| Interview

Julian Weber: "Ich will mich für die Athleten einsetzen"

© Gladys Chai von der Laage
Seit Jahren gehört Julian Weber zur erweiterten Weltspitze. Spätestens seit seinem EM-Titel 2022 ist er eine der Leitfiguren des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) und übernahm bei den Olympischen Spielen in Paris (Frankreich) die Rolle des Team-Kapitäns. Welch großes Vertrauen er unter den Athleten genießt, zeigt seine Wahl zum Athletensprecher. Über genau diese Rolle haben wir mit dem 30-Jährigen gesprochen.
Jane Sichting

Julian Weber, als wäre die Sommersaison mit gleich mehreren Höhepunkten nicht schon intensiv genug gewesen, haben Sie seit April auch das Amt des Athletensprechers inne. Können Sie kurz erklären, was genau das ist und welche Aufgaben ein Athletensprecher hat?

Julian Weber:
Als Athletensprecher beim Deutschen Leichtathletik-Verband verstehe ich mich als Brücke zwischen den Athleten und den Entscheidungsträgern im Verband. Meine Aufgabe besteht darin, die Anliegen und Bedürfnisse der Athleten zu vertreten und sicherzustellen, dass ihre Stimmen bei wichtigen Entscheidungen gehört werden. Dabei geht es nicht nur um sportliche Belange, sondern auch um Themen wie Chancengleichheit, Förderung und das allgemeine Wohlbefinden der Athleten.

Wie haben Sie die ersten Monate als Athletensprecher erlebt und ausgefüllt?

Julian Weber:
Die ersten Monate waren intensiv und lehrreich. Es gab viele neue Aufgaben und Herausforderungen, aber auch zahlreiche positive Begegnungen und wertvolle Gespräche. Ich habe versucht, mich schnell in die verschiedenen Themen einzuarbeiten und habe viel Zeit in den Austausch mit Athleten und Funktionären investiert. Es war mir wichtig, schnell ein Gespür dafür zu entwickeln, wo der Schuh drückt und wie ich konkret unterstützen kann. Natürlich war es um Olympia herum nicht einfach, deshalb bin ich umso dankbarer, einen so kompetenten stellvertretenden Athletensprecher wie Max Thorwirth an meiner Seite zu haben. Bereits vor meiner Amtszeit war er Stellvertreter und konnte viel von der ehemaligen Profiathletin und Athletensprecherin Nadine Hildebrand lernen. Sie hat das Amt über viele Jahre mit enormer Leidenschaft und Hingabe ausgeübt, wodurch sie uns den Einstieg erleichtert und uns ebenso unterstützt hat.

Leidenschaft und Hingabe ist ein gutes Stichwort: Woher kommt Ihr Engagement für diese Aufgabe? Was motiviert Sie, die Rolle des Athletensprechers anzunehmen und auszufüllen?

Julian Weber:
Es ist schon komplex, macht aber einfach viel Spaß. Das ist genau das, was ich machen will – mich für die Athleten einsetzen. Deswegen mache ich das sehr gerne, auch wenn es etwas aufwendiger ist. Zugleich ist es eine Ehre, dass ich gewählt worden bin.

Wenngleich die Themen vielfältig und komplex sind – was sind aktuell die wichtigsten Anliegen? Können Sie Beispiele nennen?

Julian Weber:
Aktuell stehen zwei Anliegen im Vordergrund. Zum einen ist es uns ein großes Anliegen, die Kommunikation zwischen den Bundestrainern und den Athleten weiter zu verbessern. Hierbei geht es vor allem um mehr Transparenz, eine bessere Informationsweitergabe und eine höhere Wertschätzung der Athleten und Trainer. Zum anderen ist es uns wichtig, die Rolle und Bedeutung der Athleten im Rahmen der aktuellen Neustrukturierung zu einem Aufsichtsrat zu stärken. Diese Veränderungen sollen sicherstellen, dass die Stimme der Athleten in wichtigen Entscheidungsprozessen künftig mehr Gewicht hat.

Wie erleben Sie die Kommunikation als Athletensprecher etwa mit den Mitgliedern des DLV-Präsidiums? Haben Sie das Gefühl, tatsächlich eine Stimme zu haben?

Julian Weber:
Die Kommunikation mit dem DLV-Präsidium empfinde ich als offen und konstruktiv. Es gibt regelmäßigen Austausch, bei dem die Perspektiven der Athleten ernst genommen werden. Ich habe das Gefühl, dass meine Stimme und die der Athleten gehört werden. Es gibt ein echtes Interesse daran, gemeinsam Lösungen zu finden. Natürlich ist es manchmal ein Prozess, aber ich bin zuversichtlich, dass wir positive Veränderungen bewirken können.

Wie weit reicht Ihr Einfluss als Athletensprecher konkret?

Julian Weber:
Mein Einfluss reicht insofern, als dass ich die Anliegen der Athleten direkt in die Entscheidungsprozesse des Verbandes einbringen kann. Natürlich stoßen wir auch auf Herausforderungen und es braucht manchmal Zeit, bis konkrete Veränderungen umgesetzt werden. Aber ich bin überzeugt, dass durch kontinuierlichen Dialog und Engagement viel erreicht werden kann.

Haben Sie trotz der erst kurzen Amtszeit als Athletensprecher bereits etwas erreichen können?

Julian Weber:
Ja, wir konnten bereits einige kleine Erfolge verzeichnen, wie beispielsweise die Verbesserung der Kommunikationswege zwischen Athleten, Trainern und Funktionären. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, aber die ersten Schritte sind gemacht.

Nun sind Sie nicht nur Athletensprecher, sondern waren zuletzt auch Team-Kapitän in Paris. Kommt Ihnen für diese Rollen Ihrer lockere und offene Art zugute – auch um eine gute Vertrauensbasis zu schaffen? Und fällt es Ihnen leicht, als Kapitän ein Team zu motivieren?

Julian Weber:
Ja, ich denke, meine offene und zugängliche Art hilft mir dabei, das Vertrauen der Athleten zu gewinnen und eine positive Teamdynamik zu schaffen. Motivation ist ein zentraler Bestandteil meiner Rolle, sowohl als Athletensprecher als auch als Team-Kapitän. Es ist wichtig, dass die Athleten wissen, dass sie sich auf mich verlassen können und dass ihre Anliegen ernst genommen werden.

Als Athletensprecher sind Sie auch das Sprachrohr nach außen. Sind Sie seither auch routinierter im Umgang mit den Medien geworden? Achten Sie nun genauer auf Ihre Wortwahl?

Julian Weber:
Der Umgang mit den Medien gehört definitiv zu den Aufgaben, in die man hineinwächst. Es ist wichtig, präzise und klar zu kommunizieren, um die Botschaften der Athleten wirkungsvoll zu vermitteln. Natürlich achte ich auf meine Wortwahl, um sicherzustellen, dass die Anliegen der Athleten korrekt und respektvoll dargestellt werden.

Die Aufgabe als Athletensprecher erfordert auch ein lösungsorientiertes Denken – fällt Ihnen das leicht?

Julian Weber:
Ja, ich denke, dass lösungsorientiertes Denken eine meiner Stärken ist. Es geht darum, Probleme zu identifizieren und gleichzeitig Wege zu finden, wie man sie gemeinsam bewältigen kann. Für mich ist es wichtig, nicht nur Probleme zu benennen, sondern auch konkrete Vorschläge zu machen, wie wir die Situation verbessern können.

Eine weitere Stärke von Ihnen ist das Speerwerfen. Denn Sie sind nicht nur Athletensprecher, sondern in erster Linie auch selbst Athlet. Auch wenn die Saison für Sie noch nicht ganz beendet ist, wie blicken Sie darauf zurück?

Julian Weber:
Ich bin sehr zufrieden mit dieser Saison. Es war ein anstrengendes, aber auch wunderschönes Jahr. Ich bin Vize-Europameister, Deutscher Meister, habe den sechsten Platz bei Olympia erreicht und meinen ersten Sieg in der Diamond League geholt. Ich konnte viele konstante Würfe über 85 Meter erzielen und werde darauf nach einer verletzungsfreien Saison aufbauen können. Leider ist mir der große Ausreißer nach oben bisher nicht gelungen – insbesondere bei Olympia, wo ich in der Form meines Lebens war, hatte ich auf die 90 Meter gehofft. Natürlich gab es auch Momente, in denen nicht alles nach Plan lief, aber aus diesen Erfahrungen habe ich viel gelernt. Letztlich bin ich dankbar für die schönen Momente, die ich sammeln konnte, und freue mich auf die kommende Saison.

Sie sprechen es bereits selbst an – seit Jahren dominiert die Frage, wann Ihnen der erster Wurf über 90 Meter gelingt. Sind Sie von der 90-Meter-Thematik inzwischen etwas genervt? Setzt Sie diese Erwartungshaltung unter Druck?

Julian Weber:
Natürlich ist es eine Herausforderung, immer wieder auf die 90-Meter-Marke angesprochen zu werden. Aber ich sehe es auch als Motivation, mein Bestes zu geben und kontinuierlich an meiner Leistung zu arbeiten. Ich weiß, dass 90 Meter und mehr in mir stecken, aber es muss einfach alles perfekt zusammenpassen, damit der Speer so weit fliegt. Druck gehört im Leistungssport dazu, aber ich versuche, ihn positiv zu nutzen und mich auf das zu konzentrieren, was ich beeinflussen kann – nämlich meine Leistung auf dem Platz.

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