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Der große Disziplin-Check 2014 – Langhürden Männer

Das Leichtathletik-Jahr 2014 ist fast Geschichte. Hinter den Topathleten liegen die EM in Zürich (Schweiz), die Team-EM in Braunschweig und die Hallen-WM in Sopot (Polen). Der Nachwuchs hat bei der U20-WM in Eugene (USA) und den Olympischen Jugendspielen in Nanjing (China) internationale Erfahrungen gesammelt. Zeit zurückzublicken – und die deutschen Leistungen in den einzelnen Disziplingruppen genauer unter die Lupe zu nehmen. Heute: die 400 Meter Hürden der Männer.
Silke Morrissey

2014 im Rückblick

Die deutschen Talente sind weiter auf dem Vormarsch – und haben im EM-Jahr den Leistungsträgern der vergangenen Jahre sogar den Rang abgelaufen. Allen voran Felix Franz (LG Neckar-Enz), der eine furiose Saison bestritt. Der erste deutsche Meistertitel bei den Aktiven, die erste Zeit unter 49 Sekunden, Platz fünf bei der EM – seine persönliche Bilanz kann sich sehen lassen. Damit, dass der 21-Jährige so durchstarten würde, hatte wohl niemand gerechnet. Sein Potenzial hatte er aber bereits in den vergangenen Jahren mit Topzeiten in den Jugendklassen angedeutet.

Nur wenig nach stand ihm der ein Jahr ältere Varg Königsmark (Magdeburger SC), der den DM-Titel in Ulm erst auf den letzten Metern an Felix Franz abgeben musste. Mit einer neuen Bestzeit von 49,12 Sekunden und Platz sieben bei der EM kann auch er hochzufrieden auf das Jahr 2014 zurückblicken.

Das Trio der jungen Wilden komplettierte in der vergangenen Saison ein U20-Athlet: Jonas Hanßen (SC Myhl LA) trommelte sechs der zehn schnellsten Zeiten seiner noch jungen Karriere auf die Bahn, darunter die ersten zwei unter 51 Sekunden. Die Krönung: Platz vier bei der U20-WM. Mit seiner neuen Bestzeit von 50,68 Sekunden liegt er in der deutschen Männer-Bestenlisten auf dem geteilten sechsten Rang.

In den deutschen Top Ten finden sich in diesem Jahr fünf Athleten der Jahrgänge 1991 und jünger. Um die Zukunft im deutschen Hürdenlauf muss einem daher nicht bange sein, zumal der Top-Ten-Schnitt 2014 der zweitbeste der vergangenen zehn Jahre war. Einen Schritt nach vorne machten auch der bald 23 Jahre alte Christian Heimann (LAZ Puma Rhein-Sieg; 50,74 sec) und der 22-Jährige Tobias Becker (LG Kindelsberg-Kreuztal; 51,09 sec), Deutscher Vize-Meister der U23-Altersklasse.

Die Garanten für schnelle Zeiten vergangener Jahre konnten dafür aus unterschiedlichen Gründen nicht zu Bestform auflaufen. Silvio Schirrmeister (Dresdner SC 1898), Einzelsieger bei der Team-EM 2013, hakte zwar früh die EM-Norm ab, musste dann aber der Doppelbelastung von 30-Stunden-Job und Spitzensport Tribut zollen: Burn-Out und Saison-Ende vor den Saison-Höhepunkten. Georg Fleischhauer (SC Magdeburg), mit einer Bestzeit von 48,72 Sekunden ausgestattet, mühte sich vergeblich an einer Zeit unter 50 Sekunden. David Gollnow (LG Stadtwerke München) konzentrierte sich auf die Flachstrecke und war Mitglied der deutschen 4x400 Meter Staffel in Zürich.

Unsere Top Drei

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail felix-franz zum athletenporträt von felix>Felix Franz
LG Neckar-Enz, 21 Jahre
SB: 48,96 sec | PB: 48,96 sec (2014)
DM: 1. Platz
EM: 5. Platz (49,83 sec)
DLV-Jahresbestenliste: 1.
Europäische Bestenliste: 8.
Welt-Jahresbestenlisten: 22.

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail varg-koenigsmark zum athletenporträt von varg>Varg Königsmark
SC Magdeburg, 22 Jahre
SB: 49,12 sec | PB: 49,12 sec (2014)
DM: 2. Platz
EM: 7. Platz (49,91 sec)
DLV-Jahresbestenliste: 2.
Europäische Bestenliste: 10.
Welt-Jahresbestenlisten: 30.

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail silvio-schirrmeister zum athletenporträt von silvio>Silvio Schirrmeister
Dresdner SC 1898, 25 Jahre
SB: 49,66 sec | PB: 49,15 sec (2013)
DM: -
EM: -
DLV-Jahresbestenliste: 3.
Europäische Bestenliste: 26.
Welt-Jahresbestenlisten: 55.

Unser Hoffnungsträger

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail jonas-hanssen zum athletenporträt von jonas>Jonas Hanßen
SC Myhl LA, 19 Jahre
SB: 50,68 sec | PB: 50,68 sec (2014)

Von der ersten Hürde an Vollgas: Mit seiner offensiven Renngestaltung machte Jonas Hanßen 2014 den nächsten großen Schritt nach vorne. Schon bei der U20-EM 2013 in Rieti (Italien) war er als Siebter bester Deutscher, jetzt stieß er mit Platz vier der U20-WM in neue Dimensionen vor und absolvierte zudem eine Saison auf konstant hohem Niveau. Einziger Wermutstropfen:  Hinter dem 19-Jährigen klafft national eine große Lücke.

Der Pechvogel

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail michael-adolf zum athletenporträt von michael>Michael Adolf
DJK Ingolstadt, 18 Jahre
SB: | PB: 52,88 sec (U18; 2013)

Der Deutsche U18-Meister von 2013 hätte 2014 zum härtesten nationalen Konkurrenten von Jonas Hanßen avancieren können. Doch eine Stressfraktur bremste den jungen Ingolstädter in seiner Entwicklung. Im kommenden Jahr kann er noch einmal in der Jugendklasse Anlauf nehmen.

2015 im Ausblick

Die Hallensaison ist für die 400-Meter-Hürden-Läufer traditionell eine Durchgangsstation mit Abstechern auf die Flachstrecke und die Über- und Unterdistanzen. Im Fokus steht die Sommersaison und da die Teilnahme an den Weltmeisterschaften in Peking (China). 2013 in Moskau (Russland) war Silvio Schirrmeister als Einzelkämpfer angereist und musste nach einer Muskelverletzung beim Aufwärmen für den Vorlauf tatenlos die Segel streichen. Die Zeichen stehen gut, dass die WM 2015 aus DLV-Sicht erfolgreicher verläuft.

Zu rechnen ist wieder mit einer WM-Norm im Bereich von 49,40 Sekunden. Diese  haben nicht nur Schirrmeister und Fleischhauer sondern spätestens seit dieser Saison auch Franz und Königsmark drin. Eine WM mit drei deutschen Hürdenläufern gab es seit 1995 nicht mehr – und ist für 2015 im Bereich des Möglichen. Wer sich qualifiziert, hat auch realistische Chancen auf das Halbfinale.

Felix Franz kann dem Kampf um die WM-Tickets entspannt entgegenblicken, für ihn steht die U23-EM in Tallinn (Estland) im Fokus. Stets als Mitfavorit angereist, ging er bei internationalen Nachwuchsmeisterschaften bisher immer ohne Medaille aus. Das könnte im kommenden Jahr anders aussehen. Im Gegensatz zu seinem Überraschungs-Coup von Zürich muss er in Tallinn aber wieder mit gestiegenem Erwartungsdruck umgehen. Die Rolle des Newcomers könnte dort Jonas Hanßen zum nächsten Leistungssprung verhelfen.

Weniger rosig sieht die Situation im U18-Bereich aus. Die besten deutschen Nachwuchsläufer kamen 2014 nicht einmal in die Nähe der 54-Sekunden-Marke. Zum Vergleich: Felix Franz rannte als 17-Jähriger in 51,07 Sekunden zu einer deutschen U18-Bestleistung. Ob der DLV also einen deutschen Hürdenläufer zur U18-WM in Cali (Kolumbien) mitnimmt, bleibt abzuwarten.

Das sagt der Bundestrainer

Herr Beck, wie fällt Ihre Bilanz für das EM-Jahr 2014 aus?

Volker Beck:

Durchaus erfreulich! Seit 1990 war Deutschland (Platz 6 von Carsten Köhrbrück und Platz 8 von Edgar Itt) nicht mehr mit zwei Athleten in einem europäischen Finale vertreten. Nach Jahren von positiven individuellen Entwicklungen, konnten wir in diesem Jahr auch Ergebnisse realisieren. Die Wettkampf-Performance zu den internationalen Großereignissen war fast perfekt, Felix und Varg mit persönlichen Bestleistungen in den wichtigen Halbfinals. Leider erwischte Varg im Finale in Zürich nicht seinen besten Lauf, sonst wäre mehr drin gewesen. Jonas Hanßen ergänzte mit einem tollen vierten Platz in Eugene die positive Bilanz. Diese hätte noch erfreulicher ausfallen können, wenn Silvio Schirrmeister nach einer guten ersten Wettkampf-Serie und einem zweiten Platz bei der Team-EM seinen EM-Start hätte wahrnehmen können.

Was oder wer war für Sie das ganz persönliche Highlight der vergangenen Monate?

Volker Beck:

Was: Das mitreißende DM-Finale zwischen Felix und Varg, Dramatik pur!
Wer: Das männliche Langhürdenteam funktioniert trotz der hohen Leistungsdichte und Rivalität unglaublich gut.

Mit welchen Aufgaben und Zielen gehen Sie in die kommende Saison?

Volker Beck:

Wir wollen den Schwung aus 2014 mitnehmen und die progressiven Entwicklungen fortsetzen beziehungsweise individuelle Leistungsbereiche stabilisieren. Gemeinsam mit allen Partnern möchten wir Ausbildungs- und Trainingsprozesse optimieren und notwendige Rahmenbedingungen schaffen, um die gesteckten Ziele in Peking und Tallin zu realisieren. Ein Jahr vor den Olympischen Spielen wäre es wichtig, alle Startplätze für die WM besetzen zu können und in Tallin zur U23-EM auf dem Podest zu stehen. Im Nachwuchsbereich sind große Anstrengungen notwendig, um den regressiven Entwicklungstrend zu stoppen.

Zahlen und Fakten

Die Jahresbesten

48,96 sec - Felix Franz (LG Neckar/Enz)
49,12 sec - Varg Königsmark (SC Magdeburg)
49,66 sec - Silvio Schirrmeister (LAC Erdgas Chemnitz)
50,23 sec - Tobias Giehl (LG Stadtwerke München)
50,37 sec - Georg Fleischhauer (Dresdner SC 1898)
50,68 sec - David Gollnow (LG Stadtwerke München)
50,68 sec - Jonas Hanßen (SC Myhl LA)
50,74 sec - Christian Heimann (LAZ Puma Rhein/Sieg)
51,05 sec - Quentin Seigel (LG Offenburg)
51,09 sec - Tobias Becker (LG Kindelsberg Kreuztal)

Internationale Endlauf-Platzierungen 2014

EM: Felix Franz (5. Platz; 49,83 sec); Varg Königsmark (7. Platz; 49,91 sec)
U20-WM: Jonas Hanßen (4. Platz; 51,07 sec)
Olympische Jugendspiele: keine

Entwicklung des Spitzenniveaus

JahrAthleten > 50,00 sec Schnitt Top Ten
2005 Christian Duma (49,17) 50,79
2006 Christian Duma (49,69) 51,11
2007 keiner 51,25
2008 keiner 51,43
2009 Thomas Goller (49,20), Christian Duma (49,95) 50,58
2010 Georg Fleischhauer (49,85), Silvio Schirrmeister (49,86) 50,85
2011 Georg Fleischhauer (48,72), David Gollnow (49,56), Varg Königsmark (49,70), Tobias Giehl (49,81) 50,4
2012 Silvio Schirrmeister (49,21), Georg Fleischhauer (49,37), Varg Königsmark (49,54), David Gollnow (49,69), Tobias Giehl (49,75) 50,14
2013 Silvio Schirrmeister (49,15), Varg Königsmark (49,62), Georg Fleischhauer (49,73) 50,3
2014 Felix Franz (48,96 sec), Varg Königsmark (49,12 sec), Silvio Schirrmeister (49,66 sec) 50,26

Entwicklung Jahresbestleistungen

JahrDeutschlandEuropaDiffWeltDiff
2005 49,17 (C. Duma) 48,24 (Iakovakis/GRE) 0,93 47,24 (Clement/USA) 1,93
2006 49,69 (C. Duma) 47,82 (Iakovakis/GRE) 1,87 47,39 (Clement/USA) 2,3
2007 50,37 (T. Goller) 48,12 (Plawgo/POL) 2,25 47,61 (Clement/USA) 2,76
2008 50,81 (L. Hense) 48,52 (Plawgo/POL) 2,29 47,25 (Taylor/USA) 3,65
2009 49,20 (T. Goller) 48,27 (Greene/GBR) 0,93 47,91 (Clement/USA) 1,29
2010 49,85 (G. Fleischhauer) 47,88 (Greene/GBR) 1,97 47,32 (Jackson/USA) 2,53
2011 48,72 (G. Fleischhauer) 48,20 (Greene/GBR) 0,52 47,66 (van Zyl/RSA) 1,06
2012 49,21 (S. Schirrmeister 47,84 (Greene/GBR) 1,37 47,63 (Sanchez/DOM) 1,58
2013 49,15 (S. Schirrmeister) 48,05 (Bekric/SRB) 1,1 47,69 (Gordon/TRI) 1,46
2014 48,93 (F. Franz) 48,47 (Hussein/SUI) 0,46 48,03 (Culson/PUR) 0,9

Was auffällt

  • Die Welt-Jahresbestzeit liegt 2014 zum ersten Mal seit 2001 wieder über 48 Sekunden.
  • Dadurch hat sich auch der Abstand der deutschen zur Weltspitze deutlich verringert und zwar auf unter eine Sekunde.
  • Auch Europas Spitze in Person des Schweizers Kariem Hussein (48,47 sec) ist nicht weit weg, mit Franz und Königsmark liegen 2014 außerdem zwei Deutsche in den europäischen Top Ten.
  • Die größten Talente haben sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt und 2014 mit neuen Bestleistungen geglänzt.
  • Die Athleten der Jahrgänge 1996 und jünger müssen deutliche Fortschritte machen, um in die Fußstapfen von Königsmark, Franz und Hanßen zu treten. Keiner von ihnen blieb 2014 unter 53 Sekunden

Video-Clips

<link video:10045>Felix Franz mit starker Zielgeraden
<link video:10697>Jonas Hanßen mit Freudentanz
<link video:10768>Karl-Moritz Meier trommelt Rhythmus durch
<link video:10172>Jonas Hanßen wie entfesselt

Die weiteren Disziplin-Checks 2014 im Überblick

<link news:37456>Hürdensprint Frauen
<link news:37450>Hürdensprint - Männer
<link news:37361>Langstrecke - Frauen
<link news:37358>Langstrecke - Männer
<link news:37215>Mittelstrecke - Frauen
<link news:37224>Mittelstrecke - Männer
<link news:37211>400 Meter - Frauen
<link news:37205>400 Meter - Männer
<link news:37049>Sprint - Frauen
<link news:37046>Sprint - Männer

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