Niklas Kaul (USC Mainz) hat den Zehnkampf vor 6.800 Zuschauern beim Stadtwerke Ratingen Mehrkampf-Meeting am Wochenende souverän für sich entschieden. Im Interview spricht der Europameister über den nicht einfachen Weg zu 8.484 Punkten, seine Ziele bei der WM und den neuen deutschen Rekord von Leo Neugebauer.
Niklas Kaul, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem ersten Sieg beim Stadtwerke Ratingen Mehrkampf-Meeting mit 8.484 Punkten.
Niklas Kaul:
Vielen Dank.
Nun steht gerade die elfte Doppel-Disziplin an: Autogramme schreiben und Selfies machen. Haben Sie nach zwei anstrengenden Zehnkampf-Tagen noch Kraft dafür?
Niklas Kaul:
Natürlich, das mache ich gern. Schließlich wurden wir über zwei Tage hier super angefeuert und unterstützt.
Wie haben Sie den Zehnkampf in Ratingen und Ihren Premieren-Sieg erlebt?
Niklas Kaul:
Es war tatsächlich das erste Mal, dass es in Ratingen gut zusammengepasst hat. Die zweimal zuvor lief es ja gar nicht.
Dabei war der Einstand mit 11,50 Sekunden über 100 Meter am Samstag eher durchwachsen …
Niklas Kaul:
… genau. Aber danach lief es deutlich besser, bis es am Ende beim Speerwerfen wieder etwas ins Negative gekippt ist. Das Ergebnis mit zwölf Meter unter Bestleistung ärgert mich wahnsinnig, genauso wie die 100-Meter-Zeit. Da habe ich 200 Punkte verloren. Wenn das nicht passiert, sprechen wir jetzt von anderen Punktzahlen. Am Ende ist die Olympianorm abgehakt und ich habe den mit etwa 150 Punkten Abstand besten Zehnkampf vor dem Saisonhöhepunkt geschafft. Insgesamt ein guter Saisoneinstand mit Luft nach oben.
Haben Sie nach den 100 Metern damit geliebäugelt, noch fast 8.500 Zähler zu erreichen?
Niklas Kaul:
Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob jemand schon einmal über 100 Meter langsamer war und dann doch noch diese Punktzahl erreicht hat (lacht). Spaß beiseite, das Rennen war echt schlecht. Auch wenn wir ordentlich Gegenwind hatten, darf das keine Ausrede sein. Da war sehr viel technisches Unvermögen dabei. Daran werden wir bis zur WM in Budapest viel arbeiten müssen.
Die missglückten Disziplinen haben wir abgehakt. Mit welchen Disziplinen sind Sie denn rückblickend richtig zufrieden?
Niklas Kaul:
Ganz klar mit dem Weitsprung. Denn die Versuche haben sich wirklich nicht gut angefühlt. Dafür war ich ganz dicht dran an der Bestleistung. Auch das Ergebnis im Diskuswurf mit mehr als 48 Metern war gut. Zumal der erste Versuch komplett verunglückt war. Da habe ich einfach zu viel gewollt, das ist beim Diskuswurf nie eine gute Idee. Danach habe ich mich gut herausgearbeitet. Darum bin ich mit diesen beiden Disziplinen am meisten zufrieden, obwohl auch da noch Luft nach oben ist.
Bei den finalen 1.500 Metern sind Sie lange Zeit im Feld mitgelaufen. Welche Taktik hatten Sie für das Rennen, bei dem es ja um die Olympianorm ging, und wann haben Sie im Rennen entschieden, offensiv nach vorn zu gehen?
Niklas Kaul:
Ich habe mich vor dem Lauf nicht gut gefühlt und hatte bei 600 Metern die Befürchtung, dass ich das Tempo von Tim Nowak nicht mehr mitgehen könnte. Doch dann konnte ich meinen Schritt ziehen und es lief besser. Da habe ich nach zwei Runden entschieden, bei 900 Metern zu beschleunigen. Ich war mir sicher, die letzten 500 oder 600 Meter gut ins Ziel zu bringen. Als ich dann vorn war, habe ich entschieden, die Olympianorm anzugreifen. Das hat dann ja zum Glück auch geklappt.
Vor den Olympischen Spielen 2024 in Paris steht aber erst einmal die WM im August an. Wie sieht Ihr Fahrplan nach Budapest aus?
Niklas Kaul:
In den nächsten Tagen werden die Beine hochgelegt. Klar werde ich mich ein wenig bewegen, aber kein spezifisches Training absolvieren. Danach geht’s zurück ins Training. In Ratingen und bei den Test-Wettkämpfen zuvor haben wir viele Erkenntnisse gesammelt. Die werden wir ins Training einfließen lassen und dann gut vorbereitet in Budapest starten, sodass eine Bestleistung möglich ist.
Training ist das eine, Wettkämpfe in der Vorbereitung das andere. Haben Sie noch Test-Wettkämpfe vor der WM geplant?
Niklas Kaul:
Auf jeden Fall. Zum Beispiel in drei Wochen die Deutschen Meisterschaften in Kassel. In ein, zwei Wochen sehen wir ja, wie das Training wieder angelaufen ist.
Sie haben Ihre Bestleistung von 8.691 Punkten gerade angesprochen. Leo Neugebauer hat vor knapp zwei Wochen ebenfalls eine Bestleistung aufgestellt. Seine 8.836 Punkte sind gleichbedeutend mit einem neuen deutschen Rekord. Denn damit hat er die Uralt-Bestmarke von Jürgen Hingsen, der in Ratingen Ihren Sieg verfolgt hat, um vier Punkte verbessert. Wie haben Sie den deutschen Rekord erlebt?
Niklas Kaul:
Durch die Zeitverschiebung im Schlaf (lacht). Aber natürlich hat mich die Leistung überrascht. Es ist selten, dass man zehn Disziplinen an zwei Tagen so zusammenbekommt wie Leo in Austin. Ich freue mich riesig für ihn, Leo ist ein super Typ. Ich finde es toll, mit ihm nach Budapest zu fahren und einen tollen Wettkampf zu absolvieren.