Es war ein intensives Jahr für die Leichtathletik. Weltmeisterschaften in den USA. Europameisterschaften im eigenen Land. Und auch der Nachwuchs war international gefordert. Was bleibt in Erinnerung? Wir werfen einen Blick zurück auf dieses besondere Jahr 2022. Heute: der Siebenkampf.
Das ist 2022 passiert
Nach einer nahezu beschwerdefrei verlaufenen Vorbereitung startete Sophie Weißenberg (TSV Bayer 04 Leverkusen) äußerst optimistisch in die Saison: Die U23-EM-Zweite von 2019 fühlte sich nach zwei schwierigen Jahren in der Form ihres Lebens. Mit 6.273 Punkten zum Saisonauftakt in Ratingen schien sich diese Einschätzung bereits Anfang Mai zu bestätigen – die 25-Jährige verfehlte ihren Punkte-Rekord lediglich um zwanzig Zähler. Einige Wochen später in Götzis lag sie lange ebenfalls auf Bestleistungskurs, bevor ihr auf den abschließenden 800 Metern die Puste ausging und 6.161 Punkte ins Protokoll eingingen.
Im Sommer folgten für die Leverkusenerin bei der WM und EM die ersten internationalen Auftritte im Erwachsenenbereich – leider beide mit unglücklichem Ausgang. In Eugene (USA) unterliefen ihr nach einem durchwachsenen ersten Tag mit Hürden-Bestzeit als Highlight drei ungültige Versuche im Weitsprung. Mit der Heim-EM vor Augen beendete sie den WM-Siebenkampf vorzeitig. Ein Entschluss, der sich zunächst auszuzahlen schien, denn in München rangierte Weißenberg nach der sechsten Disziplin auf einem guten fünften Platz. Doch vor den 800 Metern nahm sie das medizinische Team aufgrund von Erkältungssymptomen aus dem Wettkampf. Am Tag darauf fiel ein Corona-Test positiv aus.
So war es einmal mehr Carolin Schäfer (Eintracht Frankfurt), die in München die deutsche Fahne hochhielt und bei ihrer zweiten Heim-EM mit 6.223 Punkten Rang sechs belegte. Eine Platzierung, mit der die EM-Dritte von Berlin nach einem nicht einfachen Jahr glücklich sein konnte. Vor allem in den Sprungdisziplinen musste sie wegen Achillessehnenproblemen Federn lassen, auf den 100 Metern Hürden und mit 50 Metern im Speerwurf konnte sie bei ihrer vierten EM hingegen überzeugen. Für die Weltmeisterschaften wäre die Frankfurterin ebenfalls qualifiziert gewesen, entschied sich aber zu einem Startverzicht, um sich ganz auf die Heim-EM konzentrieren zu können.
Deutsche Jahresbeste ist wiederum eine dritte Athletin: Vanessa Grimm (Königsteiner LV). Die Olympia-Teilnehmerin stellte im Mai in Götzis (Österreich) mit 6.323 Punkten eine neue Gesamt-Bestmarke auf – nur wenige Wochen nachdem sie wegen einer Corona-Infektion auf ihren Start in Ratingen hatte verzichten müssen. Auch die Hessin erfüllte damit die EM-Norm und brachte sich in eine gute Weltranglisten-Position für ihr mögliches WM-Debüt. Dann jedoch beraubte sie ein Kreuzbandteilriss ihrer Träume und zwang sie zum Saison-Abbruch. Die 25-Jährige ist mittlerweile wieder im Training und kann gestärkt das kommende Jahr ins Visier nehmen.
Während bei den Aktiven in diesem Sommer keine Leistungsträgerin ihr Potenzial ausschöpfen konnte, bereitete der Nachwuchs umso mehr Freude. So stark waren die U20-Asse, dass die U20-EM-Dritte des Vorjahres Marie Dehning (TSV Bayer 04 Leverkusen) trotz Rang vier der Welt im Nachwuchsbereich (5.870 Pkt) das Ticket zur U20-WM in Cali (Kolumbien) verpasste.
Gleich drei Athletinnen boten sich als „Talent des Jahres“ an: Sandrina Sprengel (LG Steinlach-Zollern), mit 6.015 Punkten viertbeste deutsche Siebenkämpferin des Jahres und U20-WM-Dritte in Kolumbien. Sie hat gar noch ein Jahr in der U20 vor sich. Oder Serina Riedel (TSV Zeulenroda), die bei den Welt-Titelkämpfen der U20 mit Silber noch einen Platz besser war. Oder aber die Gladbeckerin Pia Meßing, die bei den U18-Europameisterschaften in Jerusalem (Israel) über Bronze jubelte und bei der Mehrkampf-DM in Halle/Saale beinahe Serina Riedel die deutsche U18-Bestleistung entrissen hätte. Lediglich acht Zähler fehlten zu den 5.818 Punkten, die Riedel 2020 erzielt hatte.
Die vierte internationale Medaille ging mit Bronze beim European Youth Olympic Festival (EYOF) in Banská Bystrica (Slowakei) an Maresa Hense (LG Sempt). Auf Platz fünf überzeugte bei der U18-EM die damals erst 15-jährige Anna Hinkelmann (SV Halle).
Internationale Erfolge
Medaille | Finalplatzierung | |
---|---|---|
Hallen-WM | – | – |
WM | – | – |
EM | – | 6. Platz: Carolin Schäfer |
U20-WM | Silber: Serina Riedel, Bronze: Sandrina Sprengel | – |
U18-EM | Bronze: Pia Meßing | 5. Platz: Anna Hinkelmann |
EYOF | Bronze: Maresa Hense | – |
Unser "Ass des Jahres"
Vanessa Grimm (Königsteiner LV)
Deutsche Jahresbeste
Platz drei beim Mehrkampf-Meeting in Götzis
Unser "Talent des Jahres"
Sandrina Sprengel (LG Steinlach-Zollern)
6.000 Punkte im ersten U20-Jahr
Vierte der deutschen Jahresbestenliste der Aktiven
U20-WM-Dritte
Die deutschen Top Ten 2022
Siebenkampf
Punkte | Name | Jahrgang | Verein |
---|---|---|---|
6.323 | Vanessa Grimm | 1997 | Königsteiner LV |
6.273 | Sophie Weißenberg | 1997 | TSV Bayer 04 Leverkusen |
6.223 | Carolin Schäfer | 1991 | Eintracht Frankfurt |
6.015 | Sandrina Sprengel | 2004 | LG Steinlach-Zollern |
5.936 | Anna-Lena Obermaier | 1996 | LG Telis Finanz Regensburg |
5.894 | Serina Riedel | 2003 | TSV Zeulenroda |
5.870 | Marie Dehning | 2003 | TSV Bayer 04 Leverkusen |
5.836 | Nicola Ader | 1998 | TG Rimbach |
5.825 | Janina Lange | 1997 | SC Poppenbüttel |
5.795 | Mareike Rösing | 1999 | USC Mainz |
Statistik: Das sagen die Zahlen
Das deutsche Top-Niveau: Siebenkampf
Jahr | Athletinnen > 6.200 * | Schnitt Top 3 | Schnitt Top 5 | Schnitt Top 10 |
---|---|---|---|---|
2005 | 1 | 6.205 | 6.181 | 6.026 |
2006 | 4 | 6.389 | 6.301 | 6.080 |
2007 | 2 | 6.333 | 6.254 | 6.045 |
2008 | 4 | 6.427 | 6.328 | 6.039 |
2009 | 3 | 6.389 | 6.241 | 5.986 |
2010 | 2 | 6.412 | 6.203 | 5.969 |
2011 | 2 | 6.409 | 6.272 | 6.106 |
2012 | 4 | 6.446 | 6.340 | 6.118 |
2013 | 2 | 6.359 | 6.182 | 5.839 |
2014 | 3 | 6.378 | 6.255 | 6.037 |
2015 | 3 | 6.437 | 6.296 | 6.070 |
2016 | 3 | 6.422 | 6.275 | 5.988 |
2017 | 2 | 6.507 | 6.319 | 6.003 |
2018 | 1 | 6.312 | 6.243 | 5.991 |
2019 | 2 | 6.298 | 6.210 | 5.966 |
2020 | 1 | 6.159 | 6.036 | 5.834 |
2021 | 3 | 6.318 | 6.223 | 6.018 |
2022 | 3 | 6.273 | 6.154 | 5.999 |
Entwicklung der internationalen Jahresbestleistungen
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
---|---|---|---|---|---|
2005 | 6.221 (S. Kesselschläger) | 6.889 (Barber/FRA) | 668 | 6.889 (Barber/FRA) | 668 |
2006 | 6.420 (L. Schwarzkopf) | 6.740 (Klüft/SWE) | 320 | 6.740 (Klüft/SWE) | 320 |
2007 | 6.439 (L. Schwarzkopf) | 7.032 (Klüft/SWE) | 593 | 7.032 (Klüft/SWE) | 593 |
2008 | 6.536 (L. Schwarzkopf) | 6.733 (Dobrynska/UKR) | 197 | 6.733 (Dobrynska/UKR) | 197 |
2009 | 6.493 (J. Oeser) | 6.731 (Ennis/GBR) | 238 | 6.731 (Ennis/GBR) | 238 |
2010 | 6.683 (J. Oeser) | 6.823 (Ennis/GBR) | 140 | 6.823 (Ennis/GBR) | 140 |
2011 | 6.663 (J. Oeser) | 6.880 (Chernova/RUS) | 217 | 6.880 (Chernova/RUS) | 217 |
2012 | 6.649 (L. Schwarzkopf) | 6.955 (Ennis/GBR) | 306 | 6.955 (Ennis/GBR) | 306 |
2013 | 6.462 (C. Rath) | 6.623 (Chernova/RUS) | 161 | 6.623 (Chernova/RUS) | 161 |
2014 | 6.426 (L. Schwarzkopf) | 6.682 (Johnson-Thompson/GBR) | 256 | 6.682 (Johnson-Thompson/GBR) | 256 |
2015 | 6.547 (C. Schäfer) | 6.669 (Ennis-Hill/GBR) | 122 | 6.808 (Theisen-Eaton/CAN) | 261 |
2016 | 6.557 (C. Schäfer) | 6.810 (Thiam/BEL) | 253 | 6.810 (Thiam/BEL) | 253 |
2017 | 6.836 (C. Schäfer) | 7.013 (Thiam/BEL) | 177 | 7.013 (Thiam/BEL) | 177 |
2018 | 6.602 (C. Schäfer) | 6.816 (Thiam/BEL) | 214 | 6.816 (Thiam/BEL) | 214 |
2019 | 6.426 (C. Schäfer) | 6.981 (Johnson-Thompson/GBR) | 555 | 6.981 (Johnson-Thompson/GBR) | 555 |
2020 | 6.319 (C.Schäfer) | 6.419 (Dadic/AUT) | 100 | 6.419 (Dadic/AUT) | 100 |
2021 | 6.419 (C. Schäfer) | 6.791 (Thiam/BEL) | 372 | 6.791 (Thiam/BEL) | 372 |
2022 | 6.323 (V. Grimm) | 6.947 (Thiam/BEL) | 624 | 6.947 (Thiam/BEL) | 624 |
Das fällt auf:
- Wachablösung an der Spitze: Zum ersten Mal seit 2014 heißt die deutsche Jahresbeste nicht Carolin Schäfer. Vanessa Grimm hat beim Siebenkampf in Götzis die nationale Poleposition übernommen.
- Dieselben drei Siebenkämpferinnen, die 2021 die deutsche Top Drei bildeten, führen auch ein Jahr später die Rangliste an. Grimm liegt mit 6.323 Zählern vorne, es folgen mit jeweils 50 Punkten Abstand Weißenberg und Schäfer.
- Die deutsche Jahresbestleistung war seit Beginn unserer Aufzeichnungen nur 2005 und im Corona-geprägten Jahr 2020 niedriger. Allerdings blieb 2022 keine deutsche Top-Athletin von Verletzungen verschont.
- Drei der sieben besten deutschen Allrounderinnen gehörten 2022 noch der U20 an. Sie belegen hinter U20-Weltmeisterin Saga Vanninen aus Finnland die Plätze zwei, drei und vier in der Weltjahresbestenliste ihrer Altersklasse.
- Die EM-Teilnehmerinnen von 2018, Mareike Arndt (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Louisa Grauvogel (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen), gaben in diesem Jahr ihr Karriereende bekannt.
- Den deutschen Meistertitel im Erwachsenenbereich holte sich in Bernhausen Mareike Rösing (USC Mainz). Ihre persönliche Bestleistung verfehlte sie um 15, die Saisonbestmarke vom Thorpe Cup in Dallas (USA) um einen einzigen Punkt. Die Mainzerin hat sich somit auf einem stabilen Niveau eingependelt und hofft im kommenden Jahr auf den Ausreißer nach oben, der sie in die 6.000-Punkte-Region bringen könnte.
- Ganz knapp das Nachsehen im Kampf um DM-Gold hatte Anna-Lena Obermaier. Die Regensburgerin hatte beim Thorpe Cup mit 5.936 Punkten einen großen Schritt nach vorne gemacht – bei 5.715 Zählern stand vor dieser Saison ihr Rekord.
- Apropos Thorpe Cup: Beim Länderkampf gegen die USA fuhren die deutschen Siebenkämpferinnen und Zehnkämpfer in diesem Sommer einen historischen Doppelsieg ein. Die deutschen Frauen holten dabei am zweiten Tag einen Rückstand von fast 500 Punkten noch auf.
- Nafissatou Thiam ist die einzige weibliche Athletin aller Disziplinen, die sowohl bei der WM als auch bei der EM Gold abräumen konnte. In Eugene standen die Europameisterin von 2016 Anouk Vetter (Niederlande) und die US-Amerikanerin Anna Hall mit der Belgierin auf dem Podium, in München Adrianna Sulek aus Polen und Annik Kälin aus der Schweiz.
- Mit 6.947 Zählern gelang Thiam in diesem Jahr das zweitbeste Resultat ihrer Karriere. Dementsprechend beträgt auch ihr Vorsprung auf die deutsche Spitze beträchtliche 624 Punkte, nur einmal war der Abstand zwischen der nationalen und der globalen Bestmarke seit 2005 größer. Die drittbeste Siebenkämpferin der Geschichte ist nun wie bereits zwischen 2018 und 2019 gleichzeitig Weltmeisterin, Europameisterin und Olympiasiegerin.
leichtathletik.TV-Clips:
Die Disziplin-Analysen im Überblick:
Sprint Frauen
Sprint Männer
Langsprint Frauen
Langsprint Männer
Hürdensprint Frauen
Hürdensprint Männer
Langhürden Frauen
Langhürden Männer
Mittelstrecke Frauen
Mittelstrecke Männer
Langstrecke Frauen
Langstrecke Männer
Hindernis Frauen
Hindernis Männer
Gehen Frauen
Gehen Männer
Hochsprung Frauen
Hochsprung Männer
Stabhochsprung Frauen
Stabhochsprung Männer
Weitsprung Frauen
Weitsprung Männer
Dreisprung Frauen
Dreisprung Männer
Kugelstoßen Frauen
Kugelstoßen Männer
Diskuswurf Frauen
Diskuswurf Männer
Hammerwurf Frauen
Hammerwurf Männer
Speerwurf Frauen
Speerwurf Männer
* als Referenzwert dient die WM-Norm des Jahres 2017