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HÜRDENSPRINT MÄNNER | U23-Athleten rütteln am nationalen Thron

Es war ein intensives Jahr für die Leichtathletik. Weltmeisterschaften in den USA. Europameisterschaften im eigenen Land. Und auch der Nachwuchs war international gefordert. Was bleibt in Erinnerung? Wir werfen einen Blick zurück auf dieses besondere Jahr 2022. Heute: der Hürdensprint der Männer.
Silke Bernhart

Das ist 2022 passiert

Noch hat sich 2022 bei den nationalen Höhepunkten zweimal die Erfahrung durchgesetzt – doch eine Wachablösung im deutschen Hürdensprint der Männer steht kurz bevor. In Leipzig war es Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen), der in seiner Wahlheimat zum fünften Mal über Hallen-DM-Gold jubeln durfte, zwei Zehntel war er unter dem Hallendach schneller als der Rest der nationalen Konkurrenz. In Berlin beraubte sich der bald 30-Jährige mit einem Fehlstart im Vorlauf aller Titelchancen – und der gleichaltrige Martin Vogel (LAC Erdgas Chemnitz) hielt im DM-Finale in 13,74 Sekunden die jungen Herausforderer in Schach.

Doch besonders die Athleten der U23 machen mächtig Druck. Und haben in dieser Saison schon fast aufgeschlossen. Zum Beispiel Tim Eikermann (TSV Bayer 04 Leverkusen), der sich im DM-Halbfinale auf 13,66 Sekunden steigern konnte und damit in der deutschen Bestenliste gleichauf mit Gregor Traber die Spitzenposition erobert hat. Oder Stefan Volzer (VfL Sindelfingen), wie Eikermann Jahrgang 2000, der zum Saison-Ende noch eine Bestzeit von 13,72 Sekunden feiern konnte und seinen Dauer-Rivalen bei der U23-DM bezwang.

Am bemerkenswertesten ist aber wohl die Steigerung von Gregory Minoue (TV Angermund). Der 20-Jährige stieg gleich mit 13,86 Sekunden über die Männerhürden in die Saison ein, bevor er später im Jahr sogar noch 13,78 Sekunden folgen ließ. Gregor Traber war vor zehn Jahren der letzte DLV-Athlet, der im ersten Männerjahr schneller war. Unter die Glanzlichter mischten sich aber auch Enttäuschungen: Bei der DM in Berlin erreichte Gregory Minoue nicht das Ziel, bei der U23-DM war nach einer Disqualifikation schon im Vorlauf Endstation.

Für die Qualifikation zu internationalen Meisterschaften reichte es im Jahr ohne U23-EM für die "jungen Wilden" allerdings nicht – wohl aber für Gregor Traber. In 7,62 Sekunden hatte er schon zu Beginn der Hallensaison sein großes Können aufblitzen lassen, bei der Hallen-WM sprintete er bis ins Halbfinale. Bei der WM in Eugene (USA) war nach dem Vorlauf Schluss, und nach 13,81 Sekunden machte sich auch ein wenig Ratlosigkeit breit. Bei der EM zog Gregor Traber dann in sein neuntes internationales Halbfinale ein, sein zweites EM-Finale verpasste er jedoch recht deutlich.

Die besten internationalen Platzierungen gingen in diesem Jahr auf das Konto der Nachwuchs-Athleten. Während bei der U20-WM der schnellste deutsche U20-Athlet Aaron Giurgian (Sprintteam Wetzlar) mit dem Vorlauf-Aus eine Enttäuschung wegstecken musste, schaffte es Manuel Mordi (Hamburger SV) bis ins Halbfinale. Medaillenjubel gab's bei der U18-EM: Nils Leifert (LAC Quelle Fürth) stürmte in Bestzeit von 13,60 Sekunden zu Bronze, zwei Plätze vor Timon Dethloff (Cologne Athletics), der im Halbfinale in 13,46 Sekunden an der deutschen U18-Bestleistung von Henrik Hannemann (13,40 sec) gekratzt hatte. Beim EYOF durfte der ein Jahr jüngere Jonatan Toldy (LG Sempt) internationale Erfahrungen sammeln, er feierte dort mit Platz fünf einen Achtungserfolg.

Internationale Erfolge

  Medaille Finalplatzierung
Hallen-WM  –   – 
U20-WM  –   – 
U18-EM Bronze (Nils Leifert; 13,60 sec) 5. Platz (Timon Dethloff; 13,69 sec)
EYOF  –  5. Platz (Jonatan Toldy; 14,21 sec)
WM  –   – 
EM  –   – 


Unser "Ass des Jahres"

Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen)
Deutscher Hallenmeister
Platz eins deutsche Jahresbestenliste Halle/Freiluft
Start bei Hallen-WM, WM und EM

Unser "Talent des Jahres"

Gregory Minoue (TV Angermund)
Dritter Hallen-DM
Platz fünf deutsche Bestenliste

Die deutschen Top Ten 2022

Zeit Name Jahrgang Verein
13,66 sec Gregor Traber 1992 LAV Stadtwerke Tübingen
13,66 sec Tim Eikermann 2000 TSV Bayer 04 Leverkusen
13,72 sec Stefan Volzer 2000 VfL Sindelfingen
13,74 sec Martin Vogel 1992 LAC Erdgas Chemnitz
13,78 sec Gregory Minoue 2002 TV Angermund
13,96 sec Yannick Spissinger 1995 MTG Mannheim
14,00 sec Joshua Wagner 2000 LG Westerwald
14,18 sec Arthur Abele 1986 SSV Ulm 1846
14,27 sec Niklas Kaul 1998 USC Mainz
14,34 sec Kai Kazmirek 1991 LG Rhein-Wied

Statistik – Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau: 110 Meter Hürden

Jahr =/<13,48 sec* Schnitt Top 3 Schnitt Top 5 Schnitt Top 10
2005 1 13,51 13,56 13,66
2006 1 13,52 13,61 13,74
2007 1 13,51 13,59 13,71
2008 13,52 13,56 13,67
2009 3 13,37 13,42 13,52
2010 1 13,49 13,51 13,62
2011 2 13,47 13,51 13,66
2012 4 13,38 13,44 13,62
2013 2 13,46 13,53 13,69
2014 3 13,43 13,49 13,61
2015 3 13,37 13,48 13,67
2016 4 13,34 13,40 13,64
2017 2 13,47 13,53 13,68
2018 2 13,41 13,56 13,69
2019 1 13,58 13,72 13,97
2020 13,71 13,87 14,08
2021 1 13,54 13,65 13,87
2022 13,68 13,71 13,93

Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich: 110 Meter Hürden

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 13,31 (Blaschek) 12,97 (Doucouré/FRA) 0,34 12,97 (Doucouré/FRA) 0,34
2006 13,33 (Blaschek) 13,15 (Olijars/LAT) 0,18 12,88 (Liu/CHN) 0,45
2007 13,33 (Blaschek) 13,22 (Demydyuk/UKR) 0,11 12,92 (Liu/CHN) 0,41
2008 13,49 (Blaschek) 13,22 (Doucouré/FRA) 0,27 12,87 (Robles/CUB) 0,44
2009 13,35 (John) 13,30 (Turner/GBR) 0,05 13,04 (Robles/CUB) 0,31
2010 13,47 (John) 13,27 (Svoboda/CZE) 0,20 12,89 (Oliver/USA) 0,58
2011 13,45 (John) 13,22 (Turner/GBR) 0,23 12,94 (Oliver/USA) 0,51
2012 13,34 (Bühler) 13,09 (Shubenkov/RUS) 0,25 12,80 (Merritt/USA) 0,54
2013 13,44 (Balnuweit) 13,12 (Martinot-Lagarde/FRA) 0,32 13,00 (Oliver/USA) 0,44
2014 13,39 (Bühler) 12,95 (Martinot-Lagarde/FRA) 0,44 12,94 (Parchment/JAM) 0,45
2015 13,31 (Traber) 12,98 (Shubenkov/RUS) 0,33 12,94 (Ortega/CUB) 0,37
2016 13,21 (Traber) 13,04 (Ortega/ESP) 0,17 12,98 (McLeod/JAM) 0,23
2017 13,41 (Traber) 13,01 (Shubenkov/ANA) 0,40 12,90 (McLeod/JAM) 0,51
2018 13,26 (Traber) 12,92 (Shubenkov/ANA) 0,34 12,92 (Shubenkov/ANA) 0,34
2019 13,37 (Traber) 13,05 (Ortega/ESP) 0,32 12,98 (Holloway/USA) 0,39
2020 13,60 (Bühler) 13,11 (Ortega/ESP) 0,49 13,11 (Ortega/ESP) 0,49
2021 13,47 (Vogel) 13,12 (Joseph/SUI) 0,35 12,81 (Holloway/USA) 0,66
2022 13,66 (Traber/Eikermann) 13,14 (Martínez/ESP) 0,52 12,84 (Allen/USA) 0,82

Das fällt auf:

  • Ein erfahrener Athlet und ein U23-Talent teilen sich in diesem Jahr die deutsche Spitze – wohl auch sinnbildlich dafür, dass im Hürdensprint der Männer ein Generationenwechsel bevorsteht.
  • Ein Teil der Wahrheit ist dabei aber auch, dass die Leistungsträger der vergangenen Jahre in der Saison 2022 keine Spitzenzeiten erzielen konnten. Kein einziges Mal hätte seit den 90er Jahren eine Zeit jenseits der 13,65 Sekunden für Platz eins der deutschen Jahresbestenliste gereicht.
  • Tim Eikermann, Stefan Volzer, Gregory Minoue – Namen, die man sich für die Zukunft merken sollte und Athleten, die sich in der U23 gegenseitig zu neuen Bestzeiten gepusht haben.
  • Auch in der U20 und in der U18 wachsen einige große Talente heran. Auffällig ist jedoch zugleich, dass hinter den internationalen Startern schon bald eine große Lücke klafft, mit nur vier Hürdensprintern in der U20 und gar nur zweien in der U18, die 2022 die 14-Sekunden-Marke unterbieten konnten.
  • Die Lücke zur europäischen und zur Weltspitze ist groß wie lange nicht mehr.
  • In Europa hat Asier Martínez – im Übrigen mit Jahrgang 2000 ebenso alt wie Volzer und Eikermann – die Krone erobert.
  • Auf Welt-Ebene schrieben zwei US-Athleten Schlagzeilen: Grant Holloway mit der Einstellung seines Hallen-Weltrekords und zwei WM-Goldmedaillen, in der Halle und im Freien. Und Devon Allen als Jahresschnellster, der im WM-Finale vielleicht sogar zu schnell war für sein eigenes Wohl, denn in einer umstrittenen Tausendstel-Entscheidung musste er mit einem Fehlstart das Feld räumen.

leichtathletik.TV-Clips:

60 Meter Hürden   100/110 Meter Hürden

Die Disziplin-Analysen im Überblick:

Sprint Frauen
Sprint Männer
Langsprint Frauen
Langsprint Männer
Hürdensprint Frauen

* als Referenzwert dient die WM-Norm des Jahres 2017

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