Bei der Hallen-DM in Dortmund haben vier Athletinnen und Athleten erstmals einen nationalen Einzeltitel in der Aktivenklasse gewonnen. Jana Becker, Florian Kroll und Julian Holuschek gehören zu den Hoffnungen für die Zukunft, bei Majtie Kolberg war der erste Titelgewinn überfällig. Wir stellen das Quartett vor, heute 800-Meter-Läuferin Jana Becker (Königsteiner LV).
Jana Becker
Königsteiner LV
Bestleistung:
800 Meter: 2:01,90 min (2024); Halle: 2:03,56 m (2024)
Erfolge:
Silber U18-EM 2022
Deutsche Hallenmeisterin 2025
Schon im Alter von 13 Jahren die erste Zeit unter 2:10 Minuten, die erste internationale Nachwuchs-Medaille mit 16 und der erste Sieg bei der Hallen-DM in der Frauenklasse als 18-Jährige: Jana Becker ist ein außergewöhnliches Talent über 800 Meter. Die Athletin vom Königsteiner LV hat in ihrer jungen Karriere aber auch schon Enttäuschungen erlebt.
Angereist mit Medaillenhoffnungen, verpasste sie bei der U20-EM 2023 das Finale, im vergangenen Sommer reichte es krankheitsgeschwächt nicht für die Einzel-Qualifikation für die U20-WM. Und in diesem Winter wollte die angestrebte deutsche U20-Hallen-Bestleistung von Konstanze Klosterhalfen (TSV Bayer 04 Leverkusen; 2:03,37 min) nicht fallen.
Aus diesen Rückschlägen versucht die Schülerin zu lernen und trotz ihrer Erfolge keinen Druck entstehen zu lassen. Dabei hilft ihr Umfeld, insbesondere ihre Eltern und ihre sportliche Heimat rund um das Sportinternat in Frankfurt. Zum Abschluss der Jugend-Jahre steht im kommenden Sommer noch einmal die U20-EM im Fokus. Danach möchte sich die Deutsche Hallenmeisterin Stück für Stück international in der Frauenklasse etablieren.
Sehr früh schon sehr schnell
Die Bundesjugendspiele waren es, die Jana Becker aus Laubach in Hessen im Alter von acht Jahren für die Leichtathletik begeisterten. Ihre Mutter meldete die Grundschülerin beim Kindertraining des LAZ Gießen an, parallel spielte sie zuerst auch noch Basketball. Die Grundlagen im Mehrkampf lernte Jana Becker bei Andrea Ewald kennen, läuferisch setzte Erich Gebhardt erste Impulse. Denn schnell stellte sich heraus, dass die Mittelstrecke ihre beste Disziplin ist.
Weil das Interesse an Basketball nachließ und das für Leichtathletik wuchs, konzentrierte sich die damals 10-Jährige schließlich auf eine Sportart und wechselte zur LG Wettenberg, wo Beke Lischka ihre Betreuung übernahm. Die bemerkte schnell, was für ein großes Talent in ihre Gruppe gefunden hatte, das die Trainerin förderte und weiterhin mit vielseitigem Training in allen Disziplinen behutsam aufbaute. Auch im Mehrkampf war die junge Athletin auf Landesebene vorne dabei. Ihre läuferischen Fähigkeiten stachen 2019 erstmals so richtig heraus, als die damals 13-Jährige in Pfungstadt gegen deutlich ältere Konkurrenz die 800 Meter in 2:09,99 Minuten zurücklegte. „Das war ein erster kleiner Durchbruch, wo mir bewusst wurde, dass ich schon deutlich schneller bin als andere in meinem Alter. Da kam der Gedanke auf, dass aus dem Sport mal etwas Größeres werden könnte.“
Dass sie auch eine sehr gute Sprintfähigkeit und Ausdauer mitbringt, bewies Jana Becker mit einem weiteren außergewöhnlichen Erfolg. Als W14-Athletin sicherte sie sich bei den Hessischen Hallenmeisterschaften an einem Wochenende die Landestitel über 60 Meter, 800 Meter und 2.000 Meter. National erstmals ganz oben stand sie 2021 als W15-Athletlin nach einem Alleingang bei den Deutschen U16-Meisterschaften über 800 Meter (2:09,38 min) mit vier Sekunden Vorsprung. Der Weg Richtung Leistungssport war endgültig vorgezeichnet.
Silberne Premiere im Nationaltrikot, dann aber auch Rückschläge
Zu diesem Zeitpunkt pendelte Jana Becker schon regelmäßig zum Training nach Frankfurt bei Landestrainer Benjamin Stalf, zuerst einmal pro Woche und dann mehrfach. „Mir hat der Sport total Spaß gemacht und für meine Mutter wurden die Fahrten, um mich zum Training zu bringen, immer mehr. Da habe ich mich entschieden, ins Sportinternat nach Frankfurt umzuziehen“, erzählt das große Talent. Die Schullaufbahn ist dort gestreckt, um mehr Zeit für Training und Regeneration zu ermöglichen. Das Abitur steht im kommenden Jahr an.
Sportlich ging die Entwicklung auch nach dem Umzug kontinuierlich weiter. 2022 nahm die damals 16-Jährige an der U18-EM in Jerusalem (Israel) teil und sicherte sich Silber (2:09,52 min). Mit der Bestzeit ging es immer weiter in Richtung 2:00-Minuten-Marke, bis zu 2:01,90 Minuten im vergangenen Sommer und 2:03,56 Minuten in der Halle, keine zwei Zehntel entfernt von der deutschen U20-Bestleistung.
In Meisterschaftsrennen konnte die Schülerin ihrer Konkurrenz trotz ihrer starken Bestzeiten nicht immer davonlaufen. Zwar holte sie schon insgesamt fünf deutsche U18- und U20-Titel über 800 Meter. Bei der U20-EM 2023 wieder in Jerusalem war aber schon im Vorlauf Endstation. „Da war ich fit, das Ausscheiden ging taktisch auf meine Kappe und war eine Enttäuschung.“ Im vergangenen Sommer verpasste die Mittelstrecklerin als Dritte der Jugend-DM die Qualifikation für einen 800-Meter-Einzelstart bei der U20-WM in Lima (Peru). „Da hatte ich gesundheitlich Pech. Ich war krankheitsbedingt nicht im Vollbesitz meiner Kräfte und konnte nicht unter die ersten beiden laufen.“ Also wieder eine Enttäuschung, die es zu verarbeiten galt.
Umfeld sorgt für Bodenhaftung
Dass ihre Zeiten schon in jungen Jahren das Potential andeuten, einmal eine Weltklasse-Athletin zu werden, ist Jana Becker bewusst. Das kann auch zur Last werden. Die 18-Jährige versucht dem entgegenzuwirken und weder durch sich selbst noch von außen verbissene Erwartung aufkommen zu lassen. „Man sollte niemals den Spaß verlieren. Mit einem guten Umfeld, Kontinuität im Training und Spaß kommt der Erfolg von alleine.“ Die schon erlebten Niederlagen sieht sie als unangenehme, aber auch wertvolle Erfahrungen. „Die ich dann später nicht mehr machen muss. Es gibt wenige Karrierewege, die nur nach oben führen.“
An erster Stelle der Unterstützer stehen ihre Eltern. Ein weiterer wichtiger Rückhalt sind inzwischen auch Benjamin Stalf und ihre Frankfurter Trainingsgruppe, zu der unter anderem die Hallen-DM-Dritte über 3.000 Meter Vanessa Mikitenko oder der Deutsche U20-Meister über 3.000 Meter Tristan Kaufhold (beide SSC Hanau-Rodenbach) gehören. Die leistungsstarke junge Gruppe vereint der Traum, einmal in die internationale Spitze vorzustoßen. „Ich habe mein sportliches Zuhause gefunden.“
Taktisch beste Rennen der Karriere
Mit „Jein“ beantwortet Jana Becker die Frage, ob sie mit ihrer zurückliegenden Hallensaison zufrieden ist. Und das, obwohl sie bei der Jugend-DM und eine Woche später bei der Hallen-DM der Aktiven jeweils in Dortmund den Titel gewonnen hat. Denn sie hatte auch eine Bestzeit erhofft – unter der deutschen U20-Bestleistung, und im Hinterkopf war auch die Norm für die Hallen-EM (2:02,00 min).
Beides rückte nach dem Saisoneinstand beim Hallenmeeting Mitte Januar in Dortmund (2:07,51 min) aber in weite Ferne. „Das war einfach nicht gut genug. Zwei Wochen später mit 2:04,20 Minuten in Erfurt lief es schon besser. Aber mein Trainer und ich haben die Hallensaison in Sachen Zeit danach abgehakt und gesagt, wir nehmen noch die beiden Deutschen Meisterschaften mit. Der Fokus lag ohnehin mehr auf dem Sommer.“
Nach der ungefährdeten Verteidigung des U20-Titels war dann vor allem der Sieg bei der Hallen-DM in Dortmund das Erfolgserlebnis des Winters. „Ich habe dort taktisch die beiden besten Rennen meiner Karriere gemacht. Damit bin ich sehr zufrieden und optimistisch, dass ich das auch bei der U20-EM umsetzen kann.“
U20-Abschluss und dann international in der Frauenklasse ankommen
Nachdem es bei den internationalen U20-Meisterschaften in den vergangenen beiden Jahren nicht wie erhofft lief, soll zum Abschluss in dieser Altersklasse die U20-EM in Tampere (Finnland; 7. bis 10. August; Norm: 2:07,50 min) noch einmal ein Highlight werden. Zur Vorbereitung sind auch Starts auf der Über- und Unterdistanz geplant. „Meine 1.500-Meter-Zeit möchte ich gern in Richtung 4:20 Minuten verbessern und über 400 Meter endlich auch aus dem Block unter 54 Sekunden laufen.“ Damit möchte sich die Hessin auch für die Staffel bei der U20-EM empfehlen.
Über 800 Meter ist die Zwei-Minuten-Marke ein Ziel, sowie sich in taktischen Rennen durchzusetzen. „Die zwei Minuten fallen, wenn es sein soll, womöglich wenn man am wenigsten damit rechnet. Wichtiger ist mir, bei der U20-EM um eine Medaille mitzurennen.“ Um an ihren taktischen Fähigkeiten zu arbeiten, schaut sich Jana Becker Videos ihrer eigenen Rennen oder von internationalen Finals an. Außerdem werden Tempoläufe im Training in der Gruppe auch mit taktischen Aufgaben wie Positionswechseln, Zwischenspurts oder einer stetigen Temposteigerung verbunden.
Großes Ziel ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles (USA). Als nächsten Schritt in diese Richtung wird im kommenden Jahr das World Ranking bei der Auswahl der Rennen eine zunehmende Rolle spielen. Da es 2026 keine internationale U23-Meistschaft gibt, wird die EM in Birmingham (Großbritannien) das Saisonziel sein.
Video: Jana Becker auch bei den "Großen" ganz vorn
Video-Interview: Jana Becker: "Ich brauche noch ein bisschen, um das zu realisieren"
Das sagt Bundestrainer Werner Klein: |
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Jana hat ihre Chance bei der Hallen-DM genutzt. Das Rennen war relativ offen, mit einer leichten Rolle der Favoritin für Jana. Sich unter diesen Voraussetzungen als U20-Athetlin durchzusetzen ist eine starke Leistung. In einem klassischen Meisterschaftsrennen hat sie sich taktisch klasse präsentiert.
In diesem Winter hat Jana einen deutlichen Schritt gemacht und sich in der Gestaltung des Rennens verbessert. Wer ein schnelles Tempo gehen kann, ist damit nicht auch automatisch bei Meisterschaften vorne dabei. Die gezeigten Fortschritte sind eine günstige Voraussetzung, bei der U20-EM eine gute Rolle zu spielen. Insgesamt ist Jana sehr professionell eingestellt und eine unserer Hoffnungsträgerinnen für die Zukunft.