Vom 23. bis 25 Mai feiern die Halleschen Werfertage ihr 50. Jubiläum. Seit fünf Jahrzehnten ist hier die Werfer-Weltklasse zuhause. 34 Olympiasieger und 34 Weltmeister waren im Laufe der Jahre am Start und haben der Veranstaltung weltweit zu höchster Anerkennung verholfen. Die Werfertage sind ein Meeting mit viel Tradition, zur 50. Auflage wird es aber auch Innovationen geben.
„Halle ist herausragend, einzigartig in der Werferszene weltweit“, sagt Silke Renk. Die Speerwurf-Olympiasiegerin von Barcelona ist ein Kind der Werfertage. Sie hat hier trainiert, ist hier gestartet und so zur Weltklasse-Athletin gereift. „Brandberge war mein Wohnzimmer“, würdigt die Landessportbund-Präsidentin von Sachsen-Anhalt die Werfertage wenige Wochen vor der Jubiläumsveranstaltung.
„Die Halleschen Werfertage sind das Götzis des Wurfsports“, findet der ehemalige DLV-Präsident Clemens Prokop. „Sie gehören in Sachen Qualität, Tradition und Stimmung zu den Kultveranstaltungen der Leichtathletik. Ich kenne weltweit keine Veranstaltung, die so hochkarätig ist wie Halle. Sie ist bodenständig und nicht von kommerziellen Aspekten überdeckt“, fällt Prokop ein dezidiertes Urteil.
Aus dem eintägigen Treffen der DDR-Wurfspezialisten Anfang der Siebzigerjahre ist ein weltweit hoch angesehenes zweitägiges Werfermeeting geworden. „Die Werfertage sind eine der wenigen großen Sportveranstaltungen in Ostdeutschland, die trotz der politischen Wende 1989 ohne Unterbrechung seit 50 Jahren die Werferfamilie aus der ganzen Welt im Mai nach Brandberge in Halle führt“, nennt Ingrid Häussler, ehemalige Ober-Bürgermeisterin von Halle und bis heute Präsidentin der Halleschen Leichtathletikfreunde, Hintergründe.
Windrichtung bestimmt Wurfrichtung
Die Werfertage leben von der Nähe zu den Athletinnen und Athleten in den Wurfkäfigen, den Zuschauern, die ganz dicht dran sind, und der familiären Atmosphäre, die alle schätzen. „Werfertage sind Festtage“, heißt es, wenn man über Brandberge flaniert. Und sie leben von der Flexibilität bei der Ausrichtung der Wurfanlagen. Die Windrichtung bestimmt die Auswahl des Rings, wegen des hohen Einflusses des Windes. Was zuletzt auf den US-Segelwiesen für die Weltrekorde im Diskuswerfen der Männer als relevant eingestuft wurde, ist in Halle seit Jahrzehnten ein Markenzeichen.
Die sportlichen Höhepunkte ergaben sich fast immer aus den hochklassigen Duellen: Betty Heidler gegen Anita Wlodarczyk (Polen) im Hammerwurf, Robert Harting gegen Piotr Malachowski (Polen) oder Lars Riedel gegen Virgilius Alekna (Litauen) im Diskuswurf, Jan Zelezny (Tschechien) gegen Raymond Hecht im Speerwurf oder aber in jüngerer Vergangenheit Yemisi Ogunleye (MTG Mannheim) gegen Weltmeisterin Chase Jackson (USA) im Kugelstoßen...
Das Sahnehäubchen der sportlichen Leistungen war 2011 der Hammerwurf-Weltrekord von Betty Heidler mit 79,42 Metern. „Endlich ein Weltrekord!“, sagten die Organisatoren in Halle damals. Immerhin ist es nicht leicht, gleich zu Beginn einer Saison im Mai einen Weltrekord zu erzielen. Niko Kappel lieferte, getragen vom Publikum an der Kugelstoß-Anlage, gleich zwei Para-Weltrekorde ab. Zahlreiche nationale Rekorde untermauern die Bedeutung der Werfertage auch international.
Internationale Wertschätzung
„Wir bekommen auch international große Wertschätzung“, freut sich Meeting-Direktor Falk Ritschel. Er führt die Veranstaltung in Familientradition fort. Vater Rainer Ritschel brachte 1990 nach der Wende Schwung in die Werferszene und war bis 2003 verantwortlich. Heidi Eckert trat 2014 in dessen Fußstapfen, Falk Ritschel führt die Werfertage seit 2014. Zu erwähnen ist zudem Maria Ritschel, ehemalige Bundestrainerin Speerwerfen und „Grande Dame“ der Werfertage vor und hinter den Kulissen. Kontinuität als Garant für eine große Werfertradition.
Maßgeblich am Aufschwung in den Neunzigerjahren beteiligt war ein Athletinnen-Trio aus Halle. Diskus-Olympiasiegerin Ilke Wyludda, Speerwurf-Olympiasiegerin Silke Renk und Speerwurf-Vize-Weltmeisterin Karen Forkel waren Lokalmatadorinnen mit hoher Strahlkraft. Die Diskuswerferinnen Nadine Müller und Shanice Craft setzten dies später fort. Eine Institution im Trainer-Bereich war Diskus-Bundestrainer Gerhard Böttcher.
Die Werfertage leben aber vor allem auch von den vielen Ehrenamtlichen: rund 20 Organisatoren, 120 Helferinnen und Helfer und rund 80 Kampfrichterinnen und Kampfrichter. „Sie alle bringen viel Herzblut ein“, weiß Falk Ritschel um das Geheimnis einer Veranstaltung mit fast 600 Teilnehmern aus mehr als 40 Ländern.
Premiere: Kugelstoßen auf dem Marktplatz
Halle beschreitet am Freitag 23. Mai neue Wege: mit wohl hochkarätigen Kugelstoß-Wettbewerben der Frauen und Männer geht man auf einen der größten Marktplätze Deutschlands in die Innenstadt. Zudem lässt man am Samstagabend die legendäre Abendveranstaltung, die mehr als zwei Jahrzehnte Kult war, zu Ehren des Anfang des Jahres verstorbenen Organisators Klaus Peschka noch einmal aufleben. Robert Harting als Holzarbeiter in der Lederhose, Christina Obergföll als Sängerin („Time to say Goodbye“) oder eine frischgebackene Weltrekordlerin im Sombrero-Hut tanzende Betty Heidler sind unvergessliche Momente.
Mit einem 262-seitigen Buch („50 Jahre Werfertage. Wo Disken, Hämmer, Speere und Kugeln weiter fliegen als anderswo“) haben Ewald Walker, Falk Ritschel und Nele Pfrumfel ein für die Leichtathletik außergewöhnliches Buch erstellt. Es geht hier um die Idee, die Philosophie, Geschichte und Menschen des weltbesten Werfermeetings. „Dies ist ein großartiges Dokument einer großartigen Erfolgsgeschichte“, fasst Ex-Weltrekordler Jürgen Schult seine ersten Eindrücke zusammen. Sportliche Höchstleistungen werden bei der 50. Auflage folgen.