Bronze und die erste Zeit unter neun Minuten bei der Hallen-DM über 3.000 Meter. Bronze bei der Cross-DM. Und zuletzt Gold bei der Cross-WM der Studenten. Caterina Granz (LG Nord Berlin) hat einen rasanten Start ins Jahr 2018 hingelegt. Die 24-Jährige kennt aber auch andere Phasen. Mit Übertraining, Leistungsstagnation und mentalen Problemen im Wettkampf. Was sie daraus lernen konnte, wie sie sich wieder nach vorne gekämpft hat und warum das Jahr 2018 ganz unabhängig von einem EM-Start in Berlin zu einem Erfolg werden könnte, hat sie uns im Interview verraten.
Caterina Granz, wenn ich sage, 2018 könnte Ihr Jahr werden – stimmen Sie mir da zu?
Caterina Granz:
Ja, eigentlich schon. Ich bin zuversichtlich, dass ich mein Potenzial in diesem Jahr ausschöpfen kann und dass es ein guter Sommer wird!
Los ging’s ja schon im Winter mit Bronze bei der Hallen-DM und einer Steigerung um zehn Sekunden auf 8:56,29 Minuten. Hatte sich das angedeutet?
Caterina Granz:
Ich war auch schon auf meine Zeit aus dem letzten Jahr stolz. Daher war die Steigerung noch mal mehr wert. Sie hatte sich im Training angekündigt. Allerdings war das auch in der Vergangenheit häufig so, und dann konnte ich das im Wettkampf nicht umsetzen. Bei der Hallen-DM hatte ich mir die neun Minuten zum Ziel gesetzt. Ich wusste, dass schnelle Mädels am Start sind und dass es kein Bummelrennen wird. Aber dass es tatsächlich mal so kommt, wie man es sich vorstellt, war auch für mich eine Überraschung. Jetzt eine Zeit unter neun Minuten stehen zu haben, macht mich auch ein paar Wochen später noch stolz.
Das Gold bei der Studenten-WM im Crosslauf über 10 Kilometer kam für viele ebenfalls überraschend. Hat Ihnen hier der Erfolg aus der Hallensaison geholfen?
Caterina Granz:
Auf jeden Fall. In der Halle gab es einen Moment, in dem ich zum ersten Mal das Gefühl hatte: Jetzt weiß ich, wie ich es im Wettkampf umsetzen muss. Es hat mir viel Selbstvertrauen gegeben zu sehen, dass ich auf einem richtigen Weg bin. Seit Januar habe ich mental daran gearbeitet, zugleich fokussiert zu sein und nicht zu viel zu erwarten. Die Angst abzulegen, die ich vorher häufig vor Wettkämpfen hatte. Als das so gut funktioniert hat, dachte ich: Okay, und jetzt mache ich einfach weiter. Die Schlammschlacht bei der Cross-DM hat mir dann aber nicht so viel Spaß gemacht. Daher war ich vor der Studenten-WM für einen weiteren Crosslauf gar nicht so positiv eingestellt…
Wie war das Rennen in St. Gallen, mit dem Sie Studenten-Weltmeisterin wurden?
Caterina Granz:
Ziemlich komisch! Ich wusste, dass ich in guter Form bin. Aber ich war kurz zuvor aus dem Trainingslager in Cervia in Italien angereist und noch ziemlich platt. Daher habe ich im Team vorher angekündigt, dass ich das Rennen defensiv angehe. Dann sind wir losgelaufen und ich war nach 600 Metern vorne. Ich dachte mir, ich ziehe einfach meinen Schritt. So bin ich den Rest des Rennens mit Abstand vorne geblieben. Zwischenzeitlich habe ich mich schon gefragt: Bin ich zu schnell, oder warum läuft niemand mit? Ich hatte Respekt vor den 10 Kilometern, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich das durchhalten kann. Hinten raus musste ich kämpfen, 500 Meter vor Schluss hatten zwei andere Läuferinnen fast aufgeschlossen. Da habe ich meine Mittelstrecken-Qualitäten ausgepackt und bin einfach losgerannt. So konnte ich den Abstand halten.
In einem Interview haben Sie Anfang 2017 gesagt: „Die 1.500 Meter sind meine Lieblingsstrecke.“ Hier steht Ihre Bestmarke seit 2016 bei 4:13,22 Minuten. Würden Sie diese Aussage immer noch so unterschreiben?
Caterina Granz:
Ich würde immer noch sagen, dass das meine Lieblingsstrecke ist. Ich habe das Gefühl, dass hier noch einiges passieren kann. Ich liebe die Geschwindigkeit, mir macht die Strecke unheimlich viel Spaß. Die 3.000 Meter liegen mir sehr, aber die gibt es ja nur in der Halle. Die 5.000 Meter bin ich erst einmal gelaufen, da war ich im Übertraining, das war kein gutes Rennen. Daher bin ich sie noch nie mit einer guten Form angegangen. Ob mir diese Strecke auch liegt, kann ich also noch gar nicht so richtig einschätzen, das möchte ich jetzt herausfinden.
Sie sind heute 24 Jahre alt. Schon 2012 und 2013 waren Sie über 1.500 Meter bei internationalen U20-Meisterschaften dabei. Wie hatten Sie sich damals Ihren weiteren Weg vorgestellt – und wie verlief er tatsächlich?
Caterina Granz:
Ich hatte mir den Leistungssprung von der Jugend in den Aktivenbereich leichter vorgestellt. Ich habe das Gefühl, dass es auf den Mittel- und Langstrecken Läufertypen gibt, die erst später richtig gut werden. Ich wollte zu Beginn vielleicht ein bisschen zu viel und habe zu viel von meinem Körper verlangt, obwohl ich noch nicht so weit war. Zudem war ich 2015 ein Jahr lang verletzt, ich wurde an der Ferse operiert und konnte ein dreiviertel Jahr nicht laufen. Sich danach wieder heranzukämpfen hat zwar gut funktioniert, aber ich habe schnell wieder viel und noch mehr gewollt. Rückblickend weiß ich, dass ich geduldiger hätte sein müssen und dass nicht immer alles gradlinig läuft. Man muss daran glauben, dass sich die Arbeit in späteren Jahren auszahlt. Dass ich nicht aufgegeben habe, ist jetzt vielleicht auch eine Stärke von mir.
Neben dem Sport studieren Sie Psychologie an der Freien Universität in Berlin. Kann Ihnen dieses Studienfach auch für die eigene mentale Stärke im Wettkampf helfen?
Caterina Granz:
Ich schreibe gerade meine Bachelor-Arbeit und arbeite seit diesem Jahr auch als studentische Hilfskraft in der Sportpsychologie. Dort arbeite ich einem Professor zu, der viel zum Thema Sportmotivation und -motive forscht. Ich weiß viel über die menschliche Psyche, ich bin reflektiert und glaube daran, dass mentale Stärke viel Positives im Sport bewirken kann. Umgesetzt habe ich das selbst aber nicht – bis Januar. Seitdem arbeite ich mit einem Sportpsychologen zusammen. Ich merke, dass das extrem gut angeschlagen hat, weil ich sehr empfänglich dafür bin und darauf vertraue. Dennoch ist es ein Prozess, in dem ich weiter an mir arbeiten muss. Anfangs hat mich die Psychologie sogar eher verunsichert, mittlerweile schaffe ich es, einen Nutzen daraus zu ziehen.
Was gab den Ausschlag für die Zusammenarbeit mit dem Sportpsychologen?
Caterina Granz:
Ich habe mich ab Oktober auf die Cross-EM vorbereitet, ich hatte schon eine super Grundlage. Dann sind ein paar Sachen schiefgegangen. So konnte ich bei der Cross-EM überhaupt nicht performen. Da war ich an einem Punkt, an dem ich dachte: Es kann doch nicht sein, dass man so viel Potenzial hat und es im Wettkampf immer nicht umsetzen kann. Dann bin ich das auf eigene Faust angegangen, habe einfach mal im Internet recherchiert und hatte Glück, dass ich jemanden gefunden habe, bei dem es gepasst hat.
Nicht alle Athleten wagen sich mit so viel Eigeninitiative an dieses Thema heran…
Caterina Granz:
Ich habe das Gefühl, dass viele Athleten in Wettkämpfen automatisch die richtigen Methoden anwenden. Auch ich selbst als Jugendliche. Da war ich freier und unbeschwerter. Irgendwann begannen dann das Zweifeln, das Nachdenken und die Angst. Um wieder auf den richtigen Weg zu kommen ist das mentale Training eine Möglichkeit, mit der man enorm viel erreichen und sich sehr verbessern kann. Nicht nur im Wettkampf, sondern auch im Training. Ich übe das jeden Tag, auch dort schlägt es gut an und alles bedingt sich gegenseitig.
Geboren in Berlin, aufgewachsen in Berlin, Studium in Berlin, Starts im Trikot der LG Nord Berlin. Da kann man wohl von einer waschechten Berlinerin sprechen. Wer begleitet Sie in Berlin auf Ihrem sportlichen Weg?
Caterina Granz:
Ich trainiere noch immer bei dem Trainer, der mich damals entdeckt hat: Detlef Müller. Er hat es über die Jahre hinweg immer geschafft, dass wir als Team zusammenarbeiten. Es war nie so, dass er etwas vorgegeben hat und ich es nachmachen musste, er bezieht mich ein und ist offen für meine Vorschläge. Außerdem stehen wir im Austausch mit Lutz Zauber [Anm. d. Red.: ehemaliger Nachwuchs-Bundestrainer], er kennt mich auch schon lange. Das ist der Weg, den ich weitergehen möchte. Anfangs waren in der Gruppe vor allem Sprinter und Springer, mittlerweile hat sich um uns herum ein starkes Läuferteam gebildet, unter anderem mit Deborah und Rabea Schöneborn und Thilo Brill. Mir ist es wichtig, in einer so harmonischen Trainingsgruppe zu trainieren.
Im Berliner Olympiastadion hätten Sie bei den Europameisterschaften im August ein echtes Heimspiel. Welche Rolle spielen die Meisterschaften für Sie?
Caterina Granz:
Die EM in Berlin war schon immer ein großes Thema für mich. Jetzt wird es noch konkreter. Ich kann die Normen schaffen, entweder über 1.500 oder 5.000 Meter, auch wenn es jeweils Zeiten sind, die ich noch nie gelaufen bin. Ich sehe es als große Herausforderung, auch weil es viele andere Läuferinnen gibt, die die Zeiten draufhaben. Und keine davon hat sich bisher so richtig auf eine Strecke festgelegt. Daher kommt es auch darauf an, was die anderen machen. Ich versuche, mich auf mich selbst zu konzentrieren und zu schauen, dass ich das Beste aus mir heraushole.
Blicken wir voraus auf das Ende der Saison 2018. Was muss passieren, damit Sie dann auch wirklich rückblickend sagen: Das war mein Jahr!
Caterina Granz:
Ich wünsche mir, dass es so weitergeht wie bisher und dass ich in den Wettkämpfen mein Potenzial auf die Bahn bringen kann. Ganz unabhängig von konkreten Zeiten. Natürlich wäre eine EM-Teilnahme ein Traum. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass die Saison richtig gut wird, ohne dass ich dabei bin. Ich stelle mich darauf ein, dass nicht jedes Rennen perfekt wird. Aber ich wünsche mir ein paar Rennen, in denen ich das Gefühl habe: Ich habe alles gegeben und alles gezeigt, was ich draufhabe.