Bei der Hallen-DM in Dortmund haben vier Athletinnen und Athleten erstmals einen nationalen Einzeltitel in der Aktivenklasse gewonnen. Jana Becker, Florian Kroll und Julian Holuschek gehören zu den Hoffnungen für die Zukunft, bei Majtie Kolberg war der erste Titelgewinn überfällig. Wir stellen das Quartett vor, heute 400-Meter-Sprinter Florian Kroll (LG Osnabrück).
Florian Kroll
LG Osnabrück
Bestleistung:
400 Meter: 46,19 sec (2024), Halle: 46,92 sec (2025)
Erfolge:
Silber U20-EM 2023 (Staffel)
Sechster U20-WM 2022 (Mixed-Staffel)
Deutscher Hallenmeister 2025
Mit EM-Bronze und dem Olympiavorlauf in 3:00,29 Minuten hat die DLV-Männerstaffel über 4x400 Meter im vergangenen Jahr überzeugt. In diese Staffel der A-Nationalmannschaft möchte eine Reihe U23-Athleten vorstoßen. Drei von ihnen haben bei der Hallen-DM in Dortmund ihre Ambitionen angemeldet, indem sie aufs Siegertreppchen gesprintet sind. Florian Kroll (47,15 sec) führte das Trio an, vor Friedrich Rumpf (47,21 sec) und Lukas Krappe (beide SCC Berlin; 47,51 sec). In einem engen Rennen konnte sich der Athlet der LG Osnabrück durchsetzen und seinen Leistungssprung des vergangenen Jahres bestätigen.
Die Freude über den etwas überraschenden Sieg war groß, genauso fühlte Florian Kroll aber auch mit der tragischen Figur des Finalrennens von Dortmund mit: Sein Trainingspartner Fabian Dammermann, als Jahresschnellster angereist und schon seit Jahren Teil der DLV-Spitze, kam auf der Zielgeraden zu Fall und hatte damit keine Chance mehr auf den erhofften Titel. Hinter dem Erfolg der beiden steht Trainer Anton Siemer, der in Osnabrück eine starke Trainingsgruppe aufgebaut hat.
Florian Kroll hat im Alter von 20 Jahren nicht nur seinen ersten DM-Titel in der Männerklasse in der Tasche, sondern auch schon eine abgeschlossene Ausbildung als Tischler. Seine sportliche Entwicklung möchte er fortsetzen, möglichst bis hin zu einer Olympiateilnahme. Auch beruflich verfolgt er weitere Ziele: Das Fachabitur steht vor dem Abschluss im Mai, folgen sollen ein Studium und die Aufnahme in die Sportfördergruppe der Bundeswehr.
Handball in der Kindheit
Sportart Nummer eins in der Familie Kroll ist eigentlich Handball. „Mein Opa ist Europapokalsieger geworden, mein Vater hat auch hochklassig gespielt“, erzählt Florian Kroll, der deshalb in seiner Kindheit viele Stunden in der Sporthalle verbrachte und auch selbst mit Handball begann. Weil er gern in Bewegung war, besuchte der heutige Leistungssportler nach der Grundschule die Sportklasse der Gesamtschule Schinkel in seiner Heimat Osnabrück. „Dort konnte man zwischen Tischtennis und Leichtathletik als Hauptsportarten wählen. Ich habe mich für Leichtathletik entschieden.“
So kam der junge Sportler auch erstmals in Kontakt mit Anton Siemer, der schon damals mit Fabian Dammermann bei der LG Osnabrück einen 400-Meter-Sprinter in die nationale Nachwuchsspitze geführt hatte. „Fabian war und ist ein Vorbild für mich“, erzählt Florian Kroll, der auch Gefallen am Langsprint fand, gleichzeitig aber weiterhin im Verein auch Handball spielte.
Seine Leistungen auf der Bahn waren vielversprechend, aber noch nicht überragend. Die 300 Meter legte er als M15-Athlet in 37,59 Sekunden zurück. In seinem ersten U18-Jahr 2020 qualifizierte er sich erstmals für eine Jugend-DM und steigerte dort im Vorlauf seine 400-Meter-Bestzeit auf 50,90 Sekunden. Für das Finale reichte es noch nicht.
Internationale Starts und Ausbildung
„Weil ich in der Leichtathletik schon bei Deutschen Meisterschaften war, habe ich im Alter von 16 Jahren mit Handball aufgehört“, erzählt der junge Athlet, der sich zu diesem Zeitpunkt auch für eine Ausbildung als Tischler entschied. „Ich wollte etwas Handwerkliches machen, statt weiter zur Schule zu gehen.“ Sein Ausbildungsbetrieb, die Tischlerei Freistil, bei der er schon Schulpraktika absolviert hatte, stellte sich auch aus sportlicher Sicht noch als Glücksgriff heraus.
Denn auf der Bahn ging es plötzlich schneller bergauf als erwartet, bis hin zu ersten Starts im Nationaltrikot. In seinem zweiten U18-Jahr gewann Florian Kroll Bronze bei der Jugend-DM und verbesserte sich auf 49,40 Sekunden. In der U20 qualifizierte er sich dank erster Rennen unter 48 Sekunden für die DLV-Staffeln bei der U20-WM in Cali (Kolumbien) und war jeweils Startläufer des deutschen Quartetts: Im Vorlauf mit der männlichen 4x400-Meter-Staffel und mit der Mixed-Staffel, die Rang sechs erreichte. „Das war riesig, dort zum Einsatz zu kommen.“ Ein Jahr später gelang bei der U20-EM in Jerusalem (Israel) mit Silber sogar der Sprung aufs Podest mit der Staffel (3:07,75 min). Ebenfalls eine Silbermedaille gab es auf nationaler Ebene bei der Jugend-DM im Einzel.
Diesen Aufstieg unterstützte auch sein Ausbildungsbetrieb. „Als ich dort begonnen habe, war ich sportlich noch gar nicht so erfolgreich und nicht so viel unterwegs“, erzählt der Aufsteiger. „Als es dann auch mit internationalen Einsätzen losging, wurde ich oft freigestellt und habe Arbeitsnachlass bekommen. Das war toll und lag auch daran, dass einer meiner Chefs mein Handball-Trainer war.“ Um seinem Betrieb etwas zurückzugeben, arbeitete Florian Kroll nach dem Abschluss seiner Ausbildung dort zwei bis drei Tage pro Woche weiter.
Nächster Leistungssprung lässt nicht lang auf sich warten
Die sportlichen Erfolge in der U20 waren eine große Motivation, die Entwicklung auf der Laufbahn weiter zu verfolgen und den Weg Richtung Leistungssport einzuschlagen. Der reduzierte Arbeitsumfang passte gut dazu, denn so war Zeit für zusätzliche Trainingseinheiten und Regeneration.
Den Plan für die nächste Steigerung hatte Trainer Anton Siemer, der gemeinsam mit seinem Athleten schon früh eine langfristige Strategie für die sportliche und berufliche Weiterentwicklung erarbeitet hatte. „Anton spielt eine riesige Rolle in meinem ganzen Werdegang, genauso wie insgesamt unsere Trainingsgruppe, zu der auch viele weitere Nachwuchsathleten zählen. Deutsche Meisterschaften sind für unsere Staffeln immer ein wichtiges Ziel“, erzählt Florian Kroll. „Die Trainingsbedingungen bei uns bei der TSG 07 Burg Gretesch sind wirklich toll. Wir haben zum Beispiel ein System in der Bahn verbaut, das uns Daten über unsere Trainingsläufe wie Zeiten, Schrittfrequenz und -länge liefert.“ Osnabrück hat dabei Pionierarbeitet geleistet: 2012 wurden dort auf der ersten Bahn überhaupt die für das SmarTracks-System nötigen Magnetelemente eingebaut. Das Einzige, was fehlt, ist eine Leichtathletik-Halle. Für schnelle Einheiten auf der Bahn fährt die Gruppe deshalb im Winter unregelmäßig nach Münster oder Hannover.
Die kontinuierliche Trainingsarbeit und leichte Steigerung des Umfangs zahlte sich weiter aus. Im vergangenen Jahr fiel über die Stadionrunde gleich zu Saisonbeginn die 47-Sekunden-Marke. Im DM-Vorlauf in Braunschweig stellte der 20-Jährige mit 46,19 Sekunden seine aktuelle Bestzeit auf und belegte im Finale Rang sechs. Bei der U23-DM in Mönchengladbach stand er ganz oben auf dem Treppchen. Insgesamt gingen im Sommer in acht von zehn Saisonrennen 46er-Zeiten in die Ergebnislisten ein.
Muskuläre Dysbalancen ausgleichen und Bestzeit weiter steigern
Nach diesem starken Sommer sind die Leistungen in diesem Winter keine große Überraschung. Allerdings verlief die Hallensaison nicht komplett nach Plan. Nach einem gelungenen Aufbautraining zog sich Florian Kroll im Januar im Trainingslager auf La Palma eine Muskelverletzung im Oberschenkel zu und musste seinen eigentlich für das Meeting in Dortmund Ende Januar geplanten Wettkampfauftakt verschieben. Erst zwei Wochen vor der Hallen-DM konnte er sein einziges Vorbereitungsrennen bestreiten, das mit der Hallen-Bestzeit von 47,40 Sekunden aber trotz der Probleme vielversprechend verlief.
„Auch im Finalrennen der Hallen-DM hat der Beuger wieder dicht gemacht und ich habe mir eine Muskelverhärtung zugezogen“, berichtet der Deutsche Hallenmeister, der das Rennen trotzdem durchzog und gewann. Mit Unterstützung seines Teams unter anderem in der Physiotherapie soll diese Art von Verletzung in Zukunft vermieden werden. „Vom Handball habe ich noch Dysbalancen, die wir mit Krafttraining für den Oberkörper ausgleichen wollen.“ Auch in der Beschleunigungsphase des Rennens steckt noch Potential. „Meine Stärke ist die zweite Rennhälfte, auf den ersten 30 Metern läuft mir die Konkurrenz davon.“
Seine Stärken ausbauen und seine Schwachstellen verbessern möchte Florian Kroll im Vorfeld der Sommersaison unter anderem im April wieder im Trainingslager auf La Palma. „Dort geht es dann auch um die Plätze für die Staffel-WM, auf die ich schiele“, erklärt der Athlet aus Niedersachsen, der im Sommer auch seinen Titel bei der U23-DM erfolgreich verteidigen möchte. „Bei der U23-EM in Bergen sind ein Einzelstart und eine Medaille mit der Staffel das Ziel.“ Im Visier sind auch eine neue Bestzeit und die 46-Sekunden-Marke sowie sich für die Staffel der A-Nationalmannschaft ins Spiel zu bringen.
Video: Florian Kroll erkämpft sich den 400-Meter-Titel
Video-Interview: Florian Kroll: "Ich habe mit allem und mit gar nichts gerechnet"
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Florian hat in Dortmund vor allem mit seiner Entschlossenheit überzeugt. Er wollte gewinnen und hat sich durchgesetzt – obwohl sein Rennmodell mit einer stärkeren zweiten Hälfte in der Halle ein Nachteil ist und auch er durch den Sturz von Fabian Dammermann auf der Zielgeraden ins Stolpern geraten ist.
Insgesamt hat sich Florian sehr gut entwickelt, schon im letzten Jahr mit stabilen 46-Zeiten und dem Peak im DM-Vorlauf. Anton Siemer macht in Osnabrück seit Jahren eine sehr gute Arbeit und hat immer wieder Athleten im 400-Meter-Bereich entwickelt. Auch im Trainingslager vor der Hallen-Saison hat Florian einen guten Eindruck gemacht, obwohl er verletzungsbedingt etwas ausgebremst wurde.
Verbessert hat sich Florian auch in der Schnelligkeit, an der Beschleunigung arbeitet er. Der Meistertitel ist eine zusätzliche Motivation, und wenn Florian gesund in den April kommt, ist er ein Kandidat für die Staffel-WM. Wir gehen mit acht Athleten in die Vorbereitung und sechs werden dann mit nach Guangzhou fahren. Auch in Richtung U23-EM ist der 400-Meter-Bereich gut aufgestellt, neben Florian Kroll, Friedrich Rumpf und Lukas Krappe auch noch mit Tyrel Prenz.