| Interview

Hendrik Müller: „Seit einem Jahr auf diesen Tag gewartet“

© Jan Papenfuß
Nach 16 Jahren hat Deutschland wieder einen U20-Weltmeister im Stabhochsprung: In der vergangenen Woche triumphierte Hendrik Müller (TSV Bayer 04 Leverkusen) bei der U20-WM in Lima. Im Interview verrät er, warum die Zeit reif war für den ersten großen Titel, und erzählt, was er mit seinem Vorgänger als U20-Weltmeister Raphael Holzdeppe verbindet.
Svenja Sapper

Hendrik Müller, herzlichen Glückwunsch: Du bist der neue U20-Weltmeister im Stabhochsprung. Wie hört sich das an?

Hendrik Müller:
Ziel übertroffen, würde ich sagen! Mein Ziel war es auf jeden Fall, eine Medaille zu holen. Und ja, natürlich wollte ich Weltmeister werden. Das war von vornherein mein größter Wunsch. Jetzt bin ich rundherum glücklich. Es war ein schwieriger Wettkampf, aber ich habe es gut gemacht.

Dabei warst du bei 5,20 Metern schon fast raus aus dem Wettbewerb…

Hendrik Müller: 
Ja. (lacht) Der Wille war heute einfach da. Ich war fest entschlossen, diesmal bei einer Meisterschaft zu „peaken“ und Leistung zu bringen. Das ist das Beste, was man machen kann. Ich habe es nach der Qualifikation schon gesagt: Ich habe seit der U20-EM in Jerusalem auf diesen Tag heute gewartet. Damals war ich sehr enttäuscht. Klar, ich war vorher krank gewesen [Anm. d. Red. Hendrik Müller hatte im Vorjahr einige Wochen vor der U20-EM Windpocken]. Trotzdem war ich sehr enttäuscht über die Platzierung, weil ich weiß, dass ich sehr hoch springen kann.

Was hast du diesmal so viel besser gemacht als letztes Jahr? 

Hendrik Müller:
Ich war fokussierter. Ich habe nicht jeden angefeuert, der im dritten Versuch war, sondern auf mich geguckt. Es hat mir sehr geholfen, bei mir zu bleiben. Die Fehlversuche bei den niedrigen Höhen haben viele Kräfte gekostet, ich musste ja gleich zweimal in den dritten Versuch. Umso wichtiger war es bei den hohen Höhen, im ersten Versuch drüberzukommen.

Bei 5,40 Metern ist dir das gelungen, du hast zum ersten Mal die Führung übernommen – und dann hat der Japaner Rikuya Yoshida gekontert …

Hendrik Müller:
Damit hätte ich nicht gerechnet, das sage ich ehrlich. Er ist sehr gut gesprungen, aber im Endeffekt bin ich noch höher gesprungen (lacht). Ich glaube, er ist sehr zufrieden mit seinem Wettkampf, ist zweimal PB gesprungen. Wir freuen uns einfach beide. Natürlich will jeder Weltmeister werden, aber im Ende ist es der, der die besseren Nerven hat. Und das war heute ich. 

Du hattest nicht nur die besseren Nerven, sondern auch einen Fanclub an der Stabhochsprung-Anlage, wo sich viele Mitglieder des deutschen Teams zum Anfeuern versammelt haben. Wie viel hat das heute ausgemacht? 

Hendrik Müller: 
Das Team hat mir heute 100 Prozent Rückenwind gegeben. Ich bin einfach froh, dass das deutsche Team so zahlreich erschienen ist. Bei jedem Versuch, als meine Beine eigentlich schon kaputt waren von den ganzen Fehlversuchen, standen sie da, ich habe sie animiert und sie sind mitgegangen. Das war einfach perfekt.

Dort standen auch deine Disziplin-Kollegen und nicht zuletzt das Stabhochsprung-Trainerteam mit Stephan Munz und deinem Heimtrainer Marvin Klaassen, die dich in dem schwierigen Wettkampf betreut und gecoacht haben ...

Hendrik Müller: 
Dieses Team war in den letzten Tagen enorm wichtig für mich. Wir sind hier in den letzten Tagen im engen Kreis geblieben, haben gemeinsam viel "Socializing" gemacht. Ich bin sehr froh, dass Marvin als Disziplintrainer mitfahren konnte, und dass auch Stephan Munz mit dabei war, er ist auch ein sehr guter Trainer. Sie haben hier ein sehr gutes Duo gebildet. Dann waren da noch mein Zimmerkollege Josh [Joshua Stallbaum] und die Mädels [Tamineh Steinmeyer und Anna Hiesinger]. Das war meine Gruppe hier, die Leute, mit denen ich am meisten Zeit verbracht habe. 

Die Bedingungen waren mit Kälte und Wind nicht einfach. Ganz anders als zum Beispiel vergangenes Jahr in Jerusalem. Auch bei den Deutschen Meisterschaften der verschiedenen Altersklassen hat es dieses Jahr immer wieder geregnet – die unfreiwillig perfekte Vorbereitung? 

Hendrik Müller: 
Irgendwie schon. In Deutschland war diesen Sommer auch nicht das beste Wetter, trotzdem habe ich eine sehr solide Saison hingelegt. Das zeigt, dass ich bei Wind und Wetter gut springen kann, und gibt Selbstbewusstsein für die Zukunft.

Du bist der zweite deutsche U20-Weltmeister im Stabhochsprung nach Raphael Holzdeppe, der 2008 in Bydgoszcz triumphiert hat. Der spätere Weltmeister hat vor wenigen Wochen seine Karriere beendet, du bist noch einige Male gegen ihn gesprungen. Welche Erinnerungen hast du an ihn? 

Hendrik Müller: 
Als wir gegeneinander im Wettkampf angetreten sind, war er nicht mehr ganz in seiner besten Form, trotzdem kann man sich von ihm auf jeden Fall was abschauen. Er ist ein krasser Stabhochspringer, der die deutsche Leichtathletikszene auf jeden Fall geprägt hat. Er war ja auch sehr früh schon sehr gut, und das eben später dann auch im Erwachsenenalter. Auf jeden Fall eines meiner sportlichen Vorbilder. Abseits der Wettkämpfe erinnere ich mich gerne an unseren gemeinsamen Aufenthalt in Südafrika im Trainingslager. Raphael ist einfach ein sehr guter Mensch. Er war sehr nett zu mir, obwohl ich da noch nichts „gerissen“ habe. 

Jetzt darfst du dir vor dieser Kulisse die Goldmedaille um den Hals hängen und die deutsche Nationalhymne hören. Wie fühlt sich das an? 

Hendrik Müller: 
Surreal. Ich habe lange davon geträumt und bin sehr froh, dass ich zum Abschluss meiner U20-Jahre performt habe.

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