Für seine Höhenflüge wurde Stabhochsprung-Talent Bo Kanda Lita Baehre 2018 erstmals zu Deutschlands „Jugend-Leichtathlet des Jahres“ gewählt. In seiner Teenager-Zeit gewann der gebürtige Düsseldorfer mit afrikanischen Wurzeln zehn deutsche Meistertitel – von der U16 bis zu den Männern – und holte drei internationale Medaillen. Ab 2019 will der jüngste deutsche EM-Teilnehmer von Berlin auch bei den Erwachsenen nach den Sternen greifen.
„Ich wusste gar nicht, dass ich für die Wahl aufgestellt war“, lautete die erste Reaktion von Bo Kanda Lita Baehre (TSV Bayer 04 Leverkusen), als er von seinem Sieg bei der Abstimmung unter Deutschlands besten Jugend-Leichtathleten erfuhr. Das Ergebnis gefiel dem 19-Jährigen umso mehr: „Ich bin stolz auf diese Auszeichnung. Das zeigt mir, dass ich das, was ich momentan mache, richtig mache. Diese Bestätigung gibt mir weitere Motivation, jetzt noch mehr Gas zu geben.“
Eine verdiente Auszeichnung zum Abschluss seiner Jugendzeit. Bo Kanda Lita Baehre sammelte bislang – angefangen 2014 mit dem Sieg bei der ersten U16-DM in Köln – zehn deutsche Meistertitel (davon sogar jeweils zwei in der U23 und bei den Erwachsenen) und holte drei internationale Medaillen: Gold beim Europäischen Olympischen Jugend-Festival (EYOF) 2015 in Tiflis (Georgien), Silber bei der U18-EM 2016 ein Jahr später an gleicher Stelle und erneut Silber bei der U20-EM 2017 in Grosseto (Italien).
Nur 2018 sollte ihm trotz Rang drei in der Weltjahresbestenliste als Vierter der U20-WM in Tampere (Finnland) ein Platz auf dem Podium verwehrt bleiben. Der erfolgsverwöhnte Überflieger musste erstmals eine herbe Enttäuschung einstecken. „Das war in dem Moment sehr hart für mich, ich hatte mir natürlich mehr erhofft und war deshalb enttäuscht und traurig nach dem Wettkampf“, erzählt Bo Kanda Lita Baehre. „Aber es hat mir auch gezeigt, dass jedes Jahr neu abgerechnet wird. Ich konnte meine maximale Leistung nicht abrufen, das wurde bestraft.“
Als Deutscher Meister zur EM-Premiere nach Berlin
Sich lange von etwas runterziehen lassen ist jedoch nicht seine Art. Und so verteidigte der Teenager nur eine Woche später bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg in Abwesenheit seines stärksten Kontrahenten, dem Weltmeister von 2013 Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken), mit 5,50 Metern seinen Titel und qualifizierte sich für seine erste Europameisterschaft bei den Erwachsenen.
Bei der EM-Premiere erfüllten sich die Hoffnungen nicht ganz, der Finaleinzug wollte nicht glücken. Was blieb war das prägende Erlebnis und die wertvolle Erfahrung. „Es war schon etwas Besonderes für mich, in meinem Heimatland zu starten“, sagt der gebürtige Düsseldorfer, der eine deutsche Mutter und einen kongolesischen Vater hat.
Etwas Außergewöhnliches war auch das EM-Finale seiner Disziplin, das Bo Kanda Lita Baehre auf den besten Plätzen direkt gegenüber der Stabhochsprung-Anlage auf Höhe der Matte in der rechten Kurve des Olympiastadions verfolgte. „Es war eines der krassesten Finals in der Geschichte“, erinnert sich der einzige männliche U20-Athlet im deutschen EM-Team von Berlin. Es siegte auch ein Jugendlicher: U20-Weltmeister Armand Duplantis (Schweden) überflog für sein Alter unglaubliche 6,05 Meter. „Das war natürlich cool anzusehen. So etwas sollte man sich nicht entgehen lassen, weil man von den anderen Springern immer lernen kann.“
Nächstes Kapitel kontinuierlich aufbauen
Am Silvestertag zieht Bo Kanda Lita Bahre, der die Grundlagen des Stabhochspringens vor seinem Wechsel 2016 nach Leverkusen einst beim ART Düsseldorf erlernte, Bilanz: „Die letzten Jahre liefen relativ erfolgreich, ein paar Dinge hätten besser laufen können, aber im Großen und Ganzen bin ich zufrieden. Ich freue mich jetzt darauf, bei den Aktiven zu starten.“
Mit der Herangehensweise seiner Trainerin liegt „Bo“, wie er kurz genannt wird, auf einer Wellenlänge. Christine Adams will bei der Entwicklung ihres talentierten Schützlings nichts forcieren. Erst die Technik festigen und optimieren, bevor man den Anlauf verlängert, höher greift und längere Stäbe nimmt. So einfach sei das auch nicht, einfach mal auf einen langen Anlauf zu gehen, stellt der Schüler des Berufskollegs klar. Ihn fasziniert an seiner Disziplin die Vielseitigkeit: Durch Kraft-, Sprint- und Turntraining kann er sich im Stabhochsprung verbessern.
Im Frühjahr 2019 macht Bo Kanda Lita Baehre mit den Leistungskursen Sport und Biologie Abitur. Danach will er über verschiedene Praktika die Berufswelt kennenlernen, bevor er sich für einen bestimmten Studiengang entscheidet. Sportfördergruppen bei der Bundespolizei oder Bundeswehr wären keine Option für ihn. „Da würde ich nicht glücklich werden, das passt nicht zu mir“, sagt der U20-Vize-Europameister, der in seiner Freizeit gerne Hip-Hop hört und auf der Playstation Basketball zockt.
Leben in einer Sportler-WG
Bereits mit 18 Jahren von zu Hause ausgezogen, wohnt der Stabhochspringer zusammen mit Para-Sprinter Tom-Sengua Malutedi in Leverkusen in einer WG. Das passt: Beide haben afrikanische Wurzeln, sind sehr fokussiert auf den Sport und ergänzen sich im Alltag gut. Bo Kandas Eltern leben getrennt, seine Mutter mit seinem älteren Bruder in Düsseldorf, sein Vater und seine dreijährige Schwester in London (Großbritannien). Sein Cousin Leroy Lita war Fußball-Profi in der englischen Premier League.
Den durchtrainierten Oberkörper von Bo zieren drei Tattoos – unter anderem ein Flügel flankiert die rechte Schulter, der auch für das Fliegen in seiner Sportart steht. „Ich will mir in Zukunft auf jeden Fall noch weitere Tattoos stechen lassen.“ Dies gehe jedoch nur außerhalb der Wettkampf- und Vorbereitungsphasen. Das frisch gestochene Kunstwerk auf der Haut braucht Zeit zum Abheilen, ehe man wieder voll trainieren kann.
Auch die mentale Einstellung von Bo Kanda Lita Baehre ist auffallend. Er möchte jeden Wettkampf gewinnen, egal ob das mit seiner Bestleistung von 5,61 Metern realistisch ist oder nicht. „Das motiviert mich, sonst geht die Spannung verloren. Ich bin auch außerhalb vom Sport ein Typ, der immer gewinnen möchte. Das habe ich vielleicht einfach so im Blut.“
Für die nächsten internationalen Events qualifizieren
Alles gute Voraussetzungen, um in der anstehenden Hallensaison 2019 bei den Erwachsenen anzugreifen. Nach dem gelungenen „Season Opening“ in Leverkusen steht unter anderem das ISTAF Indoor in Berlin (1. Februar) auf seinem Wettkampf-Plan. Bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig (16./17. Februar), wo Bo Kanda Lita Baehre seine Ehrung zum „Jugend-Leichtathleten des Jahres“ erhalten wird, geht‘s um die Qualifikation für die Hallen-EM in Glasgow (Großbritannien; 1. bis 3. März).
Für die Sommersaison hat sich der Youngster bisher keine konkreten Ziele gesetzt. „Ich möchte mehr Erfahrung im Erwachsenen-Bereich sammeln und mich dort stärker etablieren.“ Der Fokus liegt auf der U23-EM in Gävle (Schweden; 11. bis 14. Juli). Ein Start bei der WM in Doha (Katar; 28. September bis 6. Oktober) wäre Zugabe. Und sein großes Fernziel ist ein Traum: „Ich will auf jeden Fall den deutschen Rekord knacken.“ Die 6,01 Meter von Björn Otto aus dem Jahr 2012 sind eine hohe Messlatte. Auf dem Weg in die Weltspitze ist Bos unbändiger Siegeswille ganz sicher hilfreich.
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