Es war ein intensives Jahr für die Leichtathletik. Weltmeisterschaften in den USA. Europameisterschaften im eigenen Land. Und auch der Nachwuchs war international gefordert. Was bleibt in Erinnerung? Wir werfen einen Blick zurück auf dieses besondere Jahr 2022. Heute: Hindernislauf der Frauen.
Das ist 2022 passiert
Es war ein Jahr, das so wohl niemand hätte vorhersagen können. Ein Jahr, in dem Gesa Krause auf die eindeutigen Signale ihres Körpes hörte und sich eine Pause verordnete. Ein Jahr, in dem Lea Meyer viele Tränen vergoss – zum einen aus Trauer über den Tod ihres Trainers, zum anderen über den bislang größten Erfolg ihrer Karriere. Aber der Reihe nach...
Spät wie selten stieg Gesa Krause (Silvesterlauf Trier) in die Saison ein. Der Weg dahin war geprägt von Achillessehnenbeschwerden und Infekten. Entsprechend gedämpft waren die Erwartungen, mit denen die Europameisterin bei der WM in Eugene antrat. Den Vorlauf ihrer insgesamt sechsten WM meisterte sie gewohnt gekonnt, doch im Finale zeigte ihr Körper, dass er den Belastungen von zwei eng hintereinander folgenden harten Rennen noch nicht standhalten konnte. Entkräftet und enttäuscht kam die Erfolgsläuferin auf Platz 15 (9:52,66 min) ins Ziel. "Bei jedem anderem Rennen wäre ich ausgestiegen", sagte sie. "Doch das hier war eine WM. Da gibt man nicht auf." Auch in der vermeintlichen Niederlage – Gesa Krause blieb Vorbild. Ihren Start bei der Heim-EM wenige Wochen später musste sie krankheitsbedingt absagen, um ihrem Körper auch Zeit zu geben, zu regenerieren. Ein Stück Menschlichkeit, das eben auch Teil des Hochleistungssport sein darf.
Auch für Lea Meyer (ASV Köln) begann das Jahr mit jeder Menge Tränen. Anfang 2022 starb ihr Trainer Henning von Papen. Der Mensch, der sie erst wieder für den Leistungssport begeistern konnte und nicht nur deshalb entscheidend Anteil an all dem hatte, was noch folgen sollte. Eine schwere Zeit, doch Lea Meyer ist sich sicher: "Henning hätte gewollt, dass wir weitermachen." Und so machte sie weiter. Im Sommer lief sie in Berlin zu ihrem ersten deutschen Meistertitel – und stürzte dann bei ihrer ersten WM im Vorlauf in den Wassergraben. Das Bild der kopfüber ins Wasser fallenden Lea Meyer, es wurde zum Sinnbild des Abschneidens der deutschen Mannschaft insgesamt bei dieser WM. "Weil mir nichts Schlimmes passiert ist, kann ich da inzwischen drüber lachen."
Bei der Heim-EM in München erlebte das Publikum dann eine völlig veränderte Lea Meyer. Konzentriert, fokussiert und dennoch voller Freude – so lief die Wahl-Kölnerin im Finale das bislang beste Rennens ihres Lebens. 9:15,35 Minuten. Bestzeit. EM-Silber. "Henning, das ist für dich", weinte sie im Ziel ins TV-Mikro.
Die DM-Zweite Elena Burkard (LG farbtex Nordschwarzwald) lief im EM-Finale auf Platz zwölf. U20-Europameisterin Olivia Gürth (Diezer TSK Oranien) zeigte in diesem Jahr insgesamt eine tolle Entwicklung, steigerte ihre Bestzeit auf 9:47,76 Minuten und kam in München damit zu ihrem ersten Einsatz im Nationaltrikot der Aktiven. Im Olympiastadion verpasste die erst 20-Jährige das Finale nur knapp.
Clever und stark präsentierte sich in diesem Jahr auch der Nachwuchs. Bei der U20-WM in Cali (Kolumbien) war es Carolin Hinrichs (VfL Löningen), die sich über 3.000 Meter Hindernis bestens aufgelegt zeigte. Die 18-Jährige ging das Rennen defensiv an, legte eine Aufholjagd hin und beendete das Finale in 10:29,66 Minuten als Neunte. „Ich bin super happy. Meine Renntaktik ist voll aufgegangen“, sagte sie anschließend.
Einen Doppelschlag feierten die deutschen Hindernisläuferinnen gar bei der U18-EM in Jerusalem (Israel). Jolanda Kallabis (FT 1844 Freiburg) löste sich im Finale über 2.000 Meter Hindernis am vorletzten Wassergraben mühelos von den Konkurrentinnen und überquerte die Ziellinie nach 6:20,22 Minuten. Deutsche U18-Bestleistung, deutscher U20-Rekord und Meisterschaftsrekord. Dahinter lief Team-Kollegin Adia Budde (TV Altenholz) mit neuem persönlichem Rekord (6:28,09 min) zu Silber. Zum Ende der Saison schraubte die 17-jährige Kallabis im September in Trier über 2.000 Meter Hindernis ihre Bestzeit auf 6:07,72 Minuten. So schnell war weltweit noch keine Unter-18-Jährige vor ihr.
Internationale Erfolge
Medaille | Finalplatzierung | |
---|---|---|
WM | – | 15. Platz (Gesa Krause) |
EM | Silber (Lea Meyer) | 12. Platz (Elena Burkard) |
U20-WM | – | 9. Platz (Carolin Hinrichs) |
U18-EM | Gold (Jolanda Kallabis) Silber (Adia Budde) | – |
EYOF | – | 7. Platz (Jule Lindner) |
Unser "Ass des Jahres"
Lea Meyer (ASV Köln)
EM-Zweite
Deutsche Meisterin
WM-Teilnehmerin
Unser "Talent des Jahres"
Jolanda Kallabis (FT 1844 Freiburg)
U18-Europameisterin 2.000 Meter Hindernis
U18-Weltbestleistung 2.000 Meter Hindernis
Deutsche Jugend-Hallenmeisterin 800 Meter
Die deutschen Top Ten 2022
Zeit | Athletin | Jahrgang | Verein |
---|---|---|---|
9:15,35 min | Lea Meyer | 1997 | ASV Köln |
9:21,02 min | Gesa Felicitas Krause | 1992 | Silvesterlauf Trier |
9:39,63 min | Elena Burkard | 1992 | LG farbtex Nordschwarzwald |
9:47,76 min | Olivia Gürth | 2002 | Diezer TSK Oranien |
9:58,03 min | Amélie Svensson | 1996 | LG Region Karlsruhe |
10:00,60 min | Linda Wrede | 1993 | TSV Bayer 04 Leverkusen |
10:09,81 min | Kerstin Schulze Kalthoff | 1998 | LG Brillux Münster |
10:11,62 min | Agnes Thurid Gers | 1997 | SCC Berlin |
10:14,09 min | Kim Bödi | 2001 | VfL Sindelfingen |
10:14,14 min | Carolin Hinrichs | 2004 | VfL Löningen |
Statistik– Das sagen die Zahlen
Das deutsche Top-Niveau: 3.000 Meter Hindernis
Jahr | < 9:39,00 min* | Schnitt Top 3 | Schnitt Top 5 | Schnitt Top 10 |
---|---|---|---|---|
2005 | – | 10:10,58 | 10:17,74 | 10:27,41 |
2006 | – | 10:02,66 | 10:09,19 | 10:22,44 |
2007 | – | 9:58,82 | 10:03,92 | 10:19,89 |
2008 | 1 | 9:45,91 | 9:54,55 | 10:06,54 |
2009 | 1 | 9:43,49 | 9:53,04 | 10:09,64 |
2010 | – | 9:52,17 | 10:00,34 | 10:10,72 |
2011 | 1 | 9:45,97 | 9:55,04 | 10:08,86 |
2012 | 2 | 9:26,13 | 9:43,16 | 10:00,37 |
2013 | 2 | 9:42,14 | 9:53,76 | 10:12,16 |
2014 | 2 | 9:36,14 | 9:42,58 | 9:57,32 |
2015 | 1 | 9:38,65 | 9:46,10 | 10:08,27 |
2016 | 2 | 9:29,91 | 9:37,09 | 9:56,49 |
2017 | 1 | 9:36,49 | 9:45,75 | 9:55,76 |
2018 | 3 | 9:28,61 | 9:33,98 | 9:46,48 |
2019 | 1 | 9:33,67 | 9:42,03 | 9:52,00 |
2020 | 1 | 9:51,33 | 9:58,94 | 10:15,06 |
2021 | 3 | 9:21,56 | 9:34,34 | 9:49,12 |
2022 | 2 | 9:25,33 | 9:36,36 | 9:53,21 |
Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
---|---|---|---|---|---|
2005 | 9:56,70 (V. Dreier) | 9:20,49 (Volkova/RUS) | 36,21 | 9:15,04 (Inzikuru/UGA) | 41,66 |
2006 | 9:48,50 (V. Dreier) | 9:17,15 (Frankiewicz/POL) | 31,35 | 9:17,15 (Frankiewicz/POL) | 31,35 |
2007 | 9:53,25 (V. Dreier) | 9:06,57 (Volkova/RUS) | 46,68 | 9:06:57 (Volkova/RUS) | 46,68 |
2008 | 9:29,86 (A. Möldner) | 8:58,81 (Galkina/RUS) | 31,05 | 8:58,81 (Galkina/RUS) | 31,05 |
2009 | 9:18,54 (A. Möldner) | 9:07,32 (Dominguez/ESP) | 11,22 | 9:07,32 (Dominguez/ESP) | 11,22 |
2010 | 9:47,78 (G. Krause) | 9:17,07 (Dominguez/ESP) | 30,71 | 9:11,71 (Chemos/ETH) | 36,07 |
2011 | 9:32,72 (G. Krause) | 9:07,03 (Zaripova/RUS) | 25,71 | 9:07,03 (Zaripova/RUS) | 25,71 |
2012 | 9:21,78 (A. Möldner-Schmidt) | 9:05,02 (Zaripova/RUS) | 16,79 | 9:05,02 (Zaripova/RUS) | 16,79 |
2013 | 9:29,27 (A. Möldner-Schmidt) | 9:28,00 (Zaripova/RUS) | 1,27 | 9:11,65 (Chemos/KEN) | 17,62 |
2014 | 9:29,43 (A. Möldner-Schmidt) | 9:23,86 (Fougberg/SWE) | 5,57 | 9:10,64 (Ayalew/ETH) | 18,79 |
2015 | 9:19,25 (G. Krause) | 9:19,25 (G. Krause) | 0,00 | 9:05,36 (Ghribi/TUN) | 13,89 |
2016 | 9:18,41 (G. Krause) | 9:18,41 (G. Krause) | 0,00 | 8:52,78 (Jebet/BRN) | 25,63 |
2017 | 9:11,85 (G. Krause) | 9:11,85 (G. Krause) | 0,00 | 8:55,29 (Jebet/BRN) | 16,56 |
2018 | 9:19,80 (G. Krause) | 9:18,36 (Grovdal/NOR) | 1,44 | 8:44,32 (Chepkoech/KEN) | 35,48 |
2019 | 9:03,30 (G. Krause) | 9:03,30 (G. Krause) | 0,00 | 8:55,58 (Chepkoech/KEN) | 7,72 |
2020 | 9:35,67 (E. Burkard) | 9:16,84 (Ivonina/ANA) | 18,83 | 9:06,14 (Kiyeng/KEN) | 29,53 |
2021 | 9:07,61 (G. Krause) | 9:07,61 (G. Krause) | 0,00 | 8:53,65 (Jeruto/KEN) | 13,96 |
2022 | 9:15,35 (L. Meyer) | 9:07,87 (Bird/GBR) | 7,48 | 8:53,02 (Jeruto/KAZ) | 22,33 |
Das fällt auf:
- Für Lea Meyer war es das Jahr des Durchbruchs. Erstmals Deutsche Meisterin. Erstmals ein internationales Finale. Erstmals eine internationale Medaille. Und erstmals führt sie auch die deutsche Bestenliste an.
- Gesa Krause in Bestform ist nicht zu ersetzen. Kein Wunder, schließlich sprechen wir hier von einer Läuferin von Weltklasse-Format. Entsprechend schwächer sind auch die Durchschnittszeiten in diesem Jahr.
- Doch der Nachwuchs rückt nach. Allen voran die Freiburgerin Jolanda Kallabis, die in diesem Sommer nicht nur international zu Gold lief und eine neue U18-Weltbestleistung aufstellte, sondern auch die Weltbestenliste über 2.000 Meter Hindernis anführt. Dennoch: Ihre Zukunft sieht sie nun erstmal auf den 800 Metern. Beim Meeting in Dessau lief sie in diesem Sommer 2:04,65 Minuten – im weltweiten Vergleich belegt sie damit in diesem Jahr Platz 25.
- International ist das Niveau weiterhin hoch. Das WM-Finale war gar so schnell wie nie zuvor. Norah Jeruto, aus Kenia stammend und für Kasachstan startend, triumphierte in Eugene (USA) in 8:53,02 Minuten und erzielte damit die drittschnellste je gelaufene Zeit und einen WM-Rekord. In einem extrem schnellen Rennen blieben auch die Äthiopierinnen Werkuha Getachew und Mekides Abebe mit 8:54,61 beziehungsweise 8:56,08 unter der Neun-Minuten-Barriere.
- Für Norah Jeruto war es das erste internationale Finale bei den Aktiven. Zwar hatte sie im vergangenen Jahr schon die Weltjahresbestenliste angeführt, konnte sich jedoch nicht für die Olympischen Spiele qualifizieren.
leichtathletik.TV-Clips:
Die Disziplin-Analysen im Überblick:
Sprint Frauen
Sprint Männer
Langsprint Frauen
Langsprint Männer
Hürdensprint Frauen
Hürdensprint Männer
Langhürden Frauen
Langhürden Männer
Mittelstrecke Frauen
Mittelstrecke Männer
Langstrecke Frauen
Langstrecke Männer
* als Referenzwert dient die WM-Norm des Jahres 2017