| Interview

Christin Maurer: „Wieder da ankommen, wo ich hingehöre“

© Jan Papenfuß
Jahrelang zählte Christin Maurer, geb. Hussong, zu den besten Speerwerferinnen der Welt. Nach einer Verletzungs- und Krankheitspause 2022 musste sie sich mühsam zurückkämpfen. Ein erster Lohn: Platz vier bei der EM im vergangenen Jahr. Was sie die vergangenen Jahre gelehrt haben, warum Aufgeben nie eine Option war und welche sportlichen Träume die Europameisterin von 2018 noch hat, verrät sie im Interview.
Svenja Sapper

Christin Maurer, wo erreiche ich Sie gerade?

Christin Maurer:
Ich war jetzt zehn Tage im Trainingslager in Belek, am Sonntag geht es wieder zurück. Für mich läuft es hier sehr gut, auch wenn das Wetter zeitweise ein bisschen durchwachsen war. Aber als wir am Montag geworfen haben, war es gut, da hatten wir Glück. Bei Regen ging es dann in den Kraftraum.

Wie beurteilen Sie Ihren Trainingsstand und Ihre aktuelle Form?

Christin Maurer:
Ich bin sehr zufrieden. Wir haben viel an der Technik weitergearbeitet. Durch die Verletzung 2022 hat sich ein Wurfmuster eingeschlichen, das nicht unbedingt förderlich war. Dann muss man das Werfen grob gesagt noch einmal neu lernen, damit ich diese Fehler wieder weglasse. Was das betrifft, läuft es echt ganz gut. Natürlich gibt es mal Würfe, die nicht so funktionieren, das ist klar. Ich brauche jetzt einfach Würfe, Würfe, Würfe. Aber an sich bin ich sehr zufrieden mit dem aktuellen Stand.

Sie haben Ihre Verletzungszeit eben schon angesprochen. Im vergangenen Jahr haben Sie mit Rang vier bei der EM auf Ihrem Weg zurück einen Schritt nach vorn gemacht und sich auch für die Olympischen Spiele qualifiziert. Ein Mutmacher?

Christin Maurer:
Auf diesen vierten Platz bin ich wirklich stolz. Ich fand, das ist in Rom ein bisschen untergegangen. Aber es war mein zweitbestes Ergebnis bei einer EM, sowohl in Amsterdam [Niederlande; 2016] als auch in Zürich [Schweiz; 2014] war ich schlechter. Von daher bin ich damit echt zufrieden, es war ein Schritt in die richtige Richtung für mich, für den Kopf – zu wissen: Ja, du gehörst dazu, du musst dich nicht verstecken. Paris lief dann technisch leider ein bisschen schwer. Da hat es nicht ganz gereicht. Aber es war auf jeden Fall wieder ein Stück weiter. Man darf nicht erwarten, dass ich direkt wieder an die 69 Meter anknüpfe. Für mich zählt es einfach Schritt für Schritt wieder zurück. Dazu braucht man Zeit und viel Geduld. Ich hätte nicht gedacht, dass es doch so lange dauert. Vor allem für den Kopf. Aber die Zeit gebe ich mir jetzt, und ich merke, dass es immer besser wird.

Sind Sie generell ein geduldiger Mensch?

Christin Maurer:
Mittlerweile habe ich gelernt, geduldig zu sein. Meine Familie würde mich vermutlich nicht unbedingt als die geduldigste Person bezeichnen, aber man lernt, damit umzugehen, weil es anders nichts bringt. Wenn man sich die Zeit nicht gibt, geht es bergab. Dann hätte ich wahrscheinlich schon aufgehört. Man muss für sich lernen, was das überhaupt istGeduld.

Trotz aller Herausforderungen haben Sie immer weitergemacht. War der Gedanke ans Aufhören nie da – immerhin haben Sie in Ihrer Karriere schon einiges erreicht?

Christin Maurer:
Natürlich: Wenn man immer vorne dabei war und es läuft und alles ist einfach  man war Diamond-League-Siegerin, WM-Vierte und Europameisterin und dann geht plötzlich gar nichts mehr, dann zweifelt man an sich selbst. Und dann kommen derartige Gedanken schon hoch, auf jeden Fall. Aber ich habe es nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Weil ich gleich wieder dachte: „Nein, du machst es, weil es dir Spaß bringt, und du machst jetzt weiter, du ziehst es durch, du kämpfst – irgendwann wird die Belohnung kommen.“ Die kam dann ja zum Beispiel bei der EM. Da habe ich gemerkt, dass es sich gelohnt hat zu kämpfen.

Haben Sie eine bestimmte Strategie, mit Rückschlägen umzugehen?

Christin Maurer:
Ich habe viel mit meiner Psychologin gesprochen, mit Tanja Damaske, mit meinem Trainer, mit meiner Familie, mit meinem Partner, viel, viel geredet. So bin ich aus dem Tief wieder rausgekommen. Es war eine sehr schwierige Zeit, aber gerade im letzten Jahr hat es viel geholfen. Ich habe gelernt zu akzeptieren, dass es auch mal eine Einheit gibt, die nicht so läuft, wie man es plant. Die nächste Einheit wird dann aber wieder besser. Ich bin jetzt nicht mehr 20, mit Anfang 20 habe ich darüber noch anders gedacht.

Nun aber genug von schlechten Trainingstagen, lassen Sie uns gerne nach vorn blicken: Was haben Sie sich für die Saison 2025 vorgenommen?

Christin Maurer:
Mein Hauptziel ist es, bei der WM dabei zu sein und besser abzuschneiden als in Paris. Dass ich da wieder zeigen kann, dass ich auch ins Finale gehöre. In Paris ist die Bronzemedaille letztes Jahr mit 63 Metern weggegangen. Wenn ich so weitermache wie aktuell, habe ich das definitiv drauf, und dann werde ich hoffentlich in Tokio wieder da ankommen, wo ich hingehöre. Was dann letztendlich passiert, wird man sehen. Wenn plötzlich fünf Mädels 67 Meter werfen, muss ich an dem Tag auch so fit sein. Das gehört dazu. Aber man hat gesehen, dass es möglich ist, mit einer 63 vorne mit dabei zu sein.

Welche Wettkämpfe haben Sie im Sommer außerdem geplant?

Christin Maurer:
Eigentlich wollte ich schon bei der Winterwurf-DM in die Saison einsteigen. Aus privaten familiären Gründen musste ich da leider absagen und wurde deswegen auch nicht für den Wurf-Cup in Zypern nominiert. Das war sehr schade, weil es mir wahrscheinlich sehr gut getan hätte, aber die Saison ist ja noch lang. Die Deutschen Meisterschaften [Dresden, 31. Juli bis 3. August] sind im Sommer auf jeden Fall gesetzt, bei der Team-EM [Madrid; 27. bis 29. Juni] würde ich auch gerne werfen. Alles andere muss ich noch mit meiner Managerin absprechen, aber ich plane mit einem Saisonstart im Mai.

Dann werden Sie auch zum ersten Mal mit Ihrem neuen Nachnamen an den Start gehen …

Christin Maurer:
Ich bin gespannt, wie sich das dann anfühlt. Privat habe ich mich mittlerweile daran gewöhnt, aber ich denke, es ist doch noch mal was anderes, wenn man den Namen dann auf der Startnummer liest. Ich bin auch gespannt, wie oft ich noch mit Hussong aufgerufen werde – was aber auch okay ist, der Name gehört genauso zu mir. Ich kenne einige internationale Athletinnen, die auch letztes Jahr geheiratet haben, da ist es auch für mich noch ungewohnt, den neuen Namen zu lesen. Aber das gehört dazu, wenn man heiratet.

National wurden Sie im vergangenen Sommer von einigen jungen Athletinnen herausgefordert. Wie beurteilen Sie die Konkurrenz im deutschen Speerwurflager?

Christin Maurer:
Es ist schön für den deutschen Sport, für den deutschen Speerwurf, dass endlich mal ein paar Junge nachkommen, die auch mit im Trainingslager dabei sind, dass man nicht mit den Männern alleine ist. Und das freut mich unglaublich. Ich hoffe, dass sie ihre Entwicklung weiter so machen. Ich werfe keine zehn Jahre mehr. Und dann hoffe ich, dass es für den deutschen Frauen-Speerwurf gut weitergeht.

Welchen sportlichen Traum wollen Sie sich noch erfüllen?

Christin Maurer:
Ich habe bis jetzt international bei den Erwachsenen nur eine EM-Medaille. Wenn da noch eine dazukommen würde, wäre es wundervoll. Egal ob jetzt EM, WM, Olympia. Alles, was dazu gehört.

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