurz vor Beginn der Winterspiele die Integrität des Systems auf dem Spiel steht.
Elf Tage vor Beginn der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang (Südkorea) bedroht eine kapitale Sicherheitslücke das komplette Anti-Doping-System. Ein offenbar fehlerhaftes Verschlusssystem an den Kontrollbehältern hat die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA in Alarmstimmung versetzt. Vor der Ausstrahlung einer ARD-Dokumentation zu diesem Thema am Montagabend gestand die oberste Doping-Behörde ein "mögliches Integritätsproblem" ein.
Der ARD-Dopingredaktion war es im Zuge ihrer jüngsten Doping-Dokumentation (Montag, ab 22:45 Uhr) problemlos gelungen, die von der WADA zugelassenen Sicherheitsgefäße der neuesten Generation zu öffnen und wieder zu verschließen, ohne dabei Spuren zu hinterlassen. Mit einem ähnlichen Verfahren hatten die Russen bei den Winterspielen in Sotschi vor vier Jahren die Sportwelt betrogen – für ihre Manipulation allerdings die Hilfe des Geheimdienstes benötigt.
Die WADA bestätigte, dass sie eine Untersuchung eingeleitet habe, und betonte, "bei Bedarf die geeigneten Maßnahmen zu empfehlen, um die Integrität des Dopingkontrollprozesses aufrecht zu erhalten". Die Verantwortung für das Problem liege bei der Schweizer Firma Berlinger, wo die Kontrollbehälter hergestellt werden.
Reaktionen von Gelassenheit bis Endzeitstimmung
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) gab sich gelassen. "Wir sind zuversichtlich, dass sich die WADA mit allen Problemen vollständig befassen wird", sagte ein Sprecher auf SID-Anfrage. Der Heidelberger Sportrechtler Michael Lehner sagte hingegen der ARD: "Der Kampf gegen Doping ist am Ende." In Pyeongchang könne man "das Ganze vergessen".
Das Kölner Anti-Doping-Labor hatte die WADA auf das Problem mit den Behältern für die Aufbewahrung des Athleten-Urins aufmerksam gemacht. "Gewisse Auffälligkeiten wurden kürzlich festgestellt und entsprechend kommuniziert. Nähere Angaben zur Art des Problems können zur Zeit nicht gemacht werden, da es sich um laufende Untersuchungen handelt", sagte Labor-Leiter Mario Thevis dem SID. Er betonte: "Unversehrtheit, Integrität, die Sicherheit, dass Manipulationsversuche erkannt werden können, sowie die Anonymität der Proben sind tragende Säulen des Dopingkontroll-Systems".
Das Kölner Labor arbeitet eng mit der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) zusammen. Deren Chefin Andrea Gotzmann sagte dem SID, dass es "vereinzelt zu Qualitätsminderungen" gekommen sei, sie gab aber zumindest auf Deutschland bezogen eine Qualitätsgarantie ab: "Bisher sind durch unsere Qualitätsmanagement-Maßnahmen keinerlei Tests in Gefahr gewesen, und wir garantieren die ordnungsgemäße Durchführung."
Hochmoderne Behälter erst im September 2017 eingeführt
Allerdings: Die Behälter kommen weltweit zum Einsatz. Das IOC verwies kürzlich auf 14.000 Tests im Vorfeld von Pyeongchang, vor Ort ist ab dem 1. Februar die sogenannte Doping-Free Sport Unit (DFSU) zuständig. Im von der WADA akkreditieren Labor in Seoul wird analysiert. Wie viele Proben im Verlauf der Spiele genommen werden sollen, wurde noch nicht kommuniziert.
Das Kölner Labor hatte die WADA bereits am 19. Januar über das Problem alarmiert. Die Behälter gelten als hochmodern und wurden im September 2017 im Lichte des russischen Dopingskandals eingeführt. Es handelt sich dabei bereits um die zweite weiterentwickelte Variante nach dem Dopingskandal um die Winterspiele 2014. Damals hatten die russischen Gastgeber mit Hilfe des Geheimdienstes FSB die Flaschen geöffnet, die positiven Proben gegen negative ausgetauscht und wieder verschlossen.
Die WADA hat im Zuge des Hinweises aus Köln den Hersteller aufgefordert, sofort darauf zu reagieren und die Ware, die als BEREG-KIT Geneva bekannt ist, detailliert zu überprüfen. Berlinger teilte laut WADA am 27. Januar mit, man habe das Problem nicht wie beschrieben nachvollziehen können. Die WADA sieht weiteren Klärungsbedarf, da sie die Situation als bedenklich einstuft. Diese Prüfungen seien noch im Gange.
DOSB-Präsident: "Einladung zur Manipulation"
NADA-Chefin Gotzmann hält eine falsche Handhabung des Verschlusssystems, das eine Versiegelung der Flasche in Gang setzt, für möglich. Für die Verschließung der Flasche ist der Athlet, der sein Urin abgegeben hat, selbst zuständig. Der komplette Vorgang wird von einem Dopingkontrolleur beobachtet.
DOSB-Präsident Alfons Hörmann reagierte auf den Fall tief besorgt. "Ich meinte, meinen Ohren nicht zu trauen, als ich das gehört habe. Ich kann die WADA nur auffordern, innerhalb der nächsten Tage für Klarheit zu sorgen und in irgendeiner Form - bildlich gesprochen - den Stöpsel drauf zu machen", sagte Hörmann dem SID. Er sprach von einer "Einladung zur Manipulation".
Quelle: Sport-Informations-Dienst