Eine neue Bestzeit war das Ziel von Samuel Fitwi (Silvesterlauf Trier) beim Valencia-Marathon am Sonntag. Doch dass der 28-Jährige in Spanien zum schnellsten Deutschen der Geschichte über die 42,195 Kilometer werden würde, hätte er wohl selbst nicht gedacht. Mit 2:04:56 Stunden gelang ihm eine „Rekord-Punktlandung“. Auch Richard Ringer jubelte im Ziel ausgelassen.
Der Valencia-Marathon hat sich seit einigen Jahren als das Rennen mit der stärksten Breite in der Spitze etabliert. So auch an diesem Sonntag. Mehr als 100 Läufer lagen bei optimalen Bedingungen zur Halbzeit auf Kurs von mindestens 2:12 Stunden. Eine einmalige Leistungsdichte bei Rennen über die 42,195 Kilometer. Schließlich wollen die internationalen Asse die schnelle Strecke, die Top-Konkurrenz und das für das Training passende, späte Austragungsdatum nutzen, um ihre Bestzeiten zu drücken.
So waren am Sonntag natürlich auch zahlreiche deutsche Spitzenläufer in der Ende Oktober von einem heftigen Unwetter getroffenen spanischen Stadt dabei. Die offensivste Taktik wählte Samuel Fitwi (Silvesterlauf Trier). Der 15. der Olympischen Spiele von Paris peilte 2:05 Stunden an. Und damit den Bereich des Deutschen Rekords von Amanal Petros (SCC Berlin; 2:04:58 h).
Samuel Fitwi spurtet um jede Sekunde
Selbst nach der 35-Kilometer-Marke war für den 28-Jährigen die Rekordmarke noch in Reichweite. Mit extrem schnellen letzten Kilometern gelang Samuel Fitwi die Punktlandung. Auf dem blauen Teppich vor dem Ziel setzte er zu einem klassischen Bahn-Endspurt an, blickte immer wieder auf die große Uhr über dem Ziel und riss nach 2:04:56 Stunden die Arme in die Höhe. Damit war Samuel Fitwi zwei Sekunden schneller als Amanal Petros 2023 in Berlin und anderthalb Minuten schneller als jemals zuvor. Für ihn ist es der erste Deutsche Rekord (vorbehaltlich Ratifizierung) seiner außergewöhnlichen Karriere. Nur sieben Europäer waren bis heute schneller als er. „Ich freue mich riesig für dich“, schrieb der entthronte Rekordhalter Amanal Petros bei Instagram und postete dazu ein Foto von Samuel Fitwi. Der SWR hat eine sehenswerte Dokumentation über den Trierer, der 2015 vom Krieg in Eritrea flüchtete und nach Deutschland kam, produziert. Zum Video.
Schon die ersten Zwischenzeiten zeigten, dass Samuel Fitwi in Valencia eine Jagd auf den Deutschen Rekord startete. Kilometer 10 passierte er in der zweiten Gruppe laufend in 29:31 Minuten, die Halbmarathon-Marke erreichte er nach 62:12 Minuten. In der Folge verlor er einige Sekunden und bei Kilometer 35 lag er mit 1:43:46 Stunden ganz knapp außerhalb der nationalen Bestzeit. „Ich hatte meine Uhr aber immer im Blick und bei Kilometer 39 wusste ich, es sind noch rund zehn Minuten zu rennen - ich sah, dass der Rekord erreichbar war“, sagte Samuel Fitwi, der die fehlenden Sekunden wieder aufholte, eine starke Schluss-Offensive zeigte.
Rekord krönt ein starkes Jahr
„Das ist natürlich ein großer Erfolg für mich, ich bin absolut happy. Aber auch wenn ich 2:05 gelaufen wäre, wäre ich froh gewesen.“ Samuel Fitwi krönte in Valencia ein für ihn sensationelles Jahr. In Dubai hatte er sich zunächst im Januar überraschend auf 2:06:27 Stunden gesteigert und für Olympia qualifiziert. Dort erreichte er im August einen starken 15. Platz, nachdem er zuvor Fünfter im Halbmarathon bei den Europameisterschaften war und dort mit dem Team Bronze gewonnen hatte.
Mit der schnellsten Zeit eines deutschen Marathonläufers belegte Samuel Fitwi in dem starken Feld Rang neun. Auf der zweiten Streckenhälfte machte er Platz um Platz gut und schob sich damit noch unter die Top 10. Nur fünf Plätze dahinter stürmte Richard Ringer (LC Rehlingen) nach 2:05:46 Stunden ins Ziel. Der Marathon-Europameister steigerte damit seine Bestzeit gleich um 79 Sekunden – ein ordentlicher Leistungssprung für den Routinier und die Norm für die WM 2025 in Tokio (2:06:30 h).
Simon Boch kratzt an Bestzeit, gutes Debüt von Nils Voigt
Auch Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg) lief in die Nähe seiner Bestzeit. Mit 2:09:46 Stunden verpasste der 30-Jährige als 30. seine Bestzeit nur um 21 Sekunden. Nils Voigt (TV Wattenscheid 01) gelang ein gleichmäßiges Debüt. Mit 2:10:34 Stunden lief er auf Platz 38. Johannes Motschmann (SCC Berlin) und Erik Hille (TV Burglengenfeld) erreichten das Ziel nicht. Gleiches galt für Lauf-Legende Kenenisa Bekele (Äthiopien). „Es war ein gutes Niveau für ein Debüt. Ich glaube, darauf kann ich aufbauen. Tempo und Atmung haben sich gut angefühlt. Es war nicht viel langsamer als über die 10.000 Meter, man ist flott unterwegs“, sagte Nils Voigt kurz nach dem Rennen. Die Härten eines Marathons liegen eben woanders: „Es fehlt mir halt die Erfahrung auf so einer langen Strecke – und auch die muskuläre Widerstandskraft, solche Schmerzen wie heute hatte ich noch nicht. Aber letztendlich bin ich gut durchgekommen und habe die Gewissheit, dass ich so eine Strecke bewältigen kann.“
Die Entscheidung um den Sieg fiel in Valencia kurz nach der 35-Kilometer-Marke. Da zog Sabastian Sawe mit langem Schritt an seinem bis dato führenden Landsmann Daniel Mateiko vorbei. Dieser hatte sich fünf Kilometer zuvor zwischenzeitlich deutlich abgesetzt, konnte das Tempo allerdings nicht halten. Mit einer zweiten Hälfte von 60:47 Minuten war Sabastian Sawe bei seinem Debüt nach 2:02:05 Stunden im Ziel. Schneller war in diesem Jahr weltweit kein anderer Marathonläufer. Gleichzeitig platzierte er sich damit auf Anhieb auf Rang fünf in der Liste der schnellsten Athleten aller Zeiten und rannte das zweitschnellste Marathon-Debüt aller Zeiten. Schneller war nur der zwischenzeitlich verstorbene Marathon-Weltrekordler Kelvin Kiptum (Kenia), der vor zwei Jahren in Valencia mit 2:01:53 Stunden gewonnen hatte.
Tadesse Abraham verabschiedet sich mit Schweizer Rekord
Hinter dem 29 Jahre alten Halbmarathon-Weltmeister, der in diesem Jahr die prestigeträchtigen Halbmarathons in Prag und Kopenhagen gewonnen hatte, liefen Derese Geleta (Äthiopien; 2:02:38 h) und Daniel Mateiko (Kenia; 2:04:24 h) auf die Plätze zwei und drei. Als Fünfter in 2:04:40 Stunden beendete der Schweizer Tadesse Abraham mit einem neuen Landesrekord seine lange und erfolgreiche Karriere. Auch Yohanes Chiappinelli (Italien; 2:05:24 h) und Andy Buchanan (Australien; 2:06:22 h) erzielten neue Landesrekord.
Wie bei den Männern wurde auch bei den Frauen der hochklassige Streckenrekord verpasst. Mit 2:16:49 Stunden lief Siegerin Megertu Alemu (Äthiopien) allerdings eine Weltklassezeit. Als Zweite verbesserte Stella Chesang den Landesrekord von Uganda auf 2:18:26 Stunden. Als Dritte komplettierte Tiruye Mesfin (Äthiopien) mit 2:18:35 Stunden das Podium. Laura Hottenrott (PSV Grün-Weiß Kassel) ging offensiv ins Rennen (Halbmarathon: 71:52 min), konnte den Marathon aber wie vor fünf Wochen in Frankfurt nicht beenden. Beste deutsche Läuferin war in Valencia Hanna Gröber (LAV Stadtwerke Tübingen), die bei ihrem Debüt auf Rang 34 eine Zeit von 2:35:47 Stunden erreichte.
Top 10: Die schnellsten deutschen Marathonläufer aller Zeiten
2:04:56 | Samuel Fitwi, 01.12.2024 Valencia*
2:04:58 | Amanal Petros, 24.09.2023 Berlin
2:05:46 | Richard Ringer, 01.12.2024 Valencia
2:07:14 | Hendrik Pfeiffer, 14.01.2024 Houston
2:07:33 | Sebastian Hendel, 29.09.2024 Berlin
2:08:22 | Filimon Abraham, 19.03.2023 Barcelona
2:08:24 | Haftom Welday, 03.12.2023 Valencia
2:08:33 | Arne Gabius, 25.10.2015 Frankfurt
2:08:47 | Jörg Peter, 14.02.1988 Tokio
2:09:03 | Michael Heilmann, 14.04.1985 Hiroshima
* vorbehaltlich Ratifizierung
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