Leo Neugebauer ist in der Nacht zu Freitag eine Sensation gelungen: Der Zehnkämpfer brach bei den NCAA Championships in Texas den deutschen Zehnkampf-Rekord von Jürgen Hingsen.
Ein Zehnkampf wie aus einem Guss. Eine Leistungsexplosion um mehr als 350 Punkte. Und am Ende stand in den Ergebnislisten eine Punktzahl, die noch kein deutscher Zehnkämpfer erzielt hat. In der Nacht zu Freitag hat Leo Neugebauer für einen Paukenschlag gesorgt: Der WM-Zehnte von der LG Leinfelden-Echterdingen strich bei den US-Collegemeisterschaften in Austin, Texas (USA) 8.836 Zähler ein.
Damit löste er den einstigen WM- und Olympia-Medaillengewinner Jürgen Hingsen als Rekordinhaber ab, der vor auf den Tag genau 39 Jahren in Mannheim 8.798 Punkte erzielt hatte, was nach der heute gültigen Wertungstabelle 8.832 Zählern entspricht. Die beste Punktzahl eines Deutschen seit Einführung der aktuell gültigen Tabelle im Jahr 1985 geht ebenfalls auf das Konto von Hingsen – mit 8.730 Punkten, die ihm 1986 im Stuttgarter Neckarstadion EM-Silber einbrachten. Weltweit sind nach der neuen Tabelle nur sieben Athleten bessere Punktzahlen gelungen als nun Leo Neugebauer.
Der Student der University of Texas erwischte mit fünf Einzelbestleistungen einen nahezu perfekten Zehnkampf. Über 100 Meter schraubte er in 10,61 Sekunden seine Bestmarke (10,75 sec) um mehr als eine Zehntelsekunde nach unten, flog im Weitsprung mit etwas zu starkem Rückenwind auf 7,68 Meter und wuchtete anschließend die Kugel auf 16,27 Meter. Nach 2,04 Metern im Hochsprung pulverisierte er mit 47,08 Sekunden seinen 400-Meter-Hausrekord. Zuvor war er nie schneller gerannt als 48,21 Sekunden.
Um mehr als 350 Punkte verbessert
Am zweiten Tag machte der Allrounder, der in zehn Tagen seinen 23. Geburtstag feiert, dort weiter, wo er zuvor aufgehört hatte. Mit windunterstützten 14,10 Sekunden über 110 Meter Hürden. Der Diskuswurf musste anschließend wegen Regens nach hinten verschoben werden. Doch davon ließ sich Leo Neugebauer nicht beirren und feuerte seine Scheibe auf 55,06 Meter. Anschließend schwang er sich im Stabhochsprung über 5,21 Meter.
Im Speerwurf glückte ihm mit 57,45 Metern eine Steigerung um mehr als vier Meter. Nach 4:48,00 Minuten über 1.500 Meter stand schließlich fest: Der 22-Jährige hatte soeben an seiner Trainingsstätte nicht nur den US-College-Rekord, sondern auch den deutschen Rekord* geknackt.
Seine Bestleistung stand zuvor bei 8.478 Punkten, aufgestellt im März ebenfalls in Austin. Die WM-Norm für Budapest (Ungarn; 19. bis 27. August) sowie Olympia-Norm für Paris (Frankreich) 2024 hatte er damit bereits erbracht. Erst im Vorjahr hatte Leo Neugebauer erstmals die 8.000-Punkte-Marke überboten und sich dann mit einer Steigerung auf 8.362 Zähler sowie Platz zehn bei der WM in Eugene (USA; 8.182 pt) erstmals im Aktivenbereich ins Blickfeld geschoben.
Christopher Hallmann: "Besondere Leistung"
„Ich freue mich sehr, sehr für Leo, dass ihm solch ein sensationeller Wettkampf gelungen ist“, sagte Zehnkampf-Bundestrainer Christopher Hallmann. „Das ist eine besondere Leistung, für die viele kleine Faktoren zusammenkommen müssen: Umfeld, Wettkampf, Konkurrenz. Da muss sehr viel zusammengepasst haben.“
„Das ist so verrückt! Ich weiß nicht mal, was ich denken soll“, waren die ersten Worte, die der neue Deutsche Rekordler kurz nach dem Wettkampf auf Instagram fand. „Ich werde ein paar Tage brauchen, um mir bewusst zu werden, was ich heute erreicht habe“, sagte er anschließend im Video-Interview.
"Emotionalster Moment meines Lebens"
„Der Stabhochsprung war der emotionalste Moment meines Lebens. Ich weine nie, aber da habe ich die eine oder andere Träne vergossen. Ich wusste, wenn ich diese Höhe überquere, gewinne ich.“ Für den 22-Jährigen greifen derzeit alle Rädchen optimal ineinander. Sein Umfeld stimmt, auch der Kontakt zum Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) ist gut, wie er Anfang des Jahres bei sport1 betont hatte: „Sie kümmern sich gut um mich. Ich habe eine gute Verbindung zum DLV.“
Zweiter wurde, ebenfalls mit einer Weltklasse-Punktzahl von 8.630 Punkten der US-Amerikaner Kyle Garland. Mit 7.991 Zählern verfehlte Till Steinforth (SV Halle) als Vierter knapp das Podest. Leo Neugebauer führt nun auch die Weltjahresbestenliste vor Götzis-Sieger Pierce LePage (Kanada; 8.700 pt) an.
*Vorbehaltlich Ratifizierung
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