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Paris 2024 | Nafissatou Thiam bleibt die Siebenkampf-Königin, Carolin Schäfer verabschiedet sich

© Gladys Chai von der Laage
Gesucht: Die Königin von Paris! Am Donnerstag und Freitag geht es im Stade de France um die Krone der Siebenkampf-Olympiasiegerin von Paris 2024. In einem hochklassigen Feld mit der zweimaligen Olympiasiegerin und Weltmeisterin Nafissatou Thiam (Belgien), der Weltmeisterin von 2023 und 2019 Katarina Johnson-Thompson (Großbritannien) und Vize-Weltmeisterin Anna Hall (USA) ist der DLV mit Sophie Weißenberg und Carolin Schäfer stark vertreten. Hier lesen Sie, wie sich der Siebenkampf von Disziplin zu Disziplin entwickelt.
Silke Bernhart

Paris 2024  TV-Zeiten & Livestreams  Live-Ergebnisse

Tag 2


Weitsprung

Vorteil Thiam, Anna Hall fällt zurück

Der Start in den zweiten Tag des Siebenkampfs fiel am Freitag vielen Athletinnen schwer – die ganz großen Weiten wurden nicht gemessen, allein Martha Araujo (Kolumbien; 6,61 m) konnte eine Bestleistung verbuchen. Katarina Johnson-Thompson (5.030 pt), mit einer Bestleistung von 6,92 Metern ein Klasse für sich, stieg nach dem dritten Versuch und 6,40 Metern leicht frustriert aus der Grube, denn damit konnte sie sich vor dem Speerwurf nicht das erhoffte Polster auf Nafissatou Thiam (4.985 pt) herausarbeiten. Die Belgierin kam sogar einen Zentimeter weiter und damit auf eine für sie gute Weite, die ihr im Kampf um Gold Rückenwind verleihen dürfte.

Einen großen Dämpfer im Kampf um die Medaillen musste Anna Hall einstecken. Nachdem zuletzt die Form bei den US-Meisterschaften mit 6,19 Metern wieder nach oben gezeigt hatte, kam sie in Paris sechs Monate nach ihrer Knie-Operation nur bis auf 5,93 Meter (4.784 pt). Damit zogen sowohl Noor Vidts (Belgien; 6,40 m; 4.926 pt) als auch Annik Kälin (Schweiz; 6,59 m; 4.870 pt) und Sofie Dokter (Niederlande; 6,26 m; 4.823 pt) in der Zwischenwertung an ihr vorbei.

Die Sprungdisziplinen fallen Carolin Schäfer zum Ende ihrer Karriere zunehmend schwerer, das war zeigte sich am Freitag auch im Weitsprung. Mehr als zweimal 5,52 Meter konnten für sie nicht gemessen werden, das ist teuer in einer Disziplin, die bei weiten Sätzen sehr viele Punkte gibt. Nach dem starken 200-Meter-Auftritt des Vorabends musste die Frankfurterin sich zum Start in Tag zwei daher wieder auf Platz 17 einsortieren. Im Speerwurf und über 800 Meter dürfte es dann aber wieder weiter nach vorne gehen!
 


Speerwurf

Duell um Gold, Dreikampf um Bronze

Es ist alles bereitet für den großen Showdown über 800 Meter: 121 Punkte trennen Nafissatou Thiam (5.924 pt) und Katarina Johnson-Thompson (5.803 pt) vor der letzten Disziplin. Die Britin hatte in Gruppe A des Speerwurfs mit 45,49 Metern und einem Ergebnis nahe an ihrer Bestleistung vorgelegt, die Belgierin zog in Gruppe B mit Saison-Bestleistung von 54,04 Metern nach. Über 800 Meter wird „KJT“ nun ihr Heil in der Flucht suchen müssen, mit 2:05,63 Minuten hat sie die klar bessere Bestzeit. Thiam konnte sich zuletzt aber in Rom auf 2:11,79 Minuten steigern, dieser Abstand von sechs Sekunden würde der zweimaligen Olympiasiegerin für das dritte Olympia-Gold in Folge reichen – die Weltmeisterin von Budapest bräuchte etwa acht Sekunden Vorsprung für ihren ersten Olympiasieg.

Spannend wird es auch im Kampf um Bronze, denn für diese Medaille gibt es vor der letzten Disziplin noch drei Anwärterinnen: Annik Kälin (46,72 m; 5.694 pt), Noor Vidts (45,00 m; 5.689 pt) und nach Speerwurf-Bestleistung nach wie vor Anna Hall (45,99 m; 5.567 pt). Während die Top Zwei um ein Resultat in Richtung 6.800 Punkte laufen, steuern ihre Verfolgerinnen auf Ergebnisse jenseits von 6.600 Punkten zu. Die Schweizerin wird als schwächste Läuferin des Trios über sich hinauswachsen müssen, um ihren knappen Vorsprung zu behaupten, Noor Vidts kann unter 2:10 laufen, Anna Hall sogar deutlich unter 2:05 Minuten. Die Prognosen laufen auf Bronze für Noor Vidts hinaus, vor drei Jahren in Tokio war sie Olympia-Vierte geworden.

Carolin Schäfer geht auf Platz 17 der Gesamtwertung auf die letzten zwei Siebenkampf-Runden ihrer Karriere. Im Speerwurf konnte sie zwar einige Punkte gutmachen und war mit 46,45 Metern die achtbeste Athletin im Feld, im Klassement bleibt sie damit aber im hinteren Drittel. Noch hat die 32-Jährige in diesem Jahr kein 800-Meter-Rennen bestritten, um 20:25 Uhr heißt es jetzt noch einmal – und wie so oft zuvor – das Herz auf der Bahn zu lassen. Der Jubel der deutschen Fans wird ihr dabei sicher sein.
 


800 Meter


Nafissatou Thiam ist und bleibt die Königin

Katarina Johnson-Thompson nahm das Herz noch einmal in die Hand und gab über 800 Meter im Kampf um Olympia-Gold alles. Knapp hinter der überragenden Läuferin Anna Hall (2:04,39 min) rannte sie in 2:04,90 Minuten zu einer neuen Bestzeit und vollendete mit 6.844 Punkten den zweitbesten Siebenkampf ihrer Karriere. Um Nafissatou Thiam noch abzufangen, reichte es aber nicht: Die Belgierin lief in 2:10,62 Minuten ebenfalls Bestzeit und krönte sich in Paris zum dritten Mal in Folge zur Olympiasiegerin im Siebenkampf. Ihre Punktzahl: 6.880 – ihr bestes Ergebnis bei Olympischen Spielen, nur zweimal war sie in ihrer Karriere besser.

Den belgischen Doppelschlag machte auf Rang drei Noor Vidts perfekt. Die Zeiten über 800 Meter verdeutlichen, dass an der Spitze alle noch viel zu gewinnen und viel zu verlieren hatten, auch sie war in 2:06,38 Minuten schnell wie nie, ebenso wie im Übrigen alle Läuferinnen hinter Anna Hall bis einschließlich Platz sieben. Noor Vidts durfte nach zwei intensiven und hochklassigen Tagen über eine neue Bestleistung von 6.707 Punkten jubeln und über die Bronzemedaille. Auch ohne Medaille gab es dahinter Grund zur Freude für die Schweiz: Annik Kälin (6.639 pt) hielt mit neuem Landesrekord knapp Vize-Weltmeisterin Anna Hall (6.615 pt) in Schach.

Ein letztes 6.000-Punkte-Ergebnis, vielmehr aber noch das Ende einer langen und erfolgreichen Karriere konnte in Paris Carolin Schäfer feiern. Über 800 Meter rannte sie nach 2:16,78 Minuten über die Ziellinie, damit gab’s 6.084 Punkte und Platz 17. Auf der Ehrenrunde im Kreis der Siebenkampf-Familie werden ihr nicht nur die Tage von Paris durch den Kopf gegangen sein, sondern 16 Jahre Siebenkampf auf Weltklasse-Niveau – angefangen 2008 mit Gold bei der U18-WM. Ihre größten Erfolge: WM-Silber 2017 und EM-Bronze 2018. Ihre Bestleistung: 6.836 Punkte.

 

Tag 1


100 Meter Hürden

Verletzungsschock bei Sophie Weißenberg

DNS. Does not start. Diese drei Buchstaben fassten im zweiten von drei Rennen nüchtern das Drama zusammen, was sich kurz zuvor auf der lila Bahn des Stade de France für Sophie Weißenberg (TSV Bayer 04 Leverkusen) ereignet hatte. Die Siebte der letztjährigen WM von Budapest (Ungarn) verletzte sich bei einem Probestart, rannte in eine Hürde und ging darauf zu Boden. Während die Konkurrenz sich auf den Startschuss vorbereitete, musste die Leverkusenerin behandelt werden und konnte nicht mehr in den Startblock steigen – der Traum vom Olympia-Start war jäh ausgeträumt. Wenig später folgte die bittere Diagnose: Sophie Weißenberg hat sich die Achillessehne im linken Fuß gerissen.

Einen ordentlichen Start in den Tag erwischte angesichts dieser Tatsache die zweite DLV-Athletin im Feld Carolin Schäfer (Eintracht Frankfurt), die in Paris den letzten Siebenkampf ihrer Karriere bestreiten wird. Sie war im selben Lauf wie Sophie Weißenberg gesetzt und musste die Verletzung ihrer Teamkollegin mitverfolgen. Die erste der sieben letzten Disziplinen ihrer Karriere brachte sie nach 13,42 Sekunden als Zweite des Rennens ins Ziel, zur windunterstützten Saison-Bestzeit von Ratingen fehlten nur sieben Hundertstel.

Den stärksten Eindruck hinterließ die sprint- und sprungstarke Schweizerin Annik Kälin, die in 12,87 Sekunden allen auf und davon rannte. Sie bleib als einzige Athletin unter 13 Sekunden und war dabei fast vier Zehntel schneller als in ihrem besten Siebenkampf (6.151 pt). Die Favoritinnen um Olympiasiegerin Nafissatou Thiam (Belgien; 13,56 sec), Katarina Johnson-Thompson (Großbritannien; 13,40 sec) und Anna Hall (USA; 13,36 sec) blieben alle einige Zehntel über den Zeiten ihrer Siebenkampf-Bestleistungen, am zufriedensten dürften noch Thiam mit ihrer Zeit sein. Die Olympia-Zweite von 2021 Anouk Vetter (Niederlande) war in 13,49 Sekunden 15/100 schneller als im Mai bei ihrem Götzis-Sieg. Bemerkenswert: Adrianna Sulek-Schubert (Polen) holte sich nur sechs Monate nach der Geburt ihres Sohnes Leon in 13,32 Sekunden den Sieg im ersten Rennen.

 


Hochsprung

Duell der 1,90-Meter-Springerinnen

Mit Bestleistungen von 2,02 und 1,98 Metern sind Nafissatou Thiam (2.173 pt) und Katarina Johnson-Thompson (2.197 pt) die überragenden Hochspringerinnen im Siebenkampf und könnten auch bei den Spezialistinnen vorne mitmischen. Auch in Paris zeigten sie eine Probe ihres Könnens und überwanden vielumjubelt 1,92 Meter. Ein emotionaler Erfolg ist das vor allem für die Britin, die erstmals seit ihrem Achillessehnen-Riss 2019 wieder die 1,90-Meter-Marke überbieten konnte. Drittbeste Hochspringerin: die Vize-Weltmeisterin von 2023 Anna Hall (2.164 pt) mit 1,89 Metern. Damit haben sich die Favoritinnen nach zwei Disziplinen bereits in den Top Drei des Feldes einsortiert.  

Dass sie sich ihrer Sache nicht allzu sicher sein dürfen, zeigt ein Blick auf die Verfolgerinnen: Die zweimalige Hallen-Weltmeisterin Noor Vidts (Belgien; 2.125 pt), Sofie Dokter (Niederlande; 2.094 pt), Taliya Brooks (USA; 2.065 pt) und Annik Kälin (Schweiz; 2.047 pt) haben in den ersten zwei Disziplinen jeweils mehr Punkte gesammelt als in ihren besten Siebenkämpfen und lauern auf ihre Chance. Anouk Vetter (Niederlande) dagegen ließ mit 1,74 Metern einige Zähler liegen.

Carolin Schäfer konnte im Hochsprung zuletzt nicht mehr an ihre besten Leistungen der Karriere anknüpfen, dieses Bild zeichnete sich dann auch in Paris: Mit 1,71 Metern blieb sie in etwa im Bereich ihrer Saison-Bestleistung (1,72 m), höher ging es nicht hinaus, damit zählte sie zu den schwächsten Hochspringerinnen im Feld. Noch mehr Punkte büßte Europameisterin Auriana Lazraq-Khlass (Frankreich) ein, für die schon nach 1,68 Metern Endstation war. In Rom war sie noch über 1,77 Meter gesprungen. US-Meisterin Chari Hawkins traf es ganz bitter: Sie blieb bei ihrer Einstiegshöhe von 1,71 Metern ohne gültigen Versuch.
 


Kugelstoßen

Carolin Schäfer solide, Spitze auf überragendem Niveau

Aufatmen für Carolin Schäfer nach einer ihrer Wackeldisziplinen – hatte sie doch den Ring bei der EM in Rom (Italien) noch ohne gültigen Versuch verlassen. In Paris hatte sie schon nach dem ersten Versuch mit 13,80 Metern eine ordentliche Weite, in Runde drei ging's noch hinaus bis auf 14,02 Meter, es war die neuntbeste Weite der Konkurrenz. In Ratingen hat sie in dieser Saison schon 14,40 Meter gestoßen, einen großen Punktunterschied macht das im Siebenkampf allerdings nicht. Mit 2.724 Punkten liegt die Frankfurterin nach drei Disziplinen auf Platz 16.

Im Kampf um Gold spitzt sich spätestens jetzt das Duell zwischen Nafiassatou Thiam (3.070 pt) und Katarina Johnson-Thompson (3.020 pt) weiter zu – auch wenn in den Ergebnislisten des Kugelstoßens mehr als ein Meter zwischen den beiden liegt. Doch für die Britin markierten ihre 14,44 Meter eine neue Bestleistung, fast 60 Zentimeter über dem Resultat ihres WM-Golds von Doha (Katar; 6.981 pt), die wiederum die Belgierin herausforderten: Thiam ließ wenig später ihre Kugel bis auf 15,54 Meter fliegen, Einstellung ihres Hausrekords und einen ganzen Meter weiter als bei ihrem 7.000-Punkte-Siebenkampf 2017 in Götzis (Österreich).

Beide sind damit weiter auf einem extrem hohen Niveau in Richtung 6.900 Punkte und mehr unterwegs. Und auch Anna Hall (14,11 m; 2.965 pt), die nach ihrer Knie-Operation im Januar zuletzt noch nicht wieder ganz an die Leistungen des Vorjahres anknüpfen konnte, scheint pünktlich zum Saison-Höhepunkt wieder in Topform zu sein. Ebenso wie die ersten Verfolgerinnen der Top Drei Noor Vidts (14,57 m; 2.957 pt), Sofie Dokter (13,97 m; 2.886 pt) und Annik Kälin (14,02 m; 2.842 pt). Bisher hat sich noch keine der Medaillenkandidatinnen einen Patzer erlaubt, im Gegenteil.
 


200 Meter

Starker Abschluss von Carolin Schäfer, Johnson-Thompson in Front

Im letzten 200-Meter-Lauf ihrer Siebenkampf-Karriere konnte Carolin Schäfer noch einmal zeigen, dass sie zu den schnellsten Siebenkämpferinnen der Welt zählt: In 23,85 Sekunden blieb sie fast drei Zehntel unter ihrer bisherigen Saison-Bestleistung und erzielte damit am Donnerstagabend die viertbeste Zeit aller Athletinnen. Eine Tatsache, die ihr auch in der Gesamtwertung einen großen Schritt nach vorne bescherte: Mit 3.719 Punkten übernachtet die Vize-Weltmeisterin von 2017 und WM-Dritte von 2018 auf Platz elf des Klassements.

Die Spitze hat erwartungsgemäß die beste Sprinterin Katarina Johnson-Thompson (4.055 pt) erobert. In 23,44 Sekunden war sie deutlich schneller als Nafissatou Thiam (24,46 sec; 4.007 pt). Dennoch zeigt ein Blick auf ihre bisher besten Siebenkämpfe und den Saisonverlauf: Für die Britin war die Zeit 24/100 über Saison-Bestzeit weniger zufriedenstellend als für die Belgierin, die ihre Zeit der EM in Rom um vier Zehntel toppen konnte. In einem Kampf der Gegensätze bleibt es so weiter hochspannend und hochklassig. Am Freitag ist die Britin im Weitsprung, aber besonders über 800 Meter stärker einzuschätzen, Nafissatou Thiam ist die deutlich bessere Speerwerferin.

Bei Anna Hall (3.956 pt) machte sich besonders in der vierten Disziplin der Rückstand nach der Knie-Operation bemerkbar. In Budapest noch deutlich unter 23 Sekunden gesprintet, wurden für sie dieses Mal 23,89 Sekunden gestoppt. So konnte sich Noor Vidts (23,86 sec; 3.951 pt) sogar ein wenig herankämpfen. Für eine Medaille muss sich die US-Amerikanerin am Freitag unter anderem auf ihre Stärke über 800 Meter verlassen, wo sie mit einer Bestzeit knapp unter 2:03 Minuten zu den Ausnahme-Könnerinnen im Siebenkampf zählt. Im Weitsprung dürfte sich aber zunächst 6,80-Meter-Springerin Annik Kälin (23,88 sec; 3.844 pt) weiter nach vorne arbeiten, sie übernachtet hinter Sofie Dokter (23,73 sec; 3.893 pt) auf Platz sechs.
 

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