Zu den neuen Gesichtern im deutschen Sprint gehört Chidiera Onuoha. Der Kölner hat bereits im vergangenen Sommer mit 10,11 Sekunden über 100 Meter ein Achtungszeichen gesetzt. In der Hallensaison setzte sich seine Entwicklung weiter fort. So ist der 21-Jährige, der über einen ausgeprägten Siegeswillen verfügt, im Sommer ein Kandidat für höhere Aufgaben.
Im Trainingslager auf Teneriffa (Spanien) hat sich Chidiera Onuoha zuletzt auf die Freiluftsaison vorbereitet. „Fliegende Läufe, Starts, Tempoläufe, Kraft – wir machen alles“, erzählt der Kölner. Die Vorbereitung laufe gut, wenngleich eine Sturmwarnung am Donnerstag kurzzeitig kein Training im Stadion zuließ. So ging es stattdessen ins Hotel-Gym, wo an den Kraftwerten gefeilt wird.
Chidiera Onuoha absolviert seine Einheiten auf Teneriffa gemeinsam mit der Trainingsgruppe von Jannik Engel, unter anderem der Deutsche 200-Meter-Rekordler Joshua Hartmann, der einstige Deutsche 100-Meter-Meister Marvin Schulte (beide ASV Köln) und der Deutsche 200-Meter-Meister Eddie Reddemann sind dabei, ebenso wie EM-Teilnehmerin Jennifer Montag und die Langsprinterinnen Judith Franzen und Annkathrin Hoven (alle TSV Bayer 04 Leverkusen). „Von denen kann ich mir schon noch was abschauen“, sagt Chidiera Onuoha. „Ein bisschen Professionalität, und die ziehen jede Einheit durch.“
Daheim in Köln wird der 21-Jährige vom Cheftrainer des ASV Köln Tom Oeppert betreut, der selbst erst 26 Jahre alt ist. Perfekt, findet Chidiera Onuoha, der mit seinem Coach nicht nur auf Trainer-Athlet-Ebene, sondern auch locker auf freundschaftlicher Ebene kommuniziert. „Er kann immer genau nachvollziehen, wie ich mich fühle.“
Von Brühl nach Köln und in die deutsche Spitze
Der Wechsel von seinem Jugendverein THC Brühl zum ASV Köln, den er vor der Saison 2024 vollzogen hat, war für den Nachwuchs-Sprinter auf seinem sportlichen Weg ein wichtiger Schritt. Für die Grundlagen-Ausbildung hätten die Gegebenheiten beim Heimatverein ausgereicht, doch mit dem Wechsel in die U23-Altersklasse seien neue Impulse nötig geworden. „Da haben wir gemeinsam beschlossen, dass es am besten wäre, wenn ich mir einen neuen Verein suche.“
Das Training bei Tom Oeppert trug gleich im ersten gemeinsamen Jahr Früchte: Gleich mehrmals konnte Chidiera Onuoha die 10,34 Sekunden, die er als Bestzeit aus der Vorsaison mitgebracht hatte, unterbieten. Beim Meeting in Rhede glänzte er mit 10,11 Sekunden – nur zwei U23-Athleten waren 2024 europaweit schneller. Einen internationalen Start verhinderten der frühe EM-Termin Anfang Juni und die Tatsache, dass 2024 keine U23-EM stattfand. So sorgte der junge Sprinter erst in der Hallensaison wieder für Aufsehen.
Hallen-Highlight in Düsseldorf
„Mit am krassesten“ war für Chidiera Onuoha sein Rennen beim ISTAF Indoor in Düsseldorf am 9. Februar. Ein Jahr zuvor hatte der U23-Athlet das Meeting noch von den Zuschauerrängen verfolgt. „Diese Stimmung, diese Lichtershow – das wollte ich auch gerne mal als Athlet erleben“, erzählt er. Er erinnert sich noch gut daran, wie während einer Trainingseinheit die E-Mail auf dem Handy seines Trainers aufpoppte. „Da stand drin, wer alles starten wird. Und ich war dabei. Niemand hatte uns vorgewarnt, da stand einfach mein Name. Und ich wusste sofort: Das ist voll mein Ding, die Atmosphäre, die Lichter. Da will man einfach gut laufen.“
Und eben diese Atmosphäre konnte der 21-Jährige optimal nutzen. Im Vorlauf schon steigerte er sich auf 6,60 Sekunden, im Finale setzte er mit 6,57 Sekunden die nächste Top-Marke. „Ich bin viel selbstbewusster geworden“, begründet Chidiera Onuoha seine Entwicklung innerhalb der vergangenen zwei Jahre, „ich bin einfach davon überzeugt, dass ich das kann. Wenn ich wirklich will, dann komme ich dahin, wo ich hin möchte.“
Aus Hallen-DM gelernt
Dennoch lassen sich auf dem Weg an die Spitze Rückschläge nicht vermeiden. Zum Beispiel jener bei der Hallen-DM in Dortmund, als Chidiera Onuoha bereits im Vorlauf zu schnell aus den Blöcken schoss und disqualifiziert wurde. „Ich war so gut in Form, dass ich den Vorlauf viel zu locker gesehen habe“, gesteht der Sprinter. „Ich habe mir gesagt, im Vorlauf ist alles entspannt und für Halbfinale und Finale fokussiere ich mich dann noch mal. Und da war ich nicht konzentriert genug.“
So hat sich der 21-Jährige nun mit seinem Trainer vorgenommen, an seiner Konzentration zu arbeiten. Ebenso wie an der Belastbarkeit. Bislang wurde er behutsam aufgebaut, nun soll es weiter Schritt für Schritt nach vorn gehen. Vielleicht steht dann auch im Wettkampf mal wieder ein 200-Meter-Rennen auf dem Programm. Die Strecke ist der Kölner seit seinem Wechsel nach Köln nicht mehr gesprintet „Ich habe meinen Trainer mal gefragt, aber das Training ist nicht wirklich auf die 200 Meter ausgerichtet. Ich möchte mich aber auch fordern und raus aus der Komfortzone. Vielleicht wird das ja bald mal wieder passieren.“
Für den Sommer hat sich Chidiera Onuoha jedenfalls viel vorgenommen. Die 10,11 Sekunden aus dem Vorjahr sollen noch nicht das Ende der Fahnenstange sein: „Die Zeit kann geschlagen werden, auf jeden Fall.“ Nach dem Trainingslager in Teneriffa steht in rund einem Monat schon das nächste Camp an. In Malaysia möchte sich der 21-Jährige für den Einsatz bei den World Relays in Guangzhou (China; 10./11. Mai) empfehlen. Ein möglicher Staffel-Einsatz bei der WM in Tokio (Japan; 13. bis 21. September) ist im Hinterkopf.
Traum vom Titel bei der U23-EM
Hauptziel ist jedoch in seinem letzten U23-Jahr die letzte internationale Nachwuchs-Meisterschaft, für die der Sprinter startberechtigt ist. Bei der U20-WM 2022 und der U23-EM 2023 lief es mit dem Vorlauf-Aus über 100 Meter jeweils nicht optimal. „Ich war international zweimal dabei und ich war zweimal sehr unzufrieden“, resümiert Chidiera Onuoha. „Und deswegen kann ich mir beim dritten Mal keine Fehler mehr erlauben. Ich will endlich mal mit dem rausgehen, was ich haben will.“
Bei der U23-EM in Bergen (Norwegen; 17. bis 20. Juli) will er nach den Sternen greifen. „Es ist ein Traum von mir, den Titel zu holen, und ich glaube auch, dass das möglich ist. Ich war letztes Jahr in Europa auf Platz drei in der U23. Und wenn man im Finale steht – warum dann nicht gewinnen?“ Was Chidiera Onuoha am Sprint am meisten liebt, ist es, als Erster über die Ziellinie zu stürmen. „Und wenn ich noch eine geile PB dabei hole. Eine PB und dann noch gewinnen, das wäre für mich in jedem Rennen das Größte überhaupt.“