Eva Dieterich hat am Sonntag mit Silber im 10-Kilometer-Wettbewerb der Straßenlauf-EM in Belgien den größten Erfolg ihrer bisherigen Karriere gefeiert und damit auch das deutsche Frauenteam auf den Silberrang geführt. Auf Platz sechs überzeugte bei den Männern Nils Voigt. Die Einzeltitel gingen an die Italienerin Nadia Battocletti und den Franzosen Yann Schrub.
Defensiver Beginn, stetige Aufholgjagd und am Ende der Spurt vor bis auf den Silberrang: Die Renntaktik von Eva Dieterich (LAV Stadtwerke Tübingen) ist am Sonntag voll und ganz aufgegangen: Nach 31:25 Minuten war bei der Straßenlauf-EM über 10 Kilometer die Silbermedaille und damit die erste internationale Einzelmedaille für die 26-Jährige perfekt! Darüber hinaus unterbot sie auf dem durchaus anspruchsvollen Kurs auf den Straßen von Löwen bei Brüssel auch ihre bisherige Bestzeit von 31:48 Minuten deutlich.
Als sich auf den ersten Kilometern des Rennens das Feld sortierte, lief Eva Dieterich zunächst im hinteren Mittelfeld mit. Dann zog sie an einer Läuferin nach der nächsten vorbei, bis sie sich etwa bei Kilometer fünf in den Top Ten etabliert hatte und fortan hinter einer drei- bis vierköpfigen Spitzengruppe im unmittelbaren Verfolgerfeld mitlief. Nur eine Athletin konnte sich etwa drei Kilometer vor dem Ziel entscheidend absetzen: 5.000- und 10.000-Meter-Europameisterin Nadia Battocletti (Italien). In 31:10 Minuten holte sie sich schließlich souverän den nächsten kontinentalen Titel. Ihre Begleiterinnen an der Spitze jedoch wurden langsamer – und Eva Dieterich witterte ihre Chance.
Burkard und Merkel machen Team-Silber perfekt
Erst fiel Sofia Yaremchuk (Italien; 31:39 min; 7.) zurück, die lange an der Seite von Nadia Battocletti gelaufen war, anschließend auch die Schwedin Sarah Lahti (31:35 min; 6.), die auf der Strecke zwischen der Spitzen- und Verfolgergruppe gependelt war. Aus den Reihen der Verfolgerinnen war es dann Mariana Machado (Portugal; 31:30 min), die den Spurt ansetzte und auch die Dritte des Top-Trios Klara Lukan (Slowenien) überholte. Das letzte Wort aber hatte auf der langen Zielgeraden Eva Dieterich: Die Portugiesin wurde schwächer, die Tübingerin mit der Slowenin an ihren Fersen schneller – und schließlich überquerten Eva Dieterich und Klara Lukan (31:26 min) auf den weiteren Medaillenrängen die Ziellinie.
"Es bedeutet mir sehr viel, das war total unerwartet. Ich wollte in die Top Ten, aber ich hätte nicht gedacht, dass ich es aufs Podest schaffe, daher bin ich sehr glücklich! Es war ein schwerer Kurs, mit vielen scharfen Kurven und Hügeln, aber ich komme aus einer hügeligen Gegend, daher bin ich das gewohnt", blickte Eva Dieterich anschließend auf ihr Rennen. "Auf der ersten Rennhälfte habe ich es ein bisschen langsamer angehen lassen, weil die zweite Hälfte bergauf ging. Ich habe gesehen, wie ich den anderen nähergekommen bin, das hat mir am Ende den Push gegeben. Erst auf dem letzten Kilometer, als ich die Führenden gesehen habe, habe ich realisiert, dass ich eine Medaille holen kann."
Eva Dieterich legte mit ihrer Leistung auch den Grundstein für einen deutschen Team-Erfolg, den Elena Burkard (LG farbtex Nordschwarzwald; 31:52 min) und Lisa Merkel (LAV Stadtwerke Tübingen; 32:21 min) perfekt machten: Hinter den siegreichen Italienerinnen liefen sie auf den Einzelrängen zwei, zehn und 17 auf Platz zwei der Teamwertung und holten damit Mannschaftssilber. Wertvoll waren dafür besonders die Zeiten: Bestzeit für Dieterich, Bestzeit für Merkel, Bestzeit eingestellt von Burkard – denn berücksichtigt wurden für die Teamwertung die Zeiten der drei besten Läuferinnen je Nation.
Nils Voigt überzeugt als Sechster
Ein starkes Rennen machte bei den Männern auch Nils Voigt (TV Wattenscheid 01; 28:08 min), der Sechster wurde. Hier war das Feld bis zum ersten Anstieg bei etwa Kilometer drei eng beisammen, dann setzte sich eine vierköpfige Spitzengruppe ab, die nach dem Zurückfallen des Türken Sezgin Atac (28:11 min; 7.) zu einem Trio wurde. Erst auf dem letzten Kilometer entschied sich zwischen Yann Schrubb (Frankreich; 27:37 min), Etienne Daguinos (Frankreich; 27:46 min) und Lokalmatador Isaac Kimeli (Belgien; 27:58 min) der Kampf um Gold, Silber und Bronze. Der erfahrene Yann Schrubb, Cross-Europameister von 2023 und Vize-Europameister über 10.000 Meter, wechselte kurz einige Worte mit seinem Teamkollegen, dann zog er an, sprengte die Gruppe, und mit dem Zurückfallen von Kimeli waren die Medaillen vergeben.
Nils Voigt lief in der Verfolgergruppe stets vorne mit, im Zielspurt hatte der Franzose Fabien Palcau (Frankreich; 28:05 min; 4.) die etwas schnelleren Beine und auch Jesús Ramon (Spanien; 28:07 min; 5.) zog noch knapp am Wattenscheider vorbei. Mit einer Zeit nur fünf Sekunden über Bestleistung und Rang sechs konnte er sich dennoch über seine beste internationale Meisterschaftsplatzierung freuen. Es war sein bester internationaler Auftritt bei einem großen Rennen seit Platz vier im 10.000-Meter-Europacup 2021 in Birmingham (Großbritannien; 27:49,04 min).
„Klar will man immer mehr“
„Klar will man immer mehr“, sagte Nils Voigt nach dem Rennen in einer Pressemitteilung seines Vereins, „aber ich bin trotzdem sehr zufrieden mit dem sechsten Platz. Damit kann ich weiter arbeiten.“ Am Start sei er schlecht weggekommen, dann lief es besser: „Bei Kilometer drei kam ein ziemlicher Berg, bei Kilometer vier, am Ende des Bergs, war ich dann ganz vorn, da, wo ich hin wollte. Bergab kann ich nicht so gut, aber das wusste ich ja vorher. Aber ich habe den vierten Platz immer halten können. Am Schluss ging es dann noch einmal hoch, da bin ich dann leider auf der Zielgeraden von Zweien noch überspurtet worden.“
Die weiteren deutschen Starter Davor Aaron Bienenfeld (Düsseldorf Athletics; 28:34 min) und Johannes Motschmann (SCC Berlin; 29:11 min) liefen auf die Plätze 15 und 34. Gemeinsam mit Nils Voigt bedeutete das für das DLV-Trio Rang sieben der Teamwertung, die auf den Plätzen eins, zwei und vier die Läufer aus Frankreich dominierten.
Fatima Ouhaddou Nafie: Marathon-Gold nach Sturz
Die Entscheidungen im Marathon setzten am Sonntag einen Schlusspunkt unter die Premiere der Straßenlauf-EM. Die Entscheidung der Frauen war dabei in doppelter Hinsicht bemerkenswert: Die Spanierin Fatima Ouhaddou Nafie ging im Gedrängel an einer Verpflegungsstation zu Boden, nachdem sie über einen vor ihr gefallenen Läufer der Freizeitkategorie gestürzt war. Doch sie rappelte sich wieder auf, schloss die Lücke zur Spitze – und krönte sich nach 42,195 Kilometern und 2:27:14 Stunden zur Europameisterin im Marathon. Es war der erste EM-Titel für eine spanische Marathonläuferin in der EM-Geschichte.
Den spanischen Doppelsieg und Team-Gold machten Majida Maayouf (2:27:14 h) und Ester Navarrete (2:29:47 h; 7.) perfekt. Im Kampf um Bronze konnte die eigentlich als Favoritin gehandelte Lonah Chemtai Salpeter (Israel; 2:28:01 h) auf der Zielgeraden gerade noch den Angriff ihrer Landsfrau Maor Tiyouri abwehren, die zeitgleich ins Ziel stürzte.
Der Überraschungssieger im Marathon der Männer und somit der Nachfolger von Richard Ringer, der 2022 in München triumphiert hatte, heißt Iliass Aouani und kommt aus Italien. Der 29-Jährige wurde auf den letzten Kilometern von einem Trio aus Israel herausgefordert, hatte auf der Zielgeraden aber den besten Spurt und nach 2:09:05 Stunden die Goldmedaille sicher. Einzel-Silber und -Bronze gingen an Gashau Ayale (2:09:17 h) und Maru Teferi (2:09:27 h), Haimro Alame blieb als Viertem die Holzmedaille, trösten konnte er sich mit Israels Mannschaftstitel.
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