| ISTAF Berlin

Gina Lückenkemper, Julian Weber & Co. sorgen für großes Berliner Leichtathletik-Feuerwerk

© ISTAF / Lukas Schulze
Die deutschen Publikumslieblinge um Gina Lückenkemper, Julian Weber, Gesa Krause oder Leo Neugebauer haben am Sonntag mit Top-Leistungen und Heimsiegen beim ISTAF in Berlin abgeliefert. Aus internationaler Sicht setzte die Kenianerin Mary Moraa im Abschiedsrennen von Christina Hering mit einer Weltbestleistung über 600 Meter das i-Tüpfelchen. Emotional wurde es auch bei den letzten Diskuswürfen von Julia Harting.
Silke Bernhart

Gina Lückenkemper (SCC Berlin) hat am Sonntag über 100 Meter für den krönenden Abschluss eines an Höhepunkten reichen ISTAF 2024 in Berlin gesorgt: Nach einem gelungenen Start zog die Olympia-Halbfinalistin Schritt um Schritt der Konkurrenz davon und stürmte nach 10,93 Sekunden in neuer Bestzeit zum deutlichen Sieg. „Ich sage das ganze Jahr schon, da schlummert was Großes. Ich habe es schon gestern beim Warm-up gespürt und gewusst: Da ist morgen alles möglich“, gab sie kurze Zeit später am Mikrofon von ARD-Moderator Claus Lufen zu Protokoll.

Nur kurz bedauerte sie, dass ihr diese Leistung in Paris nicht im Halbfinale gelungen war, denn die hätte sie ins Olympia-Finale befördert. Dafür trug Gina Lückenkemper dort später auf Position drei der deutschen Staffel mit der schnellsten Zeit aller Sprinterinnen maßgeblich zum Gewinn der Bronzemedaille bei. Nicht zum Einsatz gekommen war damals Ersatzläuferin Lisa-Marie Kwayie (Neuköllner SF). Und so erhielt sie auch keine Bronzemedaille – dafür aber aus den Händen ihrer Staffelkolleginnen am Sonntag einen bronzenen Staffelstab: „Wir wollten einfach noch mal Danke sagen“, erklärte Gina Lückenkemper.

Julian Weber dicht an den 90 Metern

Kurz zuvor hatte Speerwerfer Julian Weber (USC Mainz) mit seinen letzten Würfen einen weiteren deutschen Sieg perfekt gemacht. Der beste Versuch war dem Olympia-Sechsten schon in Runde eins gelungen, als sein Wurfgerät bis auf 88,64 Meter segelte und damit weiter als bisher im gesamten Saisonverlauf. Zwei weitere 87-Meter-Wurfe untermauerten in seiner Wahl-Heimat Berlin seine Vormachtstellung.

Sogar über eine magische Marke hinaus ging es im Stabhochsprung der Männer, wo der Olympia-Zweite Sam Kendricks (USA) den Ton angab. Nachdem er sich erfolgreich über 6,01 Meter geschwungen hatte, ließ er sogar 6,08 Meter auflegen, was neuen US-Rekord bedeutet hätte. Allerdings versuchte er sich an dieser Höhe dreimal vergeblich. Aus deutscher Sicht überzeugte besonders der einstige Vize-Europameister Bo Kanda Lita Baehre (ART Düsseldorf): Mit Saison-Bestleistung von 5,82 Metern hat er bereits jetzt die WM-Norm für das kommende Jahr in Tokio (Japan) in der Tasche – Platz drei.

Mary Moraa schneller als Caster Semenya

„Jetzt gerade fühlt sich das schon sehr richtig an. Heute hat mir aber noch mal gezeigt, wie toll die Leichtathletik ist. Ich bin stolz, dass ich hier noch mal rennen durfte“, sagte Christina Hering (LG Stadtwerke München) am Stadionmikrofon, nachdem sie über 600 Meter die letzten Runden der Karriere gedreht hatte (Interview zu ihrem Karriere-Ende).

In 1:26,17 Minuten wurde die 15-malige Deutsche 800-Meter-Meisterin Sechste. Deutlich schneller war ihre Trainingspartnerin Alica Schmidt (SCC Berlin; 1:24,88 min) unterwegs, die damit ein weiteres Mal ihr Potenzial für einen Wechsel vom Langsprint zur Mittelstrecke unter Beweis stellte.

Für das Highlight sorgte in diesem Rennen Siegerin Mary Moraa (Kenia). Die Olympia-Dritte über 800 Meter hatte die Weltbestzeit auf dieser Strecke fest im Blick – aufgestellt ebenfalls beim ISTAF in Berlin vor genau sieben Jahren, und zwar von der Südafrikanerin Caster Semenya. Im Ziel war sie in 1:21,63 Minuten 14 Hundertstel schneller.

Gesa Krause sprintet Olivia Gürth davon

Auch die Hindernisläuferinnen waren dieses Mal auf einer „krummen“ Strecke, nämlich über 2.000 Meter, unterwegs. Publikumsliebling Gesa Krause (5:56,71 min) rannte auf den letzten 300 Metern ihrer zehn Jahre jüngeren Trainingspartnerin Olivia Gürth (beide Silvesterlauf Trier; 6:00,50 min PB) auf und davon. „Ich wollte hier heute unbedingt noch mal liefern“, sagte Gesa Krause. „In Paris war ich schon sehr geknickt, dass ich im Finale nicht noch einen drauflegen konnte. Umso schöner ist es, dass es hier dann noch mal geklappt hat. Wenn ich etwas zurückgeben kann für all den Support, dann hier."

Die Olympia-Zweite Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) konnte dem Publikum zwar diese Mal keine weiten Sätze schenken, wohl aber ihre Zeit: Nachdem sie ihre Saison aufgrund der Folgen ihrer Corona-Infektion bereits beendet hat, erfüllte sie in der Fanzone alle Autogrammwünsche. In ihrer Abwesenheit ging der Weitsprung-Sieg an die Schweizerin Annik Kälin (6,65 m), auf Platz zwei überzeugte nur einen Zentimeter dahinter die Frankfurterin Malin Stavenow mit neuer Bestleistung von 6,64 Metern.

Im Kugelstoßen stand für Yemisi Ogunleye die ISTAF-Premiere als Olympiasiegerin auf dem Programm. Stets mit einem Lächeln auf den Lippen stieg sie in den Ring – so weit wie in Paris flog die Kugel aber nicht mehr. Beim Sieg der Niederländerin Jessica Schilder (19,70 m) blieb ihr mit 18,65 Metern Platz zwei. „Zum Ende der Saison war es sehr kräftezehrend. Mein Ziel war es, einfach Spaß zu haben. Es war eine coole Stimmung“, sagte die Mannheimerin, die ihre Saison beim Diamond League-Finale in Brüssel (Belgien; 14./15. September) beenden wird.

Leo Neugebauer verblüfft mit 1.500-Meter-Bestleistung

Anders gestaltete sich der Auftritt des Olympia-Zweiten im Zehnkampf Leo Neugebauer (VfB Stuttgart), denn der fuhr sogar eine neue Bestleistung ein – über 1.500 Meter! Zum Ende eines Dreikampfs durfte er sich nach 10,77 Sekunden über 100 Meter und 53,13 Metern im Diskuswurf mit deutlicher Führung auf die Strecke machen, die gemäß der Gundersen-Methode in der Reihenfolge und mit den Abständen der Mehrkampf-Wertung gestartet wurde. Nach 4:38,10 Minuten war er so schnell wie nie im Ziel. Platz zwei ging an Manuel Eitel (SSV Ulm 1846), der sich nach seiner Corona-Infektion unter anderem mit starken 10,51 Sekunden über 100 Meter fit für seinen Start beim Mehrkampf-Meeting in Talence (Frankreich; 14./15. September) meldete

„Bis zur letzten Runde hatte ich keine Ahnung, wo die anderen sind, deswegen habe ich ein bisschen Gas gegeben. Dass ich keine neun Disziplinen davor hatte, hat auch geholfen – es hat echt viel Spaß gemacht“, stellte Leo Neugebauer anschließend fest. „Die 1.500 Meter haben nicht annähernd so viel wehgetan wie sonst im Zehnkampf.“ Die weiteren Wochen wird er nun mit Freunden und Familie in der Heimat verbringen, bevor es Ende September zurück in seine Wahlheimat Austin in Texas (USA) geht.

Emil Agyekum phänomenal

"Ich wusste die ganze Zeit, da geht noch mehr, und nach Paris wollte ich auch unbedingt noch mal hier laufen“, erklärte Emil Agyekum (SCC Berlin) nach seinem Rennen über 400 Meter Hürden. Der 25-Jährige war der Konkurrenz weit enteilt und schnell wie nie im Ziel: In 48,21 Sekunden steigerte er seinen Hausrekord um 15 Hundertstel. „Hammer! Nächstes Jahr ist Tokio, die Staffel-WM in China. Es geht weiter. Aber jetzt brauche ich auf jeden Fall erstmal Urlaub, Mittwoch geht's direkt los."

Schnellster Athlet auf der Stadionrunde ohne Hürden war am Sonntag Jean Paul Bredau (SC Potsdam). Auf der Bahn und bei dem Meeting, bei dem er im Vorjahr in 44, 96 Sekunden erstmals unter 45 Sekunden geblieben war, rannte er dem Rest des Feldes auf der Zielgerade auf und davon. In 45,04 Sekunden zeigte er das drittbeste Rennen seiner Karriere.

Kurz zuvor hatte auf derselben Strecke seine Freundin Luna Bulmahn (VfL Wolfsburg) vorgelegt: Beim Sieg in 51,85 Sekunden fehlte ihr nur etwa eine Zehntel zu ihrer Saison-Bestleistung. Auf der Zielgeraden schob sich Lisanne de Witte (Niederlande; 52,21 sec) noch an Hürden-Spezialistin und Olympia-Staffel-Teilnehmerin Eileen Demes (TV 1881 Neu-Isenburg; 52,26 sec) vorbei.

Bestleistung für Marlene Meier

Mit vollem Fokus bis zum Schluss überzeugte über 100 Meter Hürden Marlene Meier. Die Leverkusenerin sprintete an der Stätte ihres deutschen Meistertitels von 2022 in neuer Bestzeit von 12,93 Sekunden ins Ziel. Beim Sieg von Yanique Thompson (Jamaika; 12,73 sec) war sie als Dritte drei Hundertstel schneller als je zuvor. „Ich habe schon die ganze letzte Woche gemerkt, dass ich super vorbereitet bin. Es haben auf einmal Sachen geklappt, die das ganze Jahr nicht geklappt haben und auch die Kraftwerte haben gestimmt“, erklärte sie.

Das Hürdenrennen der Männer dominierte Olympiasieger Grant Holloway (USA). In 13,14 Sekunden blieb er allerdings neun Hundertstel über seiner ISTAF-Siegerzeit von 2022. Ein starkes Rennen machte auf Platz sechs auch Manuel Mordi (Hamburger SV), der in 13,57 Sekunden bereits zum siebten Mal in diesem Jahr unter 13,60 Sekunden blieb.

Auch über 100 Meter flach ging der Sieg in die USA, und zwar an Courtney Lindsey, der in 9,99 Sekunde das erste Mal in seiner Karriere die 10-Sekunden-Schallmauer unterbot. Schnellster deutscher Sprinter: der Deutsche 200-Meter-Rekordhalter Joshua Hartmann (ASV Köln; 10,16 sec).

Julia Harting geht voller Dankbarkeit

Den Auftakt in das ISTAF hatten bereits am frühen Nachmittag die Diskuswerferinnen gemacht. Auf den Rängen hinter dem Ring hatten sich die Zuschauer für eine Athletin versammelt, der es dieses Mal nicht um den Sieg ging: Julia Harting (SC Neubrandenburg) verabschiedete sich vor den Augen von Freunden, Wegbegleitern und ihrer Familie – darunter auch Ehemann Robert und die fünfjährigen Zwillinge – vom Wettkampf-Sport. „Beste Athletin, beste Frau, beste Mama“ war auf deren Plakat zu lesen.

Die Vize-Europameisterin von 2016 zeigte dabei mit 58,69 Metern noch einmal eine ordentliche Weite, die Platz sieben bedeutete. „Der Sport ist die Liebe meines Lebens. Nicht nur wegen der Leistungen, sondern wegen der Menschen, die mir dort begegnet sind“, sagte sie anschließend am Stadion-Mikrofon und erklärte, dass sie auch in Zukunft dem Sport treu bleiben und ihm in anderer Rolle etwas zurückgegeben wolle.

An der Spitze sah es lange nach einem Sieg der Olympia-Vierten Marike Steinacker (TSV Bayer 04 Leverkusen; 63,24 m) aus. Doch in Runde sechs konnte die Deutsche Meisterin Kristin Pudenz (SC Potsdam) kontern. Ihre 64,14 Metern quittierte sie mit einem kleinen Freudenschrei: „In den letzten Wochen habe ich im Training gemerkt, dass da was geht. Aber es gab eine Stellenschraube, die ich nicht so richtig hinbekomme. Das war jetzt der Wurf, wo mal wieder alles halbwegs gepasst hat. Es ist schön, hier vor heimischer Kulisse gegen Saison-Ende noch mal so einen Wurf zu haben.“

Die kompletten Resultate finden Sie in unserer Ergebnisrubrik...

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