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Zwischen Bodenständigkeit und Rampensau: die Erfolgsgeschichte von Leo Neugebauer

© beautiful sports
Im Juni verbesserte er erneut den deutschen Rekord im Zehnkampf, im August eroberte Leo Neugebauer beim Gewinn von Olympia-Silber die Herzen im Sturm, im Herbst genoss er die Off-Season in vollen Zügen. Was sich seit dem Erfolg in Paris verändert hat, wie er das Gleichgewicht zwischen harter Arbeit und Spaß findet und was seine Ziele für 2025 sind, darüber haben wir mit ihm am Ende seiner Saison gesprochen.
Jane Sichting

Als hätte er den Sonnenschein aus seiner Wahlheimat Austin (Texas, USA) einfach mitgebracht, strahlt Leo Neugebauer (VfB Stuttgart) mit einem Hollywood-Lächeln übers ganze Gesicht. Immer seine olympische Silbermedaille griffbereit, nutzt der Deutsche Rekordhalter im Zehnkampf im Herbst die Auszeit in Deutschland, um sich von der langen Sommersaison zu erholen, sich in seiner schwäbischen Heimat blicken zu lassen und Dinge zu tun, für die im durchgetakteten Sportalltag kein Platz ist. Etwa ein TV-Auftritt in einer Talksendung, bei der er sich gleichermaßen charmant präsentierte wie im Interview mit leichtathletik.de.

Der 24-Jährige strahlt in seinen Antworten – die immer wieder mit englischen Ausdrücken gespickt sind – längst jene Lässigkeit aus, wie sie gern dem „American Lifestyle“ zugeschrieben wird. Als hätte er diesen nach fünf Jahren, die er bereits in Texas lebt und trainiert, gleichermaßen verinnerlicht wie die Bewegungsmuster der zehn Disziplinen, in denen er Jahr um Jahr auf Punktejagd geht. Denn so sehr ihn seine Fans auch für seine positive Ausstrahlung und sein authentisches Auftreten lieben: Der breiten Öffentlichkeit bekannt ist Leo Neugebauer in erster Linie aufgrund seines sportlichen Erfolgs.

Harte Arbeit zahlt sich aus

Der Olympia-Coup von Paris hat dem Deutschen Zehnkampf-Rekordhalter zusätzlich Rückenwind verliehen: „Ich würde sagen, dass es mich darin bestätigt hat, dass ich wirklich gut bin und in so einem Weltklasse-Feld gut performen kann. Jetzt mit den Olympischen Spielen fertig zu sein, ist richtig cool. Einfach zu wissen, dass sich die Arbeit ausgezahlt hat. Und dass ich jetzt die Zeit ein bisschen genießen kann – es gibt nichts Besseres“, sagt er.

Die gesteigerte Aufmerksamkeit bewertet Leo Neugebauer durchweg positiv: „Dass man erkannt wird, ist definitiv immer das Ziel. Dafür bin ich sehr dankbar. Daher nehme ich mir auch immer sehr gerne und viel Zeit für Bilder und Autogramme. Ich bin keiner, der dann denkt: ‚nicht schon wieder‘, sondern bin für jede Interaktion dankbar.“ Entsprechend ausdauernd erfüllte er unter anderem beim ISTAF Berlin die Autogrammwünsche seiner Fans und lächelte unzählige Male in deren Kameras.

Wertvolle Zeit mit der Familie und Freunden

Wie er auf Bildern gut aussieht, damit kennt sich der Zehnkämpfer bestens aus. Denn als „Leo the German“ versorgt er eine große Fangemeinde auf seinen Social-Media-Kanälen wie Instagram und YouTube unter anderem mit Updates aus seinem Alltag, präsentiert sein zum Klassiker gewordenes "OOTD – Outfit of the day" sowie Bilder und Impressionen aus dem Training, von seinem Essen oder von besonderen Anlässen.

Anhand dieser Eindrücke ist es kein Geheimnis, wie durchstrukturiert und professionell sein Trainingsalltag in den USA ist. Alles ist perfekt aufeinander abgestimmt und auf maximale sportliche Erfolge hin optimiert. Umso mehr genoss Leo Neugebauer zuletzt den Luxus in der Off-Season, aus dieser engmaschigen Routine auszubrechen und sich auch mal eine Currywurst zu gönnen oder neue Erfahrungen zu sammeln. „Es ist definitiv anders, aber ich habe es wirklich genossen, endlich mal wieder zu Hause zu sein und freie Zeit mit meiner Familie und Freunden zu verbringen.“

Spaß als Erfolgsrezept

Zurück in Austin, steht jetzt neben „Leo-Time“, wie er die Momente nennt, in denen er relaxen kann und Zeit für sich selbst hat, auch wieder harte Arbeit an. Denn so locker er auch wirkt und so sehr er die Show im Stadion genießt, so konsequent zieht er seine Trainingspläne und Strukturen in Texas durch: „Die Zeit, in der ich richtig hart ackern muss, ist wirklich kein Spaß. Aber das gehört als Sportler dazu. Wenn man dann zu einfachen Trainings oder Wettkämpfen geht, ist das eher Spaß-Zeit. Dann kann man endlich zeigen, woran man so hart gearbeitet hat.“

Genau diese Kombination aus harter Arbeit, Spaß und Lockerheit ist es auch, die ihn nicht nur zu Topleistungen führt, sondern auch bei den Fans so beliebt macht. Zudem ist er trotz all seiner Erfolge sehr bodenständig geblieben und denkt in kleinen Schritten. Was angesichts seiner Entwicklung in den vergangenen Jahren nicht selbstverständlich ist.

Erste Profi-Saison steht bevor

Binnen drei Jahren verbesserte sich Leo Neugebauer im Zehnkampf um mehr als 1.000 Punkte, knackte 2023 mit 8.836 Punkten den 39 Jahre alten deutschen Rekord und schraubte ihn im Juni 2024 sogar auf 8.961 Punkte. Das erste Ergebnis jenseits der 9.000 Punkte scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein – oder? „Ich versuche immer, mich selbst zu schlagen und meine nächste Bestleistung aufzustellen. Die 9.000 Punkte sind da sehr naheliegend. Mal schauen, wie es nächste Saison läuft. Ich freue mich schon sehr drauf – das wird meine erste Saison als Professional“, sagt der 1,98 Meter große Modellathlet.

Konkrete Ziele setzt er sich für das WM-Jahr 2025 hingegen nicht: „Meine Ziele für das nächste Jahr sind, eine gute erste Pro-Season zu haben und mich an alles zu gewöhnen. Zudem will ich viele coole Pro-Wettkämpfe machen, zum Beispiel das Mehrkampf-Meeting in Götzis.“ Die Vorbereitungen darauf laufen in gewohnter Umgebung ab. Denn obwohl Leo Neugebauer sein Bachelorstudium erfolgreich beendet hat, sagt er: „Ich werde weiter in Texas trainieren. Alles, was sich ändert, ist, dass ich keine Uni mehr habe.“

Was ebenfalls gleich bleibt, ist sein Ritual vor einem Wettkampf: „Einen Tag vor dem Wettkampf probiere ich mein Wettkampfdress an und schaue in den Spiegel. Wenn es gut aussieht und es sich gut anfühlt, dann weiß ich, dass es ein guter Wettkampf wird“. Bis es wieder so weit ist, steht aber zunächst wieder harte Arbeit auf dem Programm – ausgeruht und motiviert ist er nach knapp sechs Wochen Deutschlandbesuch, einer Woche Bonus-Urlaub im „Sporthilfe Club der Besten“ in der Türkei und einem Trip nach Hawaii allemal.

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