| Interview

Axel Balkausky: "Ein starkes Zeichen für die Vielfalt des Sports"

Axel Balkausky, ARD-Sportkoordinator, im Gespräch über die Finals 2019 in Berlin und die European Championships 2022.
Jörg Hahn

Rund eine Milliarde TV-Zuschauer, 400.000 Zuschauer vor Ort und 4.500 teilnehmende Athleten – die ersten European Championships 2018 in Berlin und in Glasgow waren ein Riesenerfolg für die Premiere dieses Spitzensport-Events. In den sieben olympischen Sportarten Leichtathletik, Schwimmen, Turnen, Radsport, Golf, Rudern und Triathlon trugen die Verbände gleichzeitig ihre Europameisterschaften aus.  Welche Erfahrung hat das Fernsehen, hat die ARD mitgenommen? Und was bedeutet das für die „Finals 2019“ mit zehn Deutschen Meisterschaften, 200 Entscheidungen und 3.400 Aktiven in diesem August in Berlin?

Axel Balkausky:
Die Grundsatz-Erfahrung ist, dass es wunderbar funktioniert, verschiedene Sportarten, die zunächst vielleicht gar nicht so viel miteinander zu tun haben, zusammen zu bringen – nämlich mit einem abgestimmten Zeitplan und mit einer gewissen Dramaturgie. Das war die erste wichtige Erkenntnis, denn als wir mit dem Projekt beauftragt worden sind, wussten wir ja nicht, wie dies auch außerhalb des Wintersports funktioniert. Was wir 2018 gelernt haben ist, dass die Menschen es annehmen, wenn eine Verbindung zwischen Sportarten hergestellt wird, wenn es eine Dachmarke gibt. Natürlich hatten wir den Hauptträger Leichtathletik. Man muss nach wie vor sagen, dass die Leichtathletik auch alleine eine gewisse Stärke hat. Aber dass sich diese sieben Sportarten gegenseitig bestärken und dass auch die Leichtathletik am Ende davon profitiert, dies war wichtig zu erkennen. Die an diesen Sportarten interessierten Zuschauer haben das Projekt verstanden und angenommen. Es ist etwas Neues, Großes entstanden. Für mich war das wirklich ein persönliches Anliegen.

Ich war zunächst in Glasgow, wo ja sechs verschiedene Sportarten stattgefunden hatten, und dann bin ich nach Berlin zu den Leichtathleten gekommen. Dort saß ich in der S-Bahn zum Berliner Olympiastadion und hörte, wie sich zwei Jugendliche unterhielten. Der eine sprach davon, dass ‚wir‘ im Bahnradfahren eine Medaille gewonnen haben. Ich glaube, die Bedeutung von Bahnrad ist bei jungen Menschen insgesamt nicht so hoch, schon gar nicht, wenn der Sport alleine stattfindet. Aber es funktioniert, wenn eine Art Olympischer Spirit entsteht, der für Zuschauer vor Ort, aber auch vor dem Fernsehschirm spürbar ist und der eine Gemeinschaft des Sports herstellt. Das hat wirklich herausragend funktioniert.

Und das ist das Wichtigste, was wir zu übertragen versuchen auf die zehn Deutschen Meisterschaften am ersten August-Wochenende in Berlin, die Finals 2019. Wir versuchen, über das Zusammenbinden von Sportarten  mehr entstehen zu lassen als viele Einzelveranstaltungen an einem Ort: eine Veranstaltung die auch als Gesamtheit wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Trotzdem wird sicherlich auch dann wieder die Leichtathletik das Zugpferd sein.

Warum ist der Wintersport mit einem gebündelten Angebot schon so lange so erfolgreich, und warum hat der Sommersport so lange gebraucht für gemeinsame Projekte außerhalb Olympias?

Axel Balkausky:
Das lag schon alleine daran, dass es im Sommersport natürlich sehr viel mehr Verbände gibt als im Wintersport. Im Wintersport gibt es eine sehr starke FIS. Sie ist für eine Vielfalt von Ski-Veranstaltungen zuständig, und sie hat sich dann mit dem Biathlonverband und einigen weiteren etwas kleinere Verbänden zusammengetan. Dort ist so relativ schnell und sehr viel einfacher eine Abstimmung über Kalender und Saisonhöhepunkte möglich geworden. Das war im Winter besser zu steuern.

Man hat ja beispielsweise auch darüber nachgedacht, ob eine Sportart wie Beachvolleyball in die European Championships zu integrieren ist, doch dann stellte man fest, dass Rudern und Beachvolleyball und andere Sportarten sehr unterschiedliche Rhythmen und unterschiedlich terminierte Saisonhöhepunkte haben. Diese auf einen Nenner zu bringen, das ist schon sehr viel schwieriger als im Wintersport. Das ist der Kern, warum sowohl internationale als auch nationale Verbänden immer wieder darauf verwiesen haben, dass es schwierig ist, Wettbewerbe zu koordinieren.

An diesem Hemmnis hat man gearbeitet, und zudem ist in den letzten Jahren die Erkenntnis stärker geworden, dass Deutsche Meisterschaften immer weniger Bedeutung erfahren. Wenn wir ehrlich sind, stellen wir fest, dass einzelne Events oft von unserem Publikum gar nicht mehr so wahrgenommen worden sind. Da mussten wir uns als Sender fragen, was nehmen wir überhaupt noch ins Programm? Die Entwicklung hat also zusätzlich klar gemacht, dass etwas passieren muss. So haben wir Gespräche mit zwei Drittel der großen Verbände führen können, um dann sagen zu können: Wir werden das jetzt angehen.

Dass die Idee nun im August dieses Jahres umgesetzt wird, dafür muss man Clemens Prokop, den früheren Präsidenten des Leichtathletik-Verbandes, herausheben, der die Richtung mit vorgegeben hat. Damit kommt die gemeinsame Idee nach vielen Gesprächen endlich in diesem Jahr zur Aufführung. Wenn man sich überlegt, dass es in anderen Ländern wie Norwegen oder Schweden inzwischen schon eine gute Tradition geworden ist, dass die jeweiligen nationalen Meisterschaften gemeinsam stattfinden, dann sind wir davon noch ein Stückchen entfernt. Aber wir sind sehr froh, dass es jetzt in diesem Umfang klappt.

Es ist also eine differenzierte Darstellung notwendig, weil man nicht sagen kann, die Verbände kamen einfach nicht in die Pötte, sondern es gab objektiv schwierige Umstände, die erst mal zu bewältigen waren, und es brauchte ein paar Leute, die es angeschoben haben. Und letztlich auch den Druck der Öffentlichkeit, um zu erkennen: Jetzt müssen wir etwas zusammenbinden, weil unsere Deutschen Meisterschaften sonst vielleicht noch weiter im Abseits verschwinden?

Axel Balkausky:
Genauso ist es.

Seit wann wird geplant, was sind die Herausforderungen für die Finals 2019, also die Meisterschaften im Bahnradsport, im Bogenschießen, Boxen und Kanu, in der Leichtathletik, im Modernen Fünfkampf, im Schwimmen sowie im Wasserspringen, Triathlon und Turnen? Allein fünf Sportarten sind ja im Olympiapark und im Olympiastadion von Berlin zu sehen, Leichtathletik und Schwimmen an den traditionellen Schauplätzen im und am Olympiastadion, und Bogenschützen, Triathleten und Moderne Fünfkämpfer in einem temporären Stadion auf dem Olympischen Platz.

Axel Balkausky:
Seit zwei Jahre laufen die Planungen. Der große Unterschied zu Olympischen Spielen oder anderen Großereignissen ist, dass wir als ARD und ZDF – bis auf das Schwimmen, wo es der Verband selber tut – jedes Sendesignal produzieren. Wir stehen mit acht Ü-Wagen dort, fünf davon von ARD-Anstalten, und produzieren die Deutschen Meisterschaften. Das macht es in Berlin so aufwändig für uns. Dafür werden wir aus allen Landesrundfunkanstalten Technik zusammenholen, um optisch ein Optimum bieten zu können. Die Zuschauer sind anspruchsvoll und von Großereignissen sehr verwöhnt.  Die Übertragungsqualität dieser Veranstaltung muss ein entsprechend hohes Niveau erreichen.

Insofern ist das genau der Punkt, dass alles zum Teil noch umfangreicher für uns ist als bei Olympischen Spiele, die natürlich sehr viel länger dauern als zwei Tage, bei denen wir aber die internationalen Signale komplett angeliefert bekommen und nur einzelne Venues umfangreicher mit eigenen Produktionsmitteln besetzen. Es ist so, dass wir bei den Finals vier bis fünf Tage lang vor Ort sind und dementsprechend Technik und Produktion binden. Das macht es eben auch so besonders.

Der erste Tag läuft bei der ARD, der zweite beim ZDF...

Axel Balkausky:
Genauso ist es. Wir bauen die Infrastruktur wie schon bei Olympia oder der Fußball-WM zusammen auf, die Reporter und Moderatoren haben die Aufgabe, die jeweilige Senderphilosophie zu transportieren. Aber das Wichtige ist, dass am jeweils anderen Tag, wenn die Reporter von ARD oder ZDF nicht im Fernsehen zu hören sind, in den Livestreams alle Fachleute im Internet präsent sind und wir alle der fast 200 Entscheidungen zeigen und kommentieren können.

Es gibt ja schon viele Beispiele der Zusammenarbeit zwischen ARD und ZDF. Gerade im Sport, etwa die Studios in Leipzig bei den Winterspielen WM 2018 oder in Baden-Baden bei der WM 2018. Bauen die Sender auf guten Erfahrungen und einer guten Kooperation auf?

Axel Balkausky:
Ja, absolut. Es ist schon so, wie die Kanzlerin sagt: alternativlos – einfach, weil der Aufwand so groß ist. Wir bringen inzwischen bei Sportereignissen Produktion und Technik komplett zusammen. Anders ist es auch gar nicht mehr zu bewältigen. Wir haben alle wirklich viel gelernt und alle Schranken, die es früher mal gab zwischen den beiden Sendern, völlig über Bord geworfen. Wir arbeiten komplett und ohne jede Schwierigkeit ganz offen zusammen.

Welche Sportarten dürfen sich denn am meisten darauf freuen oder darüber freuen, dass es zu diesen Finals 2019 kommt. Wer wird da ein unerwarteter Gewinner sein können – oder gewinnen alle?

Axel Balkausky:
Ich glaube, es gewinnen alle, aber ich glaube auch, gerade die Sportarten, die sich normalerweise mit ihren Deutschen Meisterschaften nicht im öffentlichen Blickfeld bewegen, wie die Bogenschützen, die Bahnradfahrer und die Triathleten, werden sehr profitieren. Schwimmer, Turner, Leichtathleten werden andere mitziehen – und selbst Nutzen haben. Alle werden hoffentlich erleben, dass mehr Zuschauer vor Ort sein und auch mehr vor den Fernsehern sitzen werden. Die Qualität unserer Übertragungen wird enorm hoch sein, es werden viel mehr Kameras vorhanden sein als bei einem großen Fußballspiel.

Was erwarten den Athleten, können die sich schon ausmalen, wie das Finale-Wochenende werden wird?

Axel Balkausky:
Ich habe schon viele Sportler gesprochen, und ich bin überzeugt, dass sie seit dem letzten Jahr, seit den European Championships, eine Vorstellung haben, was da passieren wird. Allen ist anzumerken, dass ihre Vorfreude sehr groß ist. Viele sagen: Es gibt uns einen richtigen Push. Das ist für alle eine Riesenchance. Sie wertschätzen es sehr, dass sich die Stadt Berlin und das Fernsehen so engagieren. Im Nachhinein haben nun ja noch einige Verbände versucht, mit aufzuspringen, doch wir müssen einfach sagen, dass wir das derzeit nicht produzieren können. Und auch der Berliner Senat kann nicht noch mehr Wettkampfstätten öffnen.

Wie wichtig ist so ein Projekt in diesem Jahr auch mit Blick auf die Bewerbung Münchens für die European Championships 2022, schaut man aus dem Ausland darauf, wie das bei den Finals 2019 in Berlin gemacht wird, wie der deutsche Sport sich präsentiert? Gibt's da schon Rückmeldungen?

Axel Balkausky:
Ich habe festgestellt, dass unser Projekt international wahrgenommen wird, man erkennt an, was hier entsteht. Ich bin sicher, dass man uns Deutschen insgesamt zutraut, Großveranstaltungen gut zu managen. Daran gab es nie wirklich Zweifel. Aber seit dem letzten Jahr kann man auch, nicht nur in Berlin, eine neue Begeisterung erkennen. Ich glaube, dass das auch der Münchner Bewerbung sehr, sehr guttut.

Es wäre ja historisch spannend, nachdem viele olympische Bemühungen nicht funktioniert haben, wenn 50 Jahre nach 1972 die Münchner wieder feiern könnten mit so vielen Sportarten, so vielen Athleten bei den European Championships, das hätte was, oder?

Axel Balkausky:
Das wäre ein tolles Signal, weil dann noch mal etwas sehr deutlich werden würde: Das Thema Nachhaltigkeit spielt hier im Augenblick eine große Rolle bei Sportstätten. Und ich glaube, man kann in Berlin und in München perfekt zeigen, wie viele der Sportstätten weiter und wieder gut genutzt werden. Es wäre ein wunderbares Jubiläum für die Sportler und für den Spitzensport in München.  Die Vielfalt des Sportes 2022 im Olympiapark von 1972, das wäre schon ein herausragend tolles Signal.

Nochmal zusammengefasst, was ist wichtig für die ARD, was treibt die Fernsehsender an?

Axel Balkausky:
2018 und 2019 sind Beleg für das, was wir immer wieder kommunizieren, nämlich, dass wir ein hohes Interesse daran haben, die Vielfalt des Sports abzudecken, in einer Form, die sehr modern ist. Ich glaube, im letzten Jahr ist das mit den European Championships schon sehr nachdrücklich gelungen, das Projekt war ja auch eine stark von uns betriebene Initiative. Seit vielen Jahren haben wir immer wieder dazu aufgefordert, dass die Verbände sich zusammenzutun. Die ARD hat in ihrer Gesamtheit ein klares Commitment für die Finals 2019 abgegeben, und wir bieten zusammen mit dem ZDF rund 20 Stunden öffentlich-rechtliches Fernsehen in bester Art und Weise. Wir werden alles dafür tun, damit diese Deutschen Meisterschaften ein großer Erfolg werden.

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